Untersuchungen in Litauen Bonos Firma im Visier
U2-Frontmann Bono hält ein Netz aus Briefkastenfirmen auf Malta und Guernsey. Die Spur führt bis zu einem Einkaufszentrum in Litauen. Dort leitete nun die Steuerbehörde eine Untersuchung ein.
Als Bono am Sommerabend im Jahr 2007 in Rostock noch einmal auf die Bühne stürmt, ist er in seinem Element. Der Frontmann von U2 singt vor 70.000 jubelnden Zuschauern. Das Konzert steht unter dem Motto "Deine Stimme gegen Armut". Keine 20 Kilometer von der Bühne entfernt findet der G8-Gipfel am Strand von Heiligendamm statt. Dort treffen sich die Staatschefs der führenden Industrienationen, der Reichen dieser Welt.
"Keep your promise", singt Bono seine Botschaft im Kampf gegen Armut von der Bühne in Rostock. Bono steht auf der richtigen Seite, auf der guten Seite. So liebt der Sänger es, und seine Fans lieben ihn dafür.
In Rostock sang Bono (r.) 2007 mit anderen Musikern gegen den G8-Gipfel.
Das Jahr 2007 war auch für den Geschäftsmann Bono ein wichtiges Jahr. Damals investierte er in eine Firma auf Malta. Das zeigen Unterlagen der "Paradise Papers", die der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt wurden und auch von NDR und WDR ausgewertet wurden. Sie war Ausgangspunkt für ein verzweigtes Firmengeflecht. Von Malta reicht es bis in die entlegene litauische Provinz. Hier investierte Bonos Malta-Firma in eine litauische Gesellschaft und diese wiederum in ein Einkaufszentrum.
Litauische Behörden ermitteln nach "Paradise Papers" gegen Bono
Die litauische Steuerbehörde VMI habe nach der Anfrage des ICIJ Untersuchungen gegen die litauische Firma eingeleitet, teilte eine Sprecherin der Behörde auf NDR-Anfrage mit. Sie wies darauf hin, dass die Behörde ihre Untersuchung basierend auf einer Risikoanalyse für Steuervergehen aufnehme. "Steuerzahler, die Offshore-Geschäfte machen, werden grundsätzlich mit einem höheren Risiko bewertet", teilte sie mit. Der Vorwurf: Die Gewinne des Einkaufszentrums sollen falsch verbucht, Steuern dadurch nicht gezahlt worden sein.
Bono, der mit bürgerlichem Namen Paul David Hewson heißt, zählt zu den reichsten Musikern der Welt. Dass er sein Millionenvermögen in einem komplizierten Firmennetzwerk verwaltet, ist seit Jahren bekannt. Bereits 2006 sorgte er für Aufsehen, als er mit seiner Band den Steuersitz in die Niederlande verlegte. Die Heimat von U2, Irland, hatte damals Steuerprivilegien für Künstler abgeschafft. Ein Jahr zuvor hatte Bono in einem Interview gesagt: "Wir sitzen nicht den ganzen Tag herum und denken über den Weltfrieden nach." Der Rocker ist auch knallharter Geschäftsmann.
Im litauischen Utena steht das Einkaufszentrum.
Bono investierte 2007 in Litauer Firma
Die Firma auf Malta, in die Bono im Jahr 2007 investierte, hieß "Nude Estates Malta Limited". Er übernahm damals ein Drittel der Anteile. Die Firma gründete in Litauen eine Tochterfirma, die "Nude Estates 2". Die wiederum kaufte im selben Jahr ein neu errichtetes Einkaufszentrum in der litauischen Kleinstadt Utena.
Hier, in einer Seenlandschaft zwischen Hügeln und Kieferwäldern, leben rund 26.000 Einwohner, bis zur weißrussischen Grenze sind es noch 80 Kilometer. Im Stadtzentrum gegenüber einem grauen Wohnblock steht die Shopping-Mall, auf einem roten Schild prangt ihr Name "Aušra", übersetzt "Morgenröte".
