Emmanuel Macron

Ukraine-Treffen in Paris Ideen, Initiativen - und viele offene Fragen

Stand: 27.03.2025 19:44 Uhr

Frankreich und Großbritannien sind beim Ukraine-Gipfel vorgeprescht. Doch ihre Ideen zur Friedenssicherung in der Ukraine hinterlassen viele Fragen. Bei manchen Ländern stoßen sie auf Ablehnung - so auch in Deutschland.

Von Carolin Dylla , ARD Paris

Fangen wir mit dem an, worüber sich alle einig sind - und was sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron im Nachgang unterstreichen wollten: "Alle Staaten, die hier versammelt waren, sind sich einig, dass die Ukraine unsere Unterstützung weiter braucht und auch bekommen wird", so Scholz. Auch für Macron war es eine zentrale Botschaft des Treffens, dass alle Beteiligten die Ukraine und das ukrainische Volk weiter unterstützen wollen.

Unterstützerländer wollen Ukraine aufrüsten und absichern

Michael Heussen, ARD Paris, tagesschau24, 27.03.2025 22:15 Uhr

Französisch-britischer Führungsanspruch

Scholz und auch Macron teilen die Lesart, dass Russland zum jetzigen Zeitpunkt nicht an einem Frieden interessiert ist. Deshalb müsse die Ukraine weiter militärisch unterstützt werden - was für Emmanuel Macron vor allem bedeutet, die Armee des Landes zu stärken.

Dabei unterstreicht Macron einen französisch-britischen Führungsanspruch. Er und der britische Premierminister Keir Starmer wollten den Generalstabschefs ihrer Armeen das Mandat erteilen, bereits in den kommenden Tagen eine gemeinsame Mission in die Ukraine zu entsenden: "Sie soll in enger Zusammenarbeit mit den ukrainischen Partnern ausarbeiten, welches Format die zukünftige, ukrainische Armee annehmen soll", so Starmer. "Welche Streitkräfte, welche maritimen Kapazitäten, welche Kapazitäten für die Luftwaffe sind nötig, um auf eine mögliche russischen Angriff zu reagieren und Russland von solchen Angriffen abzuschrecken?"

Aus französischer Sicht bleibt eine starke ukrainische Armee weiterhin die wichtigste Sicherheitsgarantie für das Land. 

 

Initiative zur Entsendung von europäischen Truppen

Ein weiteres Element der viel diskutierten Sicherheitsgarantien - und eines, das für Macron extrem wichtig ist - ist das, was er eine force de réassurance nennt. Dabei handelt es sich um  europäische "Rückversicherungstruppen", die in die Ukraine geschickt werden sollen. Wohlgemerkt erst nachdem ein Waffenstillstand vereinbart wurde.

Diese Truppen würden nicht an vorderster Front eingesetzt, hatte Macron betont - und sie seien auch nicht dazu da, einen möglichen Waffenstillstand direkt abzusichern. Sie sollen stattdessen Präsenz zeigen, strategisch wichtige Posten im Hinterland sichern oder auch ukrainische Militärs ausbilden.

"Diese Rückversicherungstruppen sind eine französisch-britische Initiative - und die Ukraine wünscht das. Zudem haben mehrere Staaten ihren Willen bekundet, sich dieser Initiative anzuschließen", betonte Macron. Welche Staaten sich eine Beteiligung vorstellen könnten, sagte der Präsident dagegen nicht.

Die angekündigte, britisch-französische Mission soll demnach auch den Einsatz der Rückversicherungstruppen vorbereiten. Gemeinsam mit den ukrainischen Partner wolle man dabei bestimmen, wie viele Soldaten gebraucht würden und "strategische Orte" in der Ukraine bestimmen, an denen diese stationiert werden könnten.

Michael Strempel, ARD Paris, mit Infos zum Treffen der "Koalition der Willigen"

tagesschau, 27.03.2025 20:00 Uhr

 

Umstrittener Vorschlag - und offene Fragen

Macron ist klar, dass dies einer der umstrittensten Vorschläge ist - und räumte ein, dass darüber keine Einigkeit herrsche. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen, dass er in puncto "Rückversicherungstruppen" noch viele Fragen, aber wenig Antworten sehe. Diese Fragen betreffen laut Selenskyj unter anderem das konkrete Mandat dieser Truppen, seine Einsatzmöglichkeiten und -befugnisse sowie deren genaue Zusammensetzung.

Außerdem lehnen mehrere Länder - darunter Polen, Italien und auch Deutschland - es ab, sich an einer solchen Mission zu beteiligen. "Wir bemühen uns, dass die Ukraine eine starke Armee hat"so Bundeskanzler Olaf Scholz. "Alle anderen Diskussionen müssen geführt werden", so der Kanzler. Vor dem Hintergrund vieler, noch offener Fragen plädierte Scholz aber dafür, sich auf das zu konzentrieren, "was naheliegend ist".

 

Was geht ohne die USA?

Und in noch einem Punkt unterscheidet sich die deutsche Sichtweise von der französischen: nämlich, was die Rolle der USA betrifft. Für Scholz ist klar, dass ohne die amerikanischen Partner, deren politisches Gewicht und militärische Kapazitäten nichts geht. Oder zumindest nicht viel: "Es ist ganz klar, dass alles, was wir für die Zukunft vereinbaren, so sein sollte, dass die USA dabei sind", so Scholz.

Amerikanische Sicherheitsgarantien sind und bleiben aus Sicht des Bundeskanzlers auch in Zukunft zentral - was Frankreichs Präsident entschieden anders sieht. Zwar seien die USA ein "verlässlicher Partner", betonte Macron bei seiner Pressekonferenz nach dem Treffen.

Was deren künftiges Engagement für die Ukraine und auch die europäische Sicherheit betrifft, folgt Macron aber ausdrücklich dem Grundsatz: Espérer le meilleur - et préparer le pire. Übersetzt: Das Beste hoffen - sich aber auf das Schlimmste vorbereiten.

Was denken die Ukrainer über die aktuellen Verhandlungen?

Vassili Golod, ARD Kiew, tagesschau, 27.03.2025 20:00 Uhr