Linksliberale Tageszeitung Israels Regierung boykottiert Haaretz
Die israelische Tageszeitung Haaretz ist für ihre regierungskritische Haltung bekannt. Nun dürfen Regierungsbehörden offenbar nicht mehr mit der Zeitung kommunizieren. Auslöser ist ein Kommentar des Verlegers.
Haaretz gehört in Israel zu den größten Tageszeitungen, die auf Hebräisch und Englisch berichten. Sie blickt auf eine lange Tradition bis vor die Staatsgründung Israels zurück. Einst von einer Berliner Familie gesponsert, hält seit 1937 die israelische Familie Schocken die Hauptanteile an dem Medium, das als linksliberal gilt und durch eine regierungskritische Berichterstattung auffällt.
Nun werde sie von der israelischen Regierung für ihre Haltung bestraft - durch einen Boykott, schreibt das Medium. Den Stein ins Rollen gebracht hatte dieser Kommentar von Haaretz-Verleger Amos Schocken auf einer Medien-Konferenz in London:
Die Netanyahu Regierung kümmert es nicht, dass sie der palästinensischen Bevölkerung ein grausames Apartheidregime aufdrückt. Sie vernachlässigt den Preis, den beide Seiten zahlen, dafür, dass die Regierung Siedlungen in den besetzten Gebieten verteidigt, während sie palästinensische Freiheitskämpfer bekämpft, die Israel Terroristen nennt.
Netanyahu soll Entscheidung gebilligt haben
Später korrigierte sich Schocken, mit palästinensischen Freiheitskämpfern habe er nicht die Hamas gemeint, Terror müsse bekämpft werden, so der Verleger. Doch der Bogen im belasteten Verhältnis zwischen Zeitung und Regierung ist überspannt.
Jede offizielle Behörde sei angewiesen worden, keine Anzeigen mehr zu schalten. Auch dürfe keine Behörde mit den Haaretz-Journalisten kommunizieren, schreibt die Zeitung. Beobachter gehen aber nicht davon aus, dass Reportern die Regierungsakkreditierung entzogen wird.
Dennoch ist die Entscheidung des Regierungskabinetts - Regierungschef Benjamin Netanyahu selbst soll sie selbst gebilligt haben - eine noch nie dagewesene Grenzüberschreitung, sagt Nadav Tamir, ehemaliger Diplomat und Berater des Peres Zentrums für Frieden und Innovation in Tel Aviv.
"Die einzige Zeitung, die ihre Integrität bewahrt hat"
"Haaretz und ihr Herausgeber Amos Schocken - wohlgemerkt er ist nicht Redakteur- ist die einzige Zeitung, die in irgendeiner Form ihre Integrität bewahrt hat und sich nicht für einen politischen Zweck einspannen lässt", so Tamir. Er könne sich nicht erinnern, dass Minister sich für einen Boykott anderer israelischer Tageszeitungen wie die Hayom ausgesprochen hätten, weil ihr Verleger sagte, Israel solle keine Demokratie sein.
Offiziell äußert sich die Regierung nicht. Haaretz wirft den Ministern Geheimniskrämerei vor und will das der Fall bekannt wird: Die Abstimmung darüber am vergangenen Wochenende habe nicht auf der Agenda des Kabinetts gestanden, kritisiert die Zeitung. Auch habe die israelische Generalstaatsanwältin nichts davon gewusst. Dies sei ein ungewöhnliches Vorgehen, heißt es weiter.
Haaretz-Journalist Gideon Levy macht deutlich, dass er sich nicht einschüchtern lasse: "Gestern habe ich über einen elfjährigen palästinensischen Jungen geschrieben, der einen Stein auf einen gepanzerten israelischen Jeep geworfen hat. Ihm wurde ins Herz geschossen. Dieser Junge ist in meinen Augen ein Freiheitskämpfer. Nur weil wir mit unserer Ansicht alleine dastehen, heißt es nicht, dass wir mehr oder weniger Recht haben´."
Er habe keinen Einfluss auf das Ansehen Israels in der Welt. Das Ansehen seines Landes werde durch die Bilder aus dem Gazastreifen geprägt, nicht durch seine Berichte, so Levy.
Pressefreiheit in Gefahr?
Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen sorgt sich um die Pressefreiheit in Israel während des Krieges. Der Zusammenschluss aus Journalisten verurteilte in einer Erklärung die Angriffe des israelischen Premiers auf die Medienfreiheit. Israels Kommunikationsminister Shlomo Karhi versuche mitten im Krieg Israels Medienlandschaft umzugestalten. Dazu gehöre auch ein Gesetz, dass es erlaube, ausländische Medien als gefährlich einzustufen.
Auch sei die Regierung dabei, öffentlich-rechtliche Gelder für den staatlichen Sender KAN einzufrieren. Der ultrakonservative Minister befördere lediglich eine regierungsfreundliche Berichterstattung, heißt es weiter. Die Zukunft des staatlichen Fernsehsenders KAN, den die Regierung privatisieren will, soll in Kürze Thema einer weiteren Kabinettssitzung sein. Beobachter warnen, die Privatisierung hätte letztendlich die Schließung des Senders zur Folge.