Lamm-Majestäten: Verstaubtes Frauenbild oder cleveres Marketing?

Stand: 26.04.2025 06:00 Uhr

Die beiden Lamm-Majestäten in Nordfriesland standen vor dem Aus - bis jetzt. NDR Autorin Isabel Hofmann stellt heraus, warum Königin und Prinzessin unbedingt weiter machen sollten.

von Isabel Hofmann

Der Verein Nordfriesische Lammtage ist seit Ende vergangenen Jahres Geschichte - doch für Melina Friedrichsen und Emma Ingwersen ist Schluss machen keine Option. Die ehemalige Lamm-Königin und ihre Prinzessin wollen den Deichschafen weiterhin eine Stimme geben. Sie setzen ihr Engagement nun im offiziellen Rahmen als landwirtschaftliche Botschafterinnen fort.

Zukünftig werden die beiden Majestäten an den Landesverband Schleswig-Holsteinischer Schaf- und Ziegenzüchter angegliedert und erhalten weiterhin die bereitgestellten Haushaltsmittel des Kreises Nordfriesland für Veranstaltungen, Aktivitäten und Reisen.

Seit seiner Gründung im Jahr 2003 setzte sich der ursprüngliche Trägerverein für die Förderung des Kreises, der Schäfer und Schäfereien an der Westküste sowie regionaler Lamm- und Schafprodukte ein. Letztlich führten mehrere Gründe zur Auflösung des Vereins.

Lamm-Majestäten Nordfrieslands: Zwischen Tradition und Moderne

Als Ziel hatte sich der Verein unter anderem die Steigerung der Bekanntheit und Imagepflege gesetzt. Dazu gehörte auch eine moderne und humorvolle Marketingkampagne, die mit Wortwitzen wie "Bock auf mäh" oder statt Nordfriesland eben mit "Nordfrieslamm" wirbt. Seit 28 Jahren zählen auch die beiden Lamm-Majestäten zum Aushängeschild der Region. Sie werben "aus dem echten Leben" für Nordfriesland und das Salzwiesen-Lamm umgeben von Schafen. Doch wie zeitgemäß sind Lamm-Königin und Lamm-Prinzessin eigentlich noch?

Tradition oder Marketing?

Man könnte nun Debatten über längst überholte Frauenbilder, Klischees und Traditionen führen. So ist der Kohlschnitt ohne Kohlregentin in Dithmarschen seit dem 16. Jahrhundert beispielsweise undenkbar. Andere Produkt-Majestäten stammen aber entgegen der ersten Betrachtung aus deutlich jüngeren Zeitaltern. Die Pellkartoffelkönigin aus Hohenlockstedt (Kreis Steinburg) gibt es seit 2003, die Krokusblütenmajestät Husum (Kreis Nordfriesland) seit 2001, die Probsteier Kornkönigin (Kreis Plön) seit 2000 und eben die Lamm-Majestäten seit gerade einmal drei Jahren. Diese Majestäten sind also nicht in jahrhundertealten Traditionen verwurzelt.

Modernes Ehrenamt: Lamm-Majestäten als Influencerinnen

Die Aufgabe der Produkt-Majestäten: ländlichen, regionalen Erzeugnissen ein Gesicht geben und ihre Region repräsentieren - auf Stadtfesten, überregionalen Veranstaltungen oder auch auf Social Media Kanälen. Sie engagieren sich ehrenamtlich aus Verbundenheit zu ihrer Heimat. Nun werden diese Ämter aber nicht von alt eingesessen Herrschaften bekleidet, sondern vielmehr von jungen Menschen, oftmals von jungen Frauen. Allerdings ist die Krone der Lamm-Königin oder des Lamm-Königs nicht an ein Geschlecht gebunden. Auch Männer dürfen sich dafür bewerben.

Sichtbarkeit für Frauen in der Landwirtschaft

Sind Königin und Prinzessin nun überholt oder vielmehr strategisch sinnvoll? Frauen sind in der Landwirtschaft immer noch unterrepräsentiert. Eine Gleichstellung der Geschlechter ist in landwirtschaftlichen Betrieben lange noch nicht erreicht.

