Trauernde in Chan Junis im Gazastreifen
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Krieg im Nahen Osten Erneut Tote im Gazastreifen und Massenproteste in Israel

Stand: 23.03.2025 15:05 Uhr

Im Süden des Gazastreifens sind nach israelischem Beschuss mehrere Menschen getötet worden. Gleichzeitig demonstrieren Zehntausende in Israel erneut gegen die Regierung Netanjahu. Die USA wollen derweil einen weiteren Flugzeugträger entsenden.

Bei den jüngsten israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach Angaben der Palästinenser am Sonntag mindestens 30 Menschen getötet worden. Die Todesopfer wurden aus Rafah und Chan Junis im Süden des Küstenstreifens gemeldet, wie die von der Terrorgruppe Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde mitteilte. Unter den Toten seien mindestens drei städtische Angestellte.

Zuvor hatte die israelische Armee die Einwohner eines südlichen Stadtviertels von Rafah wegen eines dortigen Angriffs zum Verlassen des Gebietes aufgefordert. Die israelische Armee habe in dem Viertel Tal al-Sultan eine Offensive gestartet, um "terroristische Organisation zu treffen", begründete der für die Kommunikation auf Arabisch zuständige Sprecher der israelischen Armee, Avichay Adraee, den Evakuierungsaufruf im Onlinedienst X.

Das Viertel werde "als gefährliche Kampfzone betrachtet", hieß es weiter. Zivilisten sollten dort nicht unterwegs sein, Einwohner des Viertels sollten nordwärts Schutz suchen. Adraees Aufruf stand auch auf Flugblättern, die mit Drohnen in Tal al-Sultan verteilt wurden, wie Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP im Gazastreifen berichteten.

Karte mit Gazastreifen, Rafah und Israel

In Rafah - im Süden des Gazastreifens - startet das israelische Militär eine Offensive.

Israelische Soldaten umzingeln Stadtteil

Wie die Nachrichtenagentur AP berichtete, sind bereits Hunderte Palästinenser vor der neuen Offensive geflohen. Tal al-Sultan sei umzingelt worden, um Stellungen der militant-islamistischen Hamas dort zu zerstören, teilten die israelischen Streitkräfte mit.

Männer, Frauen und Kinder liefen zu Fuß mit ihren Habseligkeiten aus dem bereits schwer verwüsteten Tal al-Sultan in Richtung von Al-Mawasi, wo viele Vertriebene in einem riesigen Zeltlager ausharren. Der Journalist Mustafa Gaber sagte der AP in einem Videotelefonat, gemeinsam mit ihm und seiner Familie seien Hunderte auf der Flucht aus Tal al-Sultan. Ständig seien Panzerfeuer und Drohnenbeschuss zu hören. "Unter uns sind auch verwundete Leute. Die Lage ist sehr schwierig", sagte Gaber.

Mohammed Abu Taha, ein weiterer Bewohner von Tal al-Sultan, der flüchten musste, sagte, viele seien nicht mehr aus der Gegend herausgekommen, weil das israelische Militär in der Nacht überraschend vorgerückt sei. Seine Schwester und deren Familie hätten Schutz in einer Schule in einer anderen Gegend von Rafah gesucht und seien dort von israelischen Soldaten umzingelt, sagte Abu Taha.

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Tote bei israelischem Angriff in Gaza

tagesschau, 23.03.2025 18:25 Uhr

Ranghoher Hamas-Funktionär getötet

In der an Ägypten grenzenden Stadt Rafah hatte die israelische Armee bereits vor einem Jahr eine Großoffensive durchgeführt. Israel hatte am Dienstag seine massiven Luftangriffe auf Hamas-Ziele im Gazastreifen wieder aufgenommen, wo seit dem 19. Januar eine zwischen beiden Seiten vereinbarte Waffenruhe galt. Am Mittwoch gab die israelische Armee zudem den Beginn eines neuen Bodeneinsatzes in dem Palästinensergebiet bekannt. 

Vor Beginn der Angriffe hatte Israel Anfang März bereits Hilfstransporte in den Gazastreifen gestoppt und die Lieferung von Strom an die größte Wasserentsalzungsanlage des Palästinensergebiets eingestellt. Dadurch hatte sich die ohnehin dramatische Versorgungslage für die 2,4 Millionen Menschen im Gazastreifen weiter verschlechtert.

