Vom Trampelpfad zum Premium-Radweg: Der Ochsenweg im Wandel

Stand: 17.04.2025 17:13 Uhr

Auf dem Weg zum Sterne-Radweg: Fahrradrouten gibt es in ganz Deutschland, aber der Ochsenweg in Schleswig-Holstein soll zukünftig zu den Besten gehören. Dafür bekommt er eine Generalüberholung.

von Kim Kristin Mauch

Paul Grösch steht an einer Weggabelung nahe Neumünster und betrachtet kritisch ein Schild. "Das muss noch erneuert werden", sagt er und zieht seinen bereits fertigen Entwurf aus der Tasche. Der 30-jährige Geograph arbeitet beim Kieler Planungsbüro "Lebensraum Zukunft" und hat eine Mission: Den historischen Ochsenweg, der seit der Bronzezeit von der Elbe quer durch Schleswig-Holstein bis zum Limfjord in Dänemark führt, zu einer Premium-Route für Radtouren aufzuwerten. "Der Ochsenweg hat so viel Potenzial", sagt Grösch. Aber bis zu den fünf Sternen des ADFC-Gütesiegels ist es ein steiniger Weg - im wahrsten Sinne des Wortes.

Von historischer Handelsroute zur Radtourismus-Attraktion

Der Ochsenweg - in Dänemark auch als Heerweg bekannt - ist eine der ältesten Handelsrouten Nordeuropas. Auf ihm wurden einst Ochsen von Jütland zu den Märkten nach Hamburg und weiter ins Rheinland getrieben.

Paul Grösch trägt ein blaues T-Shirt und steht mit dem Fahrrad in der Hand am Radweg vor einer Unterführung unter den Bahnschienen
Geograph Paul Grösch bei der Planung der Radroute entlang des Ochsenweg

Heute soll der in Schleswig-Holstein gelegene Abschnitt zwischen Wedel (Kreis Pinneberg) und Flensburg Radtouristen anlocken. "Den Radweg entlang dieser historischen Verbindung gibt es schon seit vielen Jahren. Wir verpassen ihm im Moment ein Update", erklärt Grösch, während er mit seinem Rad über einen frisch asphaltierten Abschnitt rollt. "Das bedeutet nicht nur schöne Ausschilderung, sondern auch die richtige Infrastruktur - von durchgängig möglichst guten Wegen bis zu Rastplätzen und Servicestationen."

74 Gemeinden, ein Ziel - aber unterschiedliche Budgets

Die Herausforderung ist enorm. Grösch steht mit 74 Gemeinden in Verbindung. "Ich kann nur Vorschläge machen und überzeugen - umsetzen müssen es letztlich die Gemeinden." Und die haben jeweils ein sehr unterschiedliches Budget. Dass also nicht jede seiner Anregungen umgesetzt werden kann, dafür hat Grösch Verständnis.

In Neumünster trifft Grösch die Stadtbaurätin Sabine Kling. Gemeinsam inspizieren sie die neu gebaute Unterführung am Schwalewanderweg. "Nicht nur für Radtouristen auch für Anwohner ist das eine große Verbesserung", erklärt Kling. Radfahrer mussten früher über Kopfsteinpflaster, dem wahrscheinlich unbeliebtesten Straßenbelag unter Radfahrern. Nun geht der Radweg an der Schwale entlang. Die Bahnschienen sind hier kein Hindernis mehr. Jetzt flitzen die Radler einfach unten durch. Ein Beispiel für fahrradfreundliche Infrastruktur.

Der Radweg führt von Wedel (Kreis Pinneberg) bei Hamburg nach Flensburg. Bei Uetersen (ebenfalls Kreis Pinneberg) teilt er sich in eine östliche und westliche Route, die kurz vor Rendsburg wieder zusammenkommen.

Mehr als nur Asphalt - Wirtschaft profitiert vom Radtourismus

Zwei Schilder werden hochgehalten. Das eine zeigt das Logo des Ochsenwegs, zwei gekreuzte Hörner. Das andere weist die D-Route 7 und die EuroVelo 3 aus.
Durch die neue Beschilderung soll der Ochsenweg auch ohne Karte oder Handy leicht zu verfolgen sein.

Weiter geht es in die kleine Gemeinde Hardebek im Kreis Segeberg. Hier zeigt sich, wie Radtourismus und lokale Wirtschaft voneinander profitieren können. Der Ochsenweg führt direkt am Hofladen von Julika Ehlers vorbei. "Die Radfahrer sind im Sommer ein wichtiger Teil unser Kundschaft", sagt die Einrichtungsleitung der Hofgemeinschaft Weide-Hardebek. "Leider war der Ochsenweg etwas in Vergessenheit geraten. Das wird sich jetzt hoffentlich ändern."

