Bengt Fuchs

Thüringen Geraer Richter nutzte offenbar Dienst-Mailadresse für rassistische Kommentare

Stand: 22.07.2024 16:39 Uhr

Die Vorwürfe gegen den Geraer Richter Bengt Fuchs erhärten sich. Interne Dokumente deuten darauf hin, dass sich der Richter mit seiner Dienst-Mailadresse jahrelang auf Studentenverbindungs-Foren eingeloggt und dort rassistische Kommentare abgesetzt hat.

Von David Straub, MDR THÜRINGEN

In den vergangenen Wochen ging es Schlag auf Schlag: Erst veröffentlichten verschiedene Medien Vorwürfe gegen den Vizepräsidenten und Richter am Verwaltungsgericht Gera, Bengt Fuchs, wonach sich dieser in Studentenverbindungsforen über Jahre rassistisch und schwulenfeindlich geäußert haben soll.

Kurz darauf gab das Geraer Gericht bekannt, die Vorwürfe im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu prüfen - zudem wies das Präsidium des Verwaltungsgerichts Fuchs "als Akutmaßnahme" einer anderen Kammer zu, die nicht für Asylklagen zuständig ist. Nun erhärten interne Unterlagen den Verdacht, dass der Richter tatsächlich auch der Nutzer gewesen sei. Auch der "Spiegel" berichtet darüber.

User fällt auf mit rassistischen Kommentaren

Hintergrund sind Kommentare, die ein Nutzer mit dem Namen "Bengt-Christian Fuchs" auf dem Studentenverbindungsforum "Tradition mit Zukunft" (TraMiZu) und ab 2011 unter dem Namen "Fuchs Benedikt" auf Facebook geschrieben hat. Die Forenverläufe konnten von der Gruppe "Autonome Antifa Freiburg" (AAF) ausgewertet werden.

Hinweis: Wer ist die "Autonome Antifa Freiburg"?

Die "Autonome Antifa Freiburg" veröffentlicht seit Jahren umfangreiche und fundierte Recherchen zu Rechtsextremen und Studentenverbindungen. Der Verfassungsschutz Baden-Württemberg erwähnte die Gruppe in der Vergangenheit in Berichten regelmäßig in der Rubrik "Linksextremismus". Im Jahresbericht 2023 wurde die Gruppe nicht erwähnt.

Der betreffende Nutzer spricht in den Kommentaren von "Schwuchteln", das N-Wort fällt, Sinti und Roma werden als "Rotationseuropäer mit Eigentumszuordnungsschwäche" bezeichnet. Und zum Thema "Abschiebung krimineller Ausländer" heißt es: "Meine Idee, die Typen im Überflug mit ner Transall über ihrer Heimat mit nem Fallschirm abwerfen zu lassen, wird von Mitarbeitern in Ausländerbehörden zwar begrüßt, dürfte aber an Voßkuhle und Consorten scheitern... ;-D".

Andreas Voßkuhle war von 2010 bis 2020 Präsident des Bundesverfassungsgerichts, dem obersten deutschen Gericht. Seit 2020 ist er Vorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen - für Demokratie", welcher sich für Demokratie und gegen politischen Extremismus sowie gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzt.

Post

Ein Auszug aus einer der TraMiZu-Facebook-Gruppen.

Gerichts-Mailadresse des Richters mit Profil verknüpft

Aus den geleakten Forenverläufen geht nun hervor, dass das Profil mit der damaligen Dienst-Emailadresse des Richters verknüpft war. 2005 hatte sich der Nutzer mit der Dienstadresse von Richter Fuchs bei TraMiZu registriert. Dazu gibt es über 1.000 Treffer in den Foreneinträgen, die der Adresse und damit auch dem Profil zuzurechnen sind.

