Mythen zum Thema Sonnenschutz Wie gut schützt Sonnencreme vor Hautkrebs?
Immer wieder heißt es, Sonnencreme würde nicht vor Hautkrebs schützen. Einige behaupten sogar, sie würde Hautkrebs fördern. Doch das ist falsch. Allerdings ist Sonnencreme allein nicht ausreichend.
"Sonnenschutzmittel sind einer der größten Schwindel aller Zeiten!" - Mit diesen Worten wird in den sozialen Netzwerken ein Video geteilt, das eine beliebte Verschwörungserzählung beinhaltet. Denn vor allem in esoterischen und verschwörungsideologischen Kreisen wird der Nutzen von Sonnencreme seit Jahren angezweifelt. So wird unter anderem behauptet, Sonnenschutzmittel würden Hautkrebs verursachen - und nicht die UV-Strahlung der Sonne.
Einige gehen sogar soweit, dass das alles ein abgekartetes Spiel von Hautärzten sei: Angeblich schädliche Sonnencreme zu empfehlen, um dann von den gestiegenen Hautkrebsfällen zu profitieren. Das ist aus mehreren Gründen falsch.
"Die Sonnenschutzmittel, die in Deutschland auf den Markt kommen, werden vorab getestet", sagt Claus Garbe, Dermatologe und Seniorprofessor an der Universität Tübingen. "Das heißt, alles, was in den Sonnencremes verwendet wird, ist getestet und hinsichtlich der Krebsgefahr als unbedenklich eingestuft worden."
Diskussion um UV-Filter
Zwar zeigte in der Vergangenheit zum Beispiel eine Studie, dass bei älterer Sonnencreme mit dem Sonnenschutzfilter Octocrylen das Molekül Benzophenon entsteht, was als vermutlich krebserregend gilt. Allerdings gibt es zum einen auch Sonnencremes, die ohne Octocrylen auskommen. Zudem wurden die EU-Richtlinien diesbezüglich verschärft. "Dem eher hypothetischen Risiko von Benzophenon steht ein echtes und durch Studien belegtes Risiko gegenüber, durch zu viel UV-Strahlung an Hautkrebs zu erkranken", heißt es dazu von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft.
Auch die in einigen Sonnenschutzmitteln für Kinder gefundenen Weichmacher sind nach Angaben von Verbraucherschützern kein Anlass für Panik, da die gefundenen Konzentrationen gering waren und der Schutz vor UV-Strahlung Priorität habe.
Im Netz gibt es aufgrund des Misstrauens gegenüber industriellen Sonnenschutzmitteln zahlreiche Rezepte, um selbst Sonnencreme herzustellen. Davon rät Garbe allerdings ab. Bei einer Untersuchung von 15 solcher Rezepturen stellten Forscher fest: "Die Rezepte, die wir im Internet gesammelt haben, sind sehr gefährlich, da einige von ihnen keinerlei Lichtschutzwirkung haben und die meisten von ihnen keinen ausreichenden Lichtschutz für die Personen, die sie verwenden, gewährleisten." Drei der Rezepte enthielten danach gar keinen Sonnenschutz, die restlichen hatten lediglich einen Lichtschutzfaktor von unter sechs.
Deutlich mehr Hautkrebsfälle
Dass die Zahl der Hautkrebsfälle stark zugenommen hat, stimmt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts (Destatis) wurden im Jahr 2022 109.400 Menschen in Deutschland wegen Hautkrebs stationär behandelt - das sind gut 75 Prozent mehr als noch 2002, die Bevölkerung wuchs im selben Zeitraum nur um zwei Prozent. Vor allem der sogenannte helle Hautkrebs wird immer häufiger diagnostiziert - die Behandlungsfälle haben sich mehr als verdoppelt. Beim dunklen Hautkrebs stiegen die stationären Behandlungen von 2002 bis 2022 um 14 Prozent.
Auch die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Hautkrebs stiegen im selben Zeitraum um etwa 65 Prozent auf 4.400. Vor allem ältere Menschen sind betroffen: Mehr als die Hälfte der 2022 an Hautkrebs Verstorbenen war 80 Jahre und älter. Relativ gesehen ist das Risiko, an Hautkrebs zu versterben, jedoch in der Altersgruppe der 40- bis 44-Jährigen am höchsten: Hier war Hautkrebs laut Destatis in 0,8 Prozent der Todesfälle die Todesursache, während der Anteil über alle Altersgruppen hinweg bei nur 0,4 Prozent lag.
"Sonnenbaden Grund für den Anstieg"
Auch in vielen anderen Ländern ist solch ein Anstieg zu beobachten, sagt Garbe. Und das habe vor allem einen Grund: Die Menschen setzten sich heutzutage viel öfter der Sonne und damit der UV-Strahlung aus als früher. "Praktisch bis zum Zweiten Weltkrieg gab es keine Sommerurlaube. Und eigentlich hat sich in der Sonne mehr oder minder nur die Landbevölkerung exponiert." Diese habe sich damals jedoch gut geschützt beispielsweise mit langarmiger Kleidung und Sonnenhüten.