Die Gemeinde hat außerdem einen bestehenden Rastplatz mit neuen Sitzgelegenheiten, ausgestattet. "Es sind solche vermeintlichen Kleinigkeiten, die eine Radroute zur Premiumroute machen", erklärt Grösch. "Der perfekte Mix aus gutem Belag, schöner Landschaft, interessanten Stopps und praktischer Infrastruktur."

Weg zur Fünf-Sterne-Route ist sehr weit

Bis zum nächsten Jahr soll der Ochsenweg mindestens vier von fünf möglichen Sternen bei der ADFC-Klassifizierung erreichen. Die Anforderungen dafür sind hoch: Dafür muss mehr als nur der Radweg in gutem Zustand sein. Beispielsweise wird auch die Wegweisung, die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel oder touristische Infrastruktur bewertet.

Paul Grösch fährt mit seinem Fahrrad über einen Sandweg
Mit dem Fahrrad lassen sich in Schleswig-Holstein ganz neue Ecken erkunden.

"Wir werden nicht alle Mängel beseitigen, aber wenn wir an vielen Stellen kleine Verbesserungen erreichen, ist schon viel gewonnen", meint Paul Grösch, während er südlich von Hardebek den neuen Belag begutachtet. Hier wurde eine schlechte Asphaltdecke zu Schotterbelag recycelt. Vor drei Jahren hat er selbst den Zustand der Strecke begutachtet und detailliert zusammengetragen, wo Mängel ausgebessert werden müssen.

Radstrategie 2030: Zu viele Beteiligte, zu wenig Geld

Dass der Ochsenweg zur Qualitätsradroute wird, hat auch die volle Unterstützung der Landesregierung. Ausgewiesene Ziele der Radstrategie 2030: Mehr Menschen aufs Rad zu bringen, Unfälle zu verhindern und Schleswig-Holstein in die Top drei der Radtourismusländer zu bringen. Doch Stephanie Meyer, Landesvorsitzende des ADFC Schleswig-Holstein erklärt: "Das werden wir so schnell nicht schaffen."

Das Problem: Die Tourismus-Agentur des Landes bewirbt die 13 Radfernwege in Schleswig-Holstein. Doch die Zuständigkeit ist stark zersplittert. Mal sei der Kreis verantwortlich, mal das Land. "Kleine Gemeinden haben oft weder touristische Infrastruktur noch das Geld für Sanierungen", ergänzt Meyer. "Zwar gebe es Förderprogramme, aber selbst der Eigenanteil von 10 bis 25 Prozent überfordere manche Kommunen. Planer Paul Grösch ergänzt: "Und wenn Radwege verbreitert werden müssen und dafür Land gekauft werden muss, wird es noch komplizierter."

Ochsenweg als Vorbild-Projekt

Trotz aller Widrigkeiten bleibt Grösch optimistisch. Am späten Nachmittag inspiziert er einen neu gestalteten Abschnitt. Hier wurde nicht nur der Weg erneuert, sondern auch eine Infotafel zur Geschichte des Ochsenwegs aufgestellt. "Wir wollen, dass die Leute nicht nur von A nach B radeln, sondern unterwegs etwas erleben, die Kultur und Geschichte der Region entdecken", erklärt Grösch. Das Modellprojekt Ochsenweg wird vom Land gefördert und soll als Blaupause für andere Radfernwege dienen. "Wenn wir hier zeigen können, wie es geht, können andere davon lernen", hofft Grösch.

Perfekt muss es nicht sein, aber ein Erlebnis

Nicht jeder Abschnitt des Ochsenwegs kann zum breiten und glatt asphaltierten Premiumweg werden. Aber bis zur Zertifizierung im nächsten Jahr werden trotzdem wichtige Verbesserungen erreicht sein, da ist sich Grösch sicher: "Wir werden künftig klar kommunizieren, welche Abschnitte für welche Radtypen geeignet sind. Nach dem Motto: Ab hier nur mit dem Trekkingrad oder Gravelbike befahrbar, aber wenn Sie links abbiegen, ist die Route auch fürs Rennrad gut."

Am Ende eines langen Arbeitstages blickt Grösch zuversichtlich in die Zukunft: "Der Ochsenweg wird kein perfekter Radweg werden - aber ein authentisches Erlebnis mit komfortabler Infrastruktur." Und vielleicht ist genau dies das Erfolgsrezept für eine Premium-Radroute in Schleswig-Holstein.

Zwei Radfahrer stehen in Kropp vor den berühmten Ochsenhörnern, die auf dem Radfernweg Ochsenweg liegen.

Viel Natur, Wikinger-Stätten und ein Hünengrab: Der historische Ochsenweg verläuft 230 Kilometer durch Schleswig-Holstein.

Fahrradfahrer sind auf einem Radschnellweg unterwegs.

Ein Zwischenstand des Großprojekts in Südholstein zeigt: Manche Kommunen könnten bald bauen, andere machen nicht weiter.

Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Schleswig-Holstein Magazin | 17.04.2025 | 19:30 Uhr

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