US-Wahl 2024
Washington Post im US-Wahlkampf Abo-Kündigungen nach Verzicht auf Wahlempfehlung
Die Washington Post spricht zur US-Wahl erstmals seit Jahrzehnten keine Wahlempfehlung aus. Kündigungen von Redakteuren und Abonnenten sind die Folge. Viele vermuten, dass Zeitungseigentümer Bezos vor Trump eingeknickt ist.
Anders als in Deutschland ist es in den USA üblich, dass große Zeitungen eine Empfehlung für die Präsidentschaftswahl aussprechen. Das galt jahrzehntelang auch für die liberale Washington Post. Immer unterstützte sie die demokratische Kandidatin oder den demokratischen Kandidaten. Diesmal aber nicht - keine Empfehlung für Kamala Harris.
Das sei ein "Musterbeispiel für Feigheit, ein klassischer Fall von den Schwanz einziehen", sagte Howard Kurtz, Medienexperte des rechten Senders Fox News und früher selbst Redakteur bei der Washington Post. Er meint damit Milliardär Jeff Bezos, nicht nur Amazon-Gründer, sondern auch Eigentümer der Washington Post. Denn er ist es, der die Anweisung gab: diesmal kein endorsement, keine Wahlempfehlung.
Will sich Bezos bei Trump beliebt machen?
Und dabei hatte die Kommentar-Redaktion der Post, das editorial board, die Unterstützung für Harris schon formuliert. Als es dann hieß, keine Veröffentlichung, kündigten mehrere Mitglieder des editorial boards aus Protest.
Einer von ihnen ist Robert Kagan. Er erklärte auf CNN, die Meinungsredaktion von einer Wahlempfehlung abzuhalten, sei offensichtlich ein Versuch von Jeff Bezos, sich bei Donald Trump für den Fall dessen Wahlsieges beliebt zu machen. Trump habe ja auch schon damit gedroht, Bezos geschäftlich zu schaden, so Kagan. Bezos gehört auch die Weltraumfirma Blue Origin. Und die ist auf Staatsaufträge angewiesen.
200.000 Leserinnen und Leser kündigen Abos
Der Herausgeber der Washington Post, William Lewis, hatte angekündigt, die Zeitung werde auch bei künftigen Präsidentschaftswahlen niemanden mehr unterstützen. "Wir kehren zu unseren Wurzeln zurück", so Lewis.
Aber viele stören sich am Zeitpunkt der Entscheidung. So auch der ehemalige Chefredakteur der Washington Post, Marty Baron. Er sagte auf CNN: Wenn so eine Entscheidung vor ein paar Jahren oder vielleicht vor einem Jahr getroffen worden wäre - und nicht erst kurz vor der Wahl, wo es so aussieht, als ob Donald Trump vielleicht gewinnt - dann wäre das etwas anderes. "Aber so eine Grundsatzentscheidung nur elf Tage vor der Wahl, das ist einfach höchst verdächtig", so Baron.
Und das sehen offensichtlich viele so. Seit Freitag sollen bereits 200.000 Leserinnen und Leser ihre digitalen Washington-Post-Abos gekündigt haben. Und die Zahl nehme weiter zu, berichtet der Sender NPR unter Berufung auf zwei anonyme Quellen. 200.000 gekündigte Abos entsprechen demnach etwa acht Prozent der bezahlten Auflage der Zeitung.
Bezos: Glaubwürdigkeit der Redaktion soll gestärkt werden
Offenbar ist der Druck so groß geworden, dass sich Jeff Bezos jetzt selbst zu Wort gemeldet hat. Die Änderung sei vorgenommen worden, um die Glaubwürdigkeit der Redaktion zu stärken, und nicht, um seine eigenen persönlichen Interessen zu schützen, schreibt Bezos in einem Online-Essay der Washington Post. Präsidentenempfehlungen erzeugten den Eindruck von Nicht-Unabhängigkeit. Sie zu beenden sei eine prinzipielle Entscheidung, und es sei die richtige, so Bezos.
Er räumte aber ein, dass die Entscheidung so kurz vor der Wahl eine schlechte Planung gewesen sei. Ob das die Kritiker überzeugt? Das ist fraglich. Für Fox News Kommentatorin Kayleigh McEnany ist die Entscheidung vor allem eins: ein Affront gegen Kamala Harris.
Auch Los Angeles Times verzichtet auf Wahlempfehlung
Und nicht nur die Washington Post hat ihre Leserinnen und Leser und die Belegschaft mit der Nicht-Wahlempfehlung überrascht, auch eine andere traditionsreiche Zeitung: die Los Angeles Times. Auch sie verzichtete wenige Tage vor der Washington Post auf die erwartete offizielle Unterstützung für Kamala Harris.
Die Tochter von Besitzer, Biotech-Milliardär und Eigentümer der Los Angeles Times, Patrick Soon-Shiong, erklärte, der Grund sei die zu Israel-freundliche Politik von Kamala Harris. Das wies ihr Vater als Grund aber zurück. Auch bei der Los Angeles Times führte die Entscheidung des Besitzers zu Abo-Kündigungen und Kündigungen von Mitarbeitern.