MDR Redakteurin Regina Lang

Thüringen Kein gutes Omen für die Zukunft

Stand: 26.09.2024 20:04 Uhr

Der Thüringer Landtag tagte am Donnerstag zum ersten Mal nach der Landtagswahl. Zwar kamen alle neuen und wiedergewählten Abgeordneten in den Plenarsaal - doch zu einer Wahl des Landtagspräsidenten kam es nicht. Ein Kommentar von Regina Lang.

Von Regina Lang, MDR THÜRINGEN

In den vergangenen Jahren war die Wahl des Landtagspräsidenten ein formaler Akt. Heute ist alles anders. Schon nach zehn Minuten wird die Landtagssitzung unterbrochen, mehrere weitere Unterbrechungen folgten und das über Stunden.

Vordergründig geht es um Rechtsauslegung. Nämlich darum, welche Geschäftsordnung gilt: Ist der Änderungsantrag zur Geschäftsordnung unverzüglich aufzurufen? Ist die beantragte Änderung verfassungsgemäß? Kann der Alterspräsident die Abgeordneten ignorieren?

Verfassungsrechtler Michael Brenner: "Zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen"

Die heutige Sitzung hat nichts mit 1933 zu tun

Die Abgeordneten berufen sich auf das Selbstorganisationsrecht des Parlaments. Sie wollen die Beschlussfähigkeit feststellen lassen. Alterspräsident und AfD-Mann Treutler wiegelt alles ab, bemüht Traditionen und Gepflogenheiten.

Immer wieder berät der Direktor des Landtags, Jörg Hopfe, die Fraktionen. Er ist als Chef der Verwaltung für die Vorbereitung der Sitzungen zuständig und wirkt in dieser Sitzung wie die Stimme der Vernunft. An seine Empfehlungen hält sich der Alterspräsident nicht. Treutler folgt der Rechtsauffassung der AfD.

Nach zwei Stunden liegen die Nerven blank, der Alterspräsident agiert zunehmend hilflos, sucht nach Worten. Immer wieder unterbricht er, um sich mit dem parlamentarischen Geschäftsführer seiner AfD zu beraten. In der allgemeinen Erregung fällt bei der CDU das Wort "Machtergreifung". Aber das muss man klar sagen: Mit 1933 hat die heutige Sitzung nichts zu tun.

Demos gegen Rechts vor dem Thüringer Landtag

Demokratie lebt von Meinungsverschiedenheiten

Demokratie lebt von Diskussion, von Meinungsverschiedenheiten und von Kompromissen. Und von Regeln, auf die sich alle einigen. Und die muss jetzt das Thüringer Verfassungsgericht überprüfen. So ein Prozess ist manchmal schwer zu ertragen, aber so sind eben Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Was heute passiert ist, ist ein bisher einmaliger Vorgang im deutschen Parlamentarismus. Er beschädigt mutmaßlich weiter das Vertrauen der Bürger in die Politik. Und mal wieder präsentiert sich der Freistaat Thüringen als Bundesland, in dem das Unmögliche möglich ist.

MDR (jn)