Auf 3700 Quadratmetern und zwei Stockwerken kann man drinnen Schuhe oder Reisekoffer kaufen, an der Kaffeebar einen Espresso trinken. Es ist ein gewöhnliches Einkaufszentrum für eine Kleinstadt. Für das Gebäude und das Grundstück zahlte Bonos Firma rund 5,8 Millionen Euro.
Abwertung des Vermögens
In den ersten Jahren nach Eröffnung machte das Einkaufszentrum in Utena Verluste. Hinzu kommt: Auch in Litauen schlug die Immobilienkrise ein. Im Jahr 2010 traf "Nude Estates 2" eine gewichtige Entscheidung: Es wertete seine Vermögensgegenstände auf dem Papier um mehr als drei Millionen Euro ab. Das wertvollste im Portfolio ist die Shopping-Mall in Utena. Nach Ansicht von Steuerexperten ein völlig legaler Schritt.
Bonos Firma verbuchte den Wertverlust offenbar wie einen tatsächlichen Abfluss von Vermögen. Dadurch wurden die Gewinne aufgezehrt - eine Steuer zahlte die Gesellschaft jahrelang nicht. Dies bestätigte die Steuerbehörde auf Anfrage.
Die litauische Steuerexpertin Rūta Bilkštytė hat sich den Vorgang und die Dokumente angesehen und kommt zu dem Ergebnis: "Aus meiner Sicht, ist das kein Versehen, keine Steuerplanung oder Steuervermeidung, sondern ein grober Verstoß gegen das Steuergesetz."
Lukas Mindaugas, Steuerrechtler an der Universität in der litauischen Hauptstadt Vilnius, ist vorsichtiger. Er möchte den Fall nicht konkret kommentieren, sondern nur theoretisch bewerten. Auch er meint, dass es sich in einem solchen Fall um einen Steuerverstoß handeln könnte. Die Steuerbehörde könne als Konsequenz die fehlenden Steuerzahlungen einfordern. Es geht nach Schätzungen von Steuerexperten in der Summe um einige Zehntausend Euro.
In Litauen ermitteln die Behörden nun gegen den Sänger.
Bonos Management weist Vorwurf zurück
Bonos Management bestätigte auf Anfrage die Beteiligung an den fraglichen Firmen. Die Informationen über angebliche Steuerverstöße seien aber "kategorisch falsch". Der Geschäftsführer der "Nude Estates 2", Sigitas Jautakes, sagte einem litauischen ICIJ-Journalisten, er gehe davon aus, dass sein Unternehmen sich völlig legal verhalten habe. "Falls die Steuerbehörde zu einem anderen Ergebnis kommen sollte, dann werden wir uns danach richten." Dass er das Unternehmen für den berühmten U2-Sänger führt, davon will er nichts gewusst haben.
Shopping-Center wechselt für 100 Pfund den Eigentümer
2012 bekam Bonos Firma ein neues Mutterunternehmen - das ist auf der britischen Kanalinsel Guernsey registriert. Der Name: "Nude Estates I". Für gerade mal 100 Britische Pfund, umgerechnet etwa 112 Euro, wechselte das Shoppingcenter damals die Eigentümer - und blieb doch in den gleichen Händen. Denn auch die "Nude Estates I" wurde 2007 gegründet; auch an ihr hält Bono Anteile. Sein Managment bestätigt auf Anfrage des ICIJ, er sei bis heute an der Firma beteiligt, als "ein passiver Minderheitsanleger".
Was man sich darunter vorstellen kann, zeigt eine andere Spur, die von einer weiteren Guernsey-Firma Bonos direkt in das Stadtzentrum von Duisburg führt. Auch bei der "Nude Estates Limited" ist Bono laut Management "passiver Minderheitsanleger". Registerauszüge zeigen, dass Bono dort ein Drittel der Anteile hält. Seine Firma kaufte - im Jahr 2007 - das "Silberpalais" in Duisburg, einen zehnstöckigen Bürokomplex, 40.000 Quadratmeter Mietfläche. Der Kaufpreis lag laut Medienberichten bei 45 Millionen Euro. Bonos "passiver Minderheitsanteil" allein an diesem Geschäft dürfte rund 15 Millionen Euro betragen haben. Eine Anfrage dazu ließ Bonos Management unbeantwortet.