Israel will mit der Einstellung der Lieferungen und dem militärischen Vorgehen nach eigenen Angaben den Druck auf die Hamas erhöhen. Der ranghohe Funktionär Salah al-Bardawil und seine Ehefrau wurden nach Hamas-Angaben bei einem der jüngsten israelischen Luftangriffe im südlichen Gazastreifen getötet.

Massenproteste in Israel

Währenddessen gehen in Israel die Massenproteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiter. Landesweit demonstrierten am Samstag mehr als 100.000 Menschen unter anderem für die Freilassung der restlichen in der Gewalt islamistischer Terroristen befindlichen Geiseln.

Teilnehmer warfen demnach der Regierung vor, mit dem Wiederaufflammen der Kämpfe in Gaza die Befreiung der Geiseln zu gefährden. Die Wut richtet sich zudem gegen die beschlossene Entlassung des Inlandsgeheimdienstchefs Ronen Bar, die das Oberste Gericht jedoch vorerst aussetzte. Oppositionsführer Jair Lapid drohte mit einem landesweiten Generalstreik, sollte Netanjahu trotz der Gerichtsentscheidung auf die Entlassung Bars beharren.

Doch die Regierung strebt bereits die nächste Umbesetzung eines hohen Postens an. Die ihr zugehörigen Minister stimmten einstimmig dafür, die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zu entlassen. Als Grund wurde - ebenso wie für die geplante Entlassung Bars - mangelndes Vertrauen angeführt.

Baharav-Miara hatte wiederholt Entscheidungen der Regierung kritisiert, die aus ihrer Sicht unrechtmäßig waren. Auch das gegen sie gerichtete Vorgehen prangerte sie in einem Schreiben an. "Die Regierung will über dem Recht stehen, wir werden uns nicht abschrecken lassen", mahnte sie. Nach der Zustimmung durch die Minister soll sich nun ein Sonderkomitee mit Baharav-Miaras Entlassung befassen. Noch während die Minister berieten, gingen in Jerusalem Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die geplante Umbesetzung des Postens zu protestieren.

Demonstranten mit israelischen Flaggen in Jerusalem

Bei landesweiten Protesten gegen die Regierung Netanjahu sind in Israel, hier in Jerusalem, mehr als 100.000 Menschen auf die Straße gegangen.

Beschuss Israels aus dem Libanon und Jemen

Der Norden Israels wurde am Samstag erstmals seit Inkrafttreten der Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah am 27. November wieder mit Raketen aus dem Libanon beschossen. Israels Luftwaffe bombardierte daraufhin nach eigenen Angaben Dutzende Stellungen der Hisbollah-Miliz. Letztere bestritt jedoch, für die Raketenangriffe verantwortlich zu sein.

Am frühen Sonntagmorgen heulten zudem in mehreren Gebieten Israels erneut die Warnsirenen. Eine aus dem Jemen abgefeuerte Rakete sei noch vor dem Eindringen in israelisches Gebiet abgewehrt worden, teilte das Militär mit. Im Stadtzentrum der Küstenmetropole Tel Aviv waren dumpfe Explosionen zu hören. Es gab keine Berichte über Verletzte oder Schäden. 

Bericht: USA entsenden weiteren Flugzeugträger

Nach Informationen des Wall Street Journal haben die USA einen weiteren Flugzeugträger in den Nahen Osten geschickt. Die "Carl Vinson" werde von ihrer derzeitigen Position im asiatisch-pazifischen Raum in den Nahen Osten verlegt, wo sich bereits der Flugzeugträger "Harry S. Truman" befindet, zitierte die US-Zeitung einen Beamten des Pentagon in Washington.

Geplant sei, dass beide Flugzeugträgergruppen mindestens einige Wochen lang zusammen in der Region im Einsatz sein werden, erklärte der Beamte weiter. Damit verstärken die USA ihre Feuerkraft gegen die Huthi im Jemen. Vor einer Woche hatte das US-Militär auf Befehl von Präsident Donald Trump mit einer Reihe von Luftangriffen gegen die mit dem Iran verbündete Miliz begonnen. Laut Trump solle die Miliz "vollständig vernichtet" werden. Trump sagte auch, die USA würden den Iran für alle Angriffe der Huthi verantwortlich machen und drohte der Islamischen Republik mit nicht näher bezeichneten Konsequenzen.

Player: audioInnenpolitischer Streit in Israel spitzt sich zu - Lage in Gaza verschärft sich
Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, tagesschau, 23.03.2025 19:46 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 23. März 2025 um 08:03 Uhr.