Bundestagswahl 2025
Reichinnek und van Aken Ein Duo gegen den Bedeutungsverlust der Linken
Heidi Reichinnek und Jan van Aken stehen für die Linkspartei als Spitzenduo im Wahlkampf. Beide sind laut und scheinen bisher gut anzukommen - auf ganz unterschiedliche Weise. Für die Partei geht es um alles.
Eigentlich redet Heidi Reichinnek immer zu schnell. In wahnwitzigem Tempo haut sie Argumente für ihre Politik raus. Trotzdem schafft sie es, dass ihre Argumente inhaltlich klar formuliert wirken. Das gelingt gerade nur wenigen Politikern, erst recht nicht in der von vielen bereits abgeschriebenen Linkspartei.
36 Jahre alt ist Reichinnek und aktuell die linke Politikerin, die sich am besten in Szene setzen kann. Sie versteht die Spielregeln von Social Media und kann Komplexes gut verständlich machen.
In kürzester Zeit hat sie in der Linken ein paar wichtige Karriereschritte gemacht. 2015 in die Partei eingetreten, 2017 Landessprecherin der Linksjugend Niedersachsen, 2021 Einzug in den Bundestag, 2024 Vorsitzende der Linken im Bundestag und 2025 Spitzenkandidatin ihrer Partei.
Die Linkspartei muss auffallen
Vor über einem Jahr trennte sich das Bündnis Sahra Wagenknecht von der Partei ab, in der Zeit davor war die Linkspartei fast nur noch wahrnehmbar durch ihren Richtungsstreit, kaum noch durch politische Arbeit. Schon bei der Bundestagswahl 2021 hat die Linke es nur über drei errungene Direktmandate in den Bundestag geschafft, denn die wichtige Fünf-Prozent-Hürde konnte sie nicht mehr nehmen.
Auch diesmal wird es eng. Die Partei muss in diesen Wochen auffallen, um jeden Preis, und das so positiv und konstruktiv wie möglich.
Eine gewisse Form von Populismus
Dabei kann klare Kante helfen. Reichinnek bezeichnet sich selbst als Feministin, Sozialistin und Antifaschistin. Vor ihrer politischen Karriere hat die studierte Politik- und Nahostwissenschaftlerin in der Jugendhilfe gearbeitet und Deutsch unterrichtet für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. Entsprechend liegen ihre inhaltlichen Schwerpunkte im Bereich Kinder-, Jugend-, Familien- und Frauenpolitik. Dabei tritt sie selten populistisch auf - aber doch, es kommt vor.
Vielleicht braucht die Linkspartei gerade eine gewisse Form von Populismus, um nach dem ganzen Wagenknecht-Debakel überhaupt Menschen dazu zu bringen, sich mit dieser Partei noch einmal zu beschäftigen.
Van Akens Polit-Comeback
Noch deutlicher als Reichinnek zeigt das Jan van Aken, 63 Jahre alt, er legt gerade sein Politik-Comeback hin, ein St. Pauli-Fan mit typisch Hamburger Kodderschnauze.
Von 2009 bis 2017 saß er für die Linkspartei im Bundestag, dann hat er von sich aus nach anderen Herausforderungen gesucht. Der promovierte Biologe hat vor seinem Bundestagsmandat als Gentechnikexperte für Greenpeace und als Biowaffeninspekteur für die UN gearbeitet.
Während seiner Zeit als Abgeordneter in Berlin wurde er zum Whistleblower: Dass er es war, der 2016 die Geheimdokumente der Verhandlungen zwischen EU und USA zum Freihandelsabkommen TTIP geleakt hatte - und zwar an die alten Kollegen von Greenpeace - hat er erst vor kurzem öffentlich zugegeben. Die Tat sei mittlerweile verjährt, Konsequenzen würden ihm keine drohen.
Nach seinem Bundestagsmandat gehörte er zum Team des ehemaligen Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow und arbeitete für die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Israel. Drei Tage nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel konnte van Aken aus Tel Aviv ausfliegen. Und jetzt ist er zurück auf der politischen Bühne.
Protest gegen Merz und Trump
Als CDU-Chef Friedrich Merz den Vorschlag machte, Menschen mit doppelter Staatszugehörigkeit die deutsche zu entziehen, wenn sie öfter straffällig werden, nannte van Aken Merz einen Rassisten.
Seit Donald Trump wieder US-Präsident ist, trägt van Aken auch öfter rosa Wollmütze. Damit erinnert er an den "Womens' March on Washington", einen Protestmarsch einen Tag nach der ersten Amtseinführung von Trump 2017. Tausende Frauen hatten weltweit rosa Wollmützen aufgesetzt und gegen Trumps frauenfeindliche Aussagen demonstriert.
Umfragen zeigen nach oben
Gefühlt sieht man van Aken seit Wochen im gleichen T-Shirt, schwarz mit dem schlichten weißen Schriftzug "Tax The Rich" - besteuert die Reichen. Er will "Milliardäre abschaffen", "weil niemand eine Milliarde auf dem Konto braucht". Solche Äußerungen sind populistisch, die Linkspartei führt einen klaren Sozialwahlkampf und rechnet vor, wieviel effektiver es wäre, Geld von oben nach unten umzuverteilen, anstatt immer wieder unten in den Sozialsystemen zu kürzen.
Durch die vorgezogene Bundestagswahl hat die Linkspartei noch weniger Zeit, um ihr neues Personal, ihre Ziele, ihre Herangehensweise bekannt zu machen. Aber mit Reichinnek und van Aken scheint sich was zu bewegen: Die Klartexterin und die Kodderschnauze erarbeiten sich wieder ein Publikum. Mit ihr können sich viele Jüngere identifizieren; und wenn er erzählt, wie er schon als Gymnasiast gegen Atomkraftwerke demonstrierte, fühlt sich das für die Älteren noch oder wieder nach "ihrer" Partei an.
Stand die Linkspartei in den Umfragen vor wenigen Monaten noch unter drei Prozent klettert sie langsam in Richtung der so wichtigen Fünf-Prozent-Marke. Heidi Reichinnek und Jan van Aken sind laut, weil sie es müssen. Für ihre Partei geht es um alles.