Hamas-Kämpfer bei der Geiselübergabe in Gaza-Stadt

Terrororganisation Hamas Viel Jubel und viel Inszenierung

Stand: 20.01.2025 17:28 Uhr

Drei israelische Geiseln sind wieder in Freiheit. Bei aller Erleichterung bleibt bei vielen der Eindruck: Die Terrororganisation Hamas versucht sich als Siegerin des Konflikts zu inszenieren

Während in Israel gestern viele Menschen mit den drei freigelassenen Geiseln mitfieberten, war in arabischsprachigen Medien ein Zeichen der Stärke zu sehen: Dutzende schwerbewaffnete Hamas-Terroristen waren bei der Übergabe dabei, mitten in Gaza-Stadt. In sauberen Uniformen, mit wie neu aussehenden Autos.

Nach mehr als 15 Monaten Krieg sieht eine stark geschwächte Terrororganisation anders aus, so die Botschaft. Und dann bekamen die Geiseln noch Entlassungspapiere, die Vertreter des Roten Kreuzes mussten eine Empfangsbestätigung unterschreiben. Das sollte heißen: Auch die Verwaltung im Gazastreifen hat die Hamas noch im Griff.

"Netanjahu und seine 'faschistische' Regierung gestoppt"

Monatelang war nichts von Abu Obeida zu hören gewesen, dem Sprecher der Al Kassam-Brigaden, des bewaffneten Arms der Hamas. Jetzt veröffentlichte er ein Interview mit dem Jerusalemer Felsendom und der Al Aksa-Moschee im Hintergrund und sprach von der Waffenruhe wie von einem Sieg der Hamas. Man habe Netanjahu und seine "faschistische Regierung" gestoppt, die in Gaza Menschen vertreiben und so viel wie möglich zerstören wollten. Vom Terrorüberfall des 7. Oktober sprach er nicht.

In der Nacht, nach stundenlanger Verspätung, gab es dann auch Jubel im besetzten Westjordanland als die ersten palästinensischen Gefangenen freigelassen wurden. In Beitunia waren viele Menschen auf den Straßen, um sie vom Internationalen Roten Kreuz zu empfangen.

Insgesamt kamen 90 Frauen und Minderjährige frei, unter anderem Kalida Jarrar, eine politische Aktivistin, die immer wieder in israelischen Gefängnissen saß, zuletzt in sogenannter Administrativhaft, ohne ein reguläres Gerichtsverfahren.

"Es sind harte Gefühle - wir danken allen für die Freiheit, aber da sind auch das Leid und die vielen Toten. Die Lage im Gefängnis ist schwierig - wir wollen Freiheit für die gefangenen Frauen und Männer", sagte Jarrar.

Hadida Shatara war wegen Aufruf zu Gewalt in Sozialen Medien in einem israelischen Gefängnis. "Barmherzigkeit mit den Märtyrern. Unsere Freiheit ist unvollständig, bis Gaza wieder aufgebaut ist und das Leben dorthin zurückkehrt. Die Menschen von Gaza sind stark und standhaft", so Shatara.

Am kommenden Wochenende soll es wieder ähnliche Szenen geben. Dann sollen wieder Palästinenser freikommen und vier israelische Geiseln. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Hamas dann auch bekannt gibt, wer von den insgesamt 33 Geiseln, die im Laufe der sechs Wochen freikommen sollen, noch am Leben ist.

Israels Truppen beginnen mit Rückzug

In Gaza kommen derweil inzwischen mehr Hilfsgüter an. Israels Truppen haben begonnen, sich aus einigen Gebieten zurückzuziehen. Menschen im Süden berichten jedoch von vereinzelten Schüssen. Während die Zukunft des Gazastreifens Teil der weiteren Verhandlungen ist, nannte Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich im Armeeradio schon mal seine Sicht der Dinge: "Es gibt keinen anderen Weg, wir müssen dort regieren. Ich sage schon lange: Wir müssen den Gazastreifen erobern und eine vorübergehende militärische Regierung errichten. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen."

Es gehe um "minimale humanitäre Anstrengung" wie Essen, Trinken, ein wenig Gesundheit, so Smotrich. "Es gibt keine andere Wahl. Für ein bis zwei Jahre, bis wir Hamas wirklich zerstört haben, die Bevölkerung aufhört sich vor Hamas zu fürchten und versteht, dass die Hamas am Ende ist und für immer verschwunden."

Aber bisher kann davon keine Rede sein. Und ziemlich sicher wird es auch in ein paar Tagen wieder Jubelbilder geben und Zeichen der Stärke - wenn weitere Geiseln gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 20. Januar 2025 um 17:00 Uhr.