Dieser Hinweis passt ins Bild: Andere Forenmitglieder hatten dem MDR zuvor bereits erklärt, wie unwahrscheinlich es sei, dass jemand in Fuchs Namen ein Profil auf der Plattform erstellt haben könnte. "Ich gehe davon aus, dass das der Mensch ist", sagt einer von ihnen anonym. Denn im Forum habe Klarnamenpflicht geherrscht, auch Geburtsdatum, Adresse sowie Beruf seien angegeben und die User in einem Verifizierungsverfahren gecheckt worden.

Die Zeichnung von einem Richter an einem Tisch.

Als Richter in Gera war Bengt Fuchs bis zuletzt für Asylverfahren zuständig. (Nachgestellte Szene)

Gericht bestätigt Mailadresse und verweist auf Disziplinarverfahren

Der mit der Recherche konfrontierte Richter äußerte sich selbst nicht zu den neuen Vorwürfen. Bislang hatte er alles abgestritten und weilt bis Mitte August außer Dienst. Im Gespräch mit der "Taz" hatte er die Vorwürfe zuvor als "Manipulation" bezeichnet.

Gerichtspräsident Michael Obhues teilte nun auf Anfrage mit, Fuchs habe ihm gegenüber keine Erklärung dazu abgegeben, ob er tatsächlich hinter dem Nutzerprofil steht. Das Gericht bestätigte aber, dass die im Forum einzusehende Mailadresse die damalige des Richters gewesen sei. Zur logischen Schlussfolgerung - ob sich Richter Fuchs also tatsächlich selbst eingeloggt hatte - antwortete das Gericht: "Zu dieser Frage liegen uns bislang keine Erkenntnisse vor. Ihr wird ggf. im Rahmen des eingeleiteten Disziplinarverfahrens nachzugehen sein."

Externer Richter führt das Verfahren

Zu Details des Disziplinarverfahrens äußerte sich das Gericht nicht. Nur so viel: "Als Ermittlungsführer/in wurde ein Richter/eine Richterin bestimmt, der/die außerhalb des Gerichtsstandorts Gera tätig ist." Mögliche Konsequenzen nach Abschluss eines Disziplinarverfahrens reichen von einem Verweis bis zur Versetzung oder gar der Entfernung aus dem Dienst.

Wie die Legal Tribune Online (LTO) berichtet hatte, kann ein Präsident des Gerichts, in diesem Fall Michael Obhues, ein Verfahren eröffnen und nach Prüfung einen Verweis ausstellen. Bei härteren Sanktionen müssten aber das übergeordnete Oberverwaltungsgericht oder das Justizministerium tätig werden.

Das Justizzentrum von außen, eine Tordurchfahrt.

Am Verwaltungsgericht Gera schaut man sich nun die Vorwürfe gegen Richter Fuchs genauer an.

Auch Staatsanwaltschaft ermittelt

Auch strafrechtlich wird den Vorwürfen nachgegangen: Die Staatsanwaltschaft Gera hatte vor zwei Wochen eigenen Angaben nach "ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Volksverhetzung eingeleitet". Gegen Unbekannt deswegen, so die Argumentation zum damaligen Zeitpunkt, da noch keine "zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte hinsichtlich der Urheberschaft der Äußerungen vorliegen".

Auf die Frage, ob der neue Hinweis zur Dienst-Mailadresse Auswirkungen auf das Verfahren haben werde, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit: Diese Erkenntnis solle "in die Bewertung mit einbezogen werden".

Ministerin "erschüttert" über Vorwürfe

Solange die Prüfung der Vorwürfe nicht abgeschlossen ist, will sich auch Thüringens Justizministerium nicht final äußern. Ministerin Doreen Denstädt (Grüne) hatte nach Bekanntwerden der ersten Hinweise erklärt, "die Vorwürfe betreffend des außerdienstlichen Verhaltens mit Irritation und Erschütterung zur Kenntnis genommen" zu haben.

Bereits im Winter hatte der MDR berichtet, dass Richter Fuchs auffallend selten Klagen gegen abgelehnte Asylbescheide afrikanischer Asylbewerber stattgibt. Seine Ablehnungsquote lag teils deutlich über den von Richterinnen und Richtern im Bundesschnitt.

MDR (dst)