Weitere Informationen
Zu sehen ist ein Acker aus der Vogelperspektive, über den ein Traktor fährt © BeneA / photocase.de Foto: BeneA

Equal Pay Day: Ungleichheit in der Landwirtschaft

Frauen, die in landwirtschaftliche Betriebe hineingeboren werden, sind häufig nicht ausreichend für die Rente abgesichert. mehr

Nur jeder neunte Agrarbetrieb wird von einer Frau geleitet. Dies zeigt eine Studie, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in Auftrag gegeben wurde. Majestäten verschaffen Frauen so eine Sichtbarkeit und können auch Vorbilder sein. Schließlich verfügen sie über absolutes Know-How in ihrem Fachgebiet und werben weit über die Regions- und Landesgrenzen hinaus für ihre Produkte.

Lamm-Königin besucht Landwirtschaftsschule

Die amtierende Lamm-Königin Melina Friedrichsen besucht aktuell die Landwirtschaftsschule in Bredstedt. Seit Sommer ist sie Lammkönigin und lebt auf einem Milchviehbetrieb in Horstedt. Die 23-Jährige sieht die Notwendigkeit über Schafe und somit auch den Küstenschutz in Nordfriesland aufzuklären. Seit Kindertagen hat sie einen engen Bezug zur Landwirtschaft und der Region.

Wie Social Media regionale Tradition stärkt

Wer könnte also nicht besseres Werbegesicht sein, als junge Frauen und Männer, die sich in die Verpflichtungen eines Ehrenamts begeben und zu starken Repräsentantinnen und Repräsentanten ihrer Region werden? Schließlich sind beim Bewerbungsverfahren zur Lamm-Majestät Social Media-Kenntnisse erwünscht - so werden die Produktköniginnen und -könige zu Influencern ihrer Region. Damit wird auch die jüngere Zielgruppe für Zucht und Erhalt des Lamms, für traditionelle Feierlichkeiten Nordfrieslands oder darüber hinaus für den Küstenschutz begeistert. Auch nachfolgende Generationen sind somit für Themen in ihrer Region sensibilisiert. Ein klares Investment in die Zukunft Nordfrieslands.

Anmerkung der Redaktion: Liebe Leserin, lieber Leser, die Trennung von Meinung und Information ist uns besonders wichtig. Meinungsbeiträge wie dieser Kommentar geben die persönliche Sicht der Autorin/des Autors wieder. Kommentare können und sollen eine klare Position beziehen. Sie können Zustimmung oder Widerspruch auslösen und auf diese Weise zur Diskussion anregen. Damit unterscheiden sich Kommentare bewusst von Berichten, die über einen Sachverhalt informieren und unterschiedliche Blickwinkel möglichst ausgewogen darstellen sollen.

Weitere Informationen
Hofinhaberin Susanne van Giffen steht auf einem Traktor. © Susanne van Giffen

Susanne van Giffen: Die Chefin auf dem Hof

Nur wenige landwirtschaftliche Betriebe werden von Frauen geführt. Susanne van Giffen leitet einen Ackerbaubetrieb im Kreis Dithmarschen. mehr

Ein große Veranstaltung zum Landfrauentag. © NDR Foto: Cassandra Arden

Für Mitsprache und Gleichberechtigung: Landfrauentreffen in Kiel

Der Verband feiert sein 75-jähriges Bestehen. Das Ziel: Sprachrohr sein für Frauen auf dem Land. Auch Bundespräsident Steinmeier war vor Ort. mehr

Eine Frau blickt auf einen Laptop © NDR Foto: NDR Screenshot

Mehr Landfrauen in die Politik: So soll es in SH gelingen

Claudia Jürgensen, Präsidentin des Landfrauenverbands, will Frauen ermuntern, das Leben auf dem Land noch mehr mitzugestalten. mehr

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 25.04.2025 | 19:30 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Kreis Nordfriesland

Landwirtschaft

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Ein Wolf blickt nach links. © picture alliance / agrarmotive Foto: Klaus-Dieter Esser

Wolfsrisse im Kreis Segeberg "völlig erwartbar und normal"?

Schon seit längerem ist der Wolf zurück in Südholstein. Zuletzt gab es mehrere Risse im selben Gebiet. Ein Experte ist darüber nicht überrascht. mehr

Videos