Beamte der Bereitschaftspolizei stoßen mit Demonstranten in Istanbul zusammen

Proteste gegen Inhaftierung Mehr als 1.100 Festnahmen in der Türkei

Stand: 24.03.2025 16:51 Uhr

Die Proteste in der Türkei wegen der Inhaftierung des Oppositionspolitikers İmamoğlu dauern an. Mehr als 1.100 Menschen wurden seit Protestbeginn festgenommen. Kanzler Scholz kritisierte die Verhaftung İmamoğlus scharf.

In der Türkei ist es zu zahlreichen Festnahmen im Zuge der Proteste gegen die Inhaftierung von Oppositionspolitiker Ekrem İmamoğlu gekommen. 1.133 Verdächtige wurden bei "illegalen Demonstrationen" zwischen dem 19. März und dem 23. März 2025 festgenommen, wie Innenminister Ali Yerlikaya auf der Plattform X mitteilte. Die Regierung werde nicht zulassen, dass "die Straßen terrorisiert werden".

Insgesamt zehn Journalisten und Fotografen seien am Morgen bei Razzien festgenommen worden, teilte die Anwaltsvereinigung MLSA mit. Die Mediengewerkschaft Disk-Basin-Is bezeichnete dies auf X als eine Reaktion der Regierung auf die andauernden Proteste gegen die Inhaftierung des CHP-Oppositionspolitikers und Istanbuler Oberbürgermeisters. Die Gewerkschaft sprach von einem "Angriff auf die Pressefreiheit und das Recht des Volkes, die Wahrheit zu erfahren".

Erdoğan: "Bewegung der Gewalt"

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kritisierte die andauernden Proteste gegen die Verhaftung İmamoğlus scharf. Die Oppositionspartei CHP habe eine "Bewegung der Gewalt" angestachelt, sagte Erdoğan in einer Rede nach einer Kabinettssitzung in Ankara. Die CHP sei für alle Sachschäden und Verletzungen von Polizisten während der Proteste verantwortlich. Aber die gegenwärtige "Show" werde irgendwann enden, dann würden sich alle für das "Böse" schämen, das sie dem Land angetan hätten, so Erdoğan.

Scholz: "Absolut inakzeptabel"

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Inhaftierung und vorläufige Absetzung İmamoğlus als "absolut inakzeptabel". "Wir beobachten die Entwicklung in der Türkei im Augenblick mit großer Sorge", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Der Vorfall müsse "sehr schnell und sehr transparent" aufgeklärt werden.

Der türkische Botschafter sei zu einem Gespräch im Auswärtigen Amt gewesen, teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Der Regierungssprecher wies darauf hin, dass sich die Bundesregierung in den vergangenen Jahren sehr darum bemüht habe, gute Beziehungen zwischen der EU und der Türkei aufzubauen. "Die jüngsten Entwicklungen sind ein schlechtes Zeichen für die Demokratie in der Türkei, aber auch für die weitere Entwicklung dieser Beziehungen", warnte er.

Er wisse nicht, ob der türkische Außenminister an den Ukraine-Beratungen in Paris am Donnerstag teilnehmen werde. Trotz der "Fehlentwicklungen" in der Türkei sei das Land eine wichtige Regionalmacht und deshalb ein Gesprächspartner, auch beim Thema Ukraine. "Das zeigt die ganze Komplexität der internationalen Beziehungen", fügte er hinzu.

Konkrete Konsequenzen wegen der Inhaftierung wie zum Beispiel den Stopp von Rüstungsexporten in die Türkei hat die Bundesregierung noch nicht ins Auge gefasst. Man wolle zunächst abwarten, wie die türkische Regierung auf die Forderung nach Aufklärung reagiere, sagte Hebestreit. "Dann muss man sich möglicherweise weiteren Fragen stellen."

EU-Kommission: "Demokratische Werte wahren"

Die EU-Kommission forderte die Türkei auf, "die demokratischen Werte zu wahren". "Wir wollen, dass die Türkei in Europa verankert bleibt, aber dies erfordert ein klares Bekenntnis zu demokratischen Normen und Praktiken", sagte Kommissionssprecher Guillaume Mercier vor Journalisten. Die Türkei ist Mitglied des Europarates und EU-Beitrittskandidat.

Erdoğan-Rivale als Istanbuler Oberbürgermeister abgesetzt

İmamoğlu gilt als aussichtsreichster politischer Herausforderer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan und war am Mittwoch wegen Korruptions- und Terrorvorwürfen festgenommen und am Sonntag als Istanbuler Oberbürgermeister abgesetzt worden. İmamoğlu bestreitet alle Vorwürfe und wirft der Regierung vor, ihn als politischen Rivalen kaltstellen zu wollen.

In Istanbul, Ankara, Izmir und anderen Städten waren Menschen Verboten zum Trotz zu Zehntausenden auf die Straße gegangen - teils mit heftigen Auseinandersetzungen zwischen Einsatzkräften und Demonstrierenden. Die Polizei setzte Berichten zufolge am späten Sonntagabend Wasserwerfer und Tränengas ein. 123 Polizeibeamte wurden laut Innenminister bei den landesweiten Demonstrationen verletzt.

"Die Wut ist riesengroß", Markus Rosch, ARD Istanbul, zu den Protesten in der Türkei nach der Festnahme İmamoğlus

tagesschau24, 24.03.2025 18:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 24. März 2025 um 14:00 Uhr.