"Zudem galt zu der Zeit Bräunung nicht als ein Urlaubsideal", so Garbe. Das habe sich erst ab den 1950er-Jahren von den USA aus verbreitet. In einigen Ländern wie Dänemark, den USA oder Neuseeland gibt es Krebsregister, die bis in diese Zeit zurückgehen. Aus diesen geht hervor, dass es damals deutlich weniger Hautkrebsfälle gab als heutzutage. In Dänemark haben sich die neuen Melanom-Fälle pro 100.000 Einwohner und Jahr um das 40-fache erhöht. "Aus Studien wissen wir, dass 95 Prozent dieses Anstiegs auf UV-Strahlung zurückzuführen sind", sagt Garbe.
Sonnencreme wirkt nur begrenzt
Sonnenschutzmittel helfen bei exzessiven Sonnenbaden nur sehr begrenzt, sagt Garbe. Zwar zeigen Studien, dass das Auftragen von Sonnenschutzmitteln die Entwicklung von Hautkrebs reduziert. Allerdings gilt das nicht fürs Sonnenbaden. Denn Sonnencreme ist weniger effektiv als zum Beispiel Kleidung. Zudem gibt es zwei Faktoren, die den Schutz von Sonnencreme verringern können.
Zum einen wird der Lichtschutzfaktor anhand einer Dosis von zwei Milligramm Sonnencreme pro Quadratzentimeter ermittelt. Erwachsene brauchen danach etwa 35 Gramm Sonnencreme, um den vollen Schutz zu haben. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die meisten Menschen gerade mal ein Viertel dieser Menge auftragen. "Dadurch sinkt der Lichtschutzfaktor drastisch", sagt Garbe. Bei einer Sonnencreme mit dem Lichtschutzfaktor 50 entspräche das dann nur noch einem Lichtschutzfaktor von fünf.
Des Weiteren zeigten Studien, dass sich Menschen durch den Gebrauch von Sonnencreme in falscher Sicherheit wiegen. "Viele denken, dass sie sich durch das Eincremen gefahrlos in die Sonne legen können", sagt Garbe. "Das ist sozusagen das größte Missverständnis, das wir haben. Denn für krebserregende Mutationen durch UV-Strahlung benötigt es nur sehr niedrige Dosen." Nicht erst bei einem Sonnenbrand sei diese Schwelle erreicht, sondern schon deutlich eher.
Drei Säulen des UV-Schutzes
Sonnenschutzmittel sind daher Experten zufolge nur die dritte Säule des UV-Schutzes. So wird zusätzlich empfohlen, die Sonne im Sommer zwei Stunden vor und nach der Mittagszeit ganz zu meiden, da zu der Zeit die UV-Intensität am höchsten ist. Der sogenannte UV-Index beschreibt den am Boden erwarteten Tagesspitzenwert der sonnenbrandwirksamen UV-Strahlung. Wie hoch der UV-Index ist, lässt sich unter anderem auf der Seite des Bundesamts für Strahlenschutz nachvollziehen. Unterschieden wird zwischen niedrig (UV-Index 1-2), mittel (UV-Index 3-5), hoch (6-7), sehr hoch (8-10) und extrem (11+).
Als zweite Säule des Schutzes vor UV-Strahlung gilt Kleidung. Denn Studien zeigen, dass Kleidung noch effektiver ist als Sonnenschutzmittel. Der Schutz variiert dabei unter anderem je nach Fasertyp, Farbe und Webdichte.
"Es gibt keine gesunde Bräunung"
Dass Sonnencreme die Vitamin-D-Aufnahme verhindert, ist nach Ansicht von Garbe ein Mythos. Denn gerade im Sommer treffe ausreichend indirekte UVB-Strahlung den Körper, welche für die Bildung von Vitamin D ausschlaggebend ist. Längere Bestrahlungen führen laut Studien nicht zu einem Mehr an Vitamin D.
Auch Solarien sind mit Blick auf den Vitamin-D-Haushalt wenig förderlich, da sie hauptsächlich UVA-Strahlung abgeben. Das Hautkrebsrisiko durch Solarien wird jedoch erhöht, weshalb sie von der Internationalen Agentur für Krebsforschung in die höchste Risikogruppe eingestuft worden sind.
"Es gibt keine gesunde Bräunung", sagt Garbe. Denn jede Bräunung bedeute, dass Mutationen stattgefunden hätten. "Es muss mehr Präventionsarbeit geben, damit den Menschen bewusst wird, wie gefährlich Sonnenbaden für die Gesundheit ist."
Denn die Folgen vom Sonnenbaden würden oft erst Jahre später zum Vorschein kommen, da Hautkrebs vor allem im zunehmenden Alter auftrete. Besonders Sonnenbrände im jungen Alter erhöhten jedoch das Hautkrebsrisiko. Momentan wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Hautkrebsfälle in Deutschland weiter stark steigen werden.