Ein Schild mit dem Bundesadler und dem Schriftzug "Bundesverfassungsgericht".

Verfassungsgericht zu Maja T. Blitzauslieferung nach Ungarn war rechtswidrig

Stand: 06.02.2025 15:24 Uhr

Maja T. soll Rechtsextremisten in Budapest angegriffen haben und wurde nach Ungarn ausgeliefert - rechtswidrig, entschied das Bundesverfassungsgericht. Ob die non-binäre Person nach Deutschland zurückgeholt werden kann, ist offen.

Von Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion

Es war mitten in einer Nacht im Sommer 2024, als Maja T. nach Ungarn ausgeliefert wurde. Rechtsanwalt Nikolaos Gazeas, Experte für Auslieferungsverfahren, zeigt sich schockiert: "Der Skandal ist, dass in einer solchen Nacht- und Nebelaktion, die ich so ehrlich gesagt noch nie erlebt habe, eine Auslieferung durchgeführt wurde - und ich mache sehr viele Auslieferungssachen und bin mit der Materie seit über 20 Jahren vertraut."

Maja T. - eine non-binäre Person - soll 2023 gemeinsam mit anderen Linksextremen gewaltsame Angriffe gegen rechtsextreme Demonstranten in Budapest verübt haben. Deshalb verlangte Ungarn Maja T.s Auslieferung. Das Kammergericht Berlin stimmte der Auslieferung am 27. Juni 2024 zu.

Blitzauslieferung durch deutsche Behörden

Allerdings kündigten T.s Anwälte noch in der Nacht nach der Entscheidung des Kammergerichts der Polizei gegenüber an, dass sie die Entscheidung nicht akzeptieren und dagegen Beschwerde einlegen werden. Das taten sie dann auch am nächsten Morgen, am 28. Juni 2024 - mit einem Eilantrag in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht.

Doch als Karlsruhe am selben Morgen, nur wenige Stunden später, entschied, dass Maja T. vorerst nicht ausgeliefert werden darf, hatte die Berliner Justiz schon vollendete Tatsachen geschaffen und Maja T. nach Ungarn ausgeliefert.

Das Vorgehen der Behörden ist brisant: Noch in der Nacht nach der Entscheidung des Kammergerichts war Maja T. aus der Zelle in der JVA Dresden geholt worden. Dann ging es per Hubschrauber an die österreichische Grenze - und von dort dann weiter nach Ungarn.

Die Ankündigung der Anwälte, gegen die Auslieferung klagen zu wollen, hatte keine Wirkung. Die Berliner Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz stellt den Vorgang so dar, dass die Ankündigung zu klagen, von der Polizei nicht an sie weitergegeben worden sei. Die Justizbehörden begründen ihr Blitzvorgehen auch damit, dass sie möglichen Ausschreitungen von Sympathisanten zuvorkommen wollten.

Berliner Gericht hat Haftbedingungen in Ungarn nicht genug geprüft

Heute stellt das Bundesverfassungsgericht in seiner Hauptsacheentscheidung klar: Die Entscheidung, Maja T. auszuliefern, war grundsätzlich rechtswidrig. Denn das Kammergericht Berlin habe die Haftbedingungen in Ungarn nicht gründlich genug geprüft. In ungarischen Gefängnissen gebe es systematische Mängel, wie Gewalt und Überbelegung.

Mängel, von denen auch Maja T.s Anwalt Maik Elster berichtet. T. beschreibe ihm gegenüber die Haftbedingungen als "sehr entmenschlichend". Denn: "Die hygienischen Bedingungen in der Haftzelle müssen tatsächlich entwürdigend sein. Insbesondere der Bettwanzen- und Kakerlakenbefall müssen äußerst schwer zu ertragen sein", so Rechtsanwalt Elster.

Diskriminierung kann nicht ausgeschlossen werden

Außerdem könne nicht ausgeschlossen werden, dass Maja T. als non-binäre Person diskriminiert wird, so das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung. Das Kammergericht Berlin hätte sich nicht einfach so mit den Zusicherungen der ungarischen Justiz zufriedengeben dürfen. Denn diese seien zu allgemein und vor allem rechtlich nicht verbindlich. Insgesamt habe das Vorgehen der Berliner Justiz Rechte aus der Europäischen Grundrechtecharta verletzt, so die Karlsruher Richterinnen und Richter.

Die Entscheidung holt Maja T. jedoch nicht zurück nach Deutschland: Am 21. Februar beginnt der Prozess in Ungarn. Wie lange er dauert, ist noch ungewiss. Zwischen den einzelnen Verhandlungstagen können teilweise mehrere Monate liegen, so Rechtsanwalt Elster. Er erwartet jetzt von der Bundesregierung, dass sie alle möglichen diplomatischen Mittel ausschöpft, um T. aus Ungarn nach Deutschland zurückzuholen.

Signalwirkung für andere aus der Gruppe

Mittlerweile haben sich sieben andere Mitglieder aus der Gruppe von Maja T., denen die Angriffe auf Rechtsradikale in Budapest vorgeworfen wird, den deutschen Behörden gestellt. Auch sie befürchten ihre Auslieferung nach Ungarn. Für sie könnte die jetzige Entscheidung aus Karlsruhe durchaus Signalwirkung haben. Denn das Bundesverfassungsgericht setzt die Hürden für eine Auslieferung nach Ungarn sehr hoch.

Deutsche Gerichte müssten sich sehr intensiv damit auseinandersetzen, welche Gefahren in ungarischer Haft drohen − was Menschenrechtsorganisationen seit langem anprangern: Überfüllte Gefängnisse, schlechte Ernährung, Gewalt gegen Häftlinge und vor allem auch Diskriminierung von queeren Menschen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 06. Februar 2025 um 14:05 Uhr.