
Bundestag konstituiert sich Erst Wortgefechte, dann mahnende Worte von Gysi
Der Deutsche Bundestag ist erstmals nach der Wahl Ende Februar in neuer Konstellation zusammengekommen. Ein AfD-Antrag sorgte für erste Wortgefechte, dann folgte eine Grundsatzrede durch Alterspräsident Gysi.
Der 21. Deutsche Bundestag hat sich am 30. Tag nach der Wahl konstituiert. Eröffnet wurde die Sitzung durch den dienstältesten Abgeordneten Gregor Gysi (Linke), der fortan Alterspräsident ist. Doch bevor Gysi die traditionelle Eröffnungsrede halten konnte, begann die neue Legislaturperiode mit einer scharfen Debatte um einen AfD-Antrag zur Geschäftsordnung, dass der nach Lebensjahren älteste Abgeordnete Alterspräsident werden soll - das wäre Alexander Gauland von der AfD.
Debatte über Alterspräsidenten
Schon bei der konstituierenden Sitzung des Bundestages 2021 hatte die AfD einen solchen Antrag gestellt und war damit gescheitert. Die Regelung, dass der dienstälteste Abgeordnete Alterspräsident wird, gilt seit 2017. Gysi gehört dem Bundestag seit dem 3. Oktober 1990 an, mit einer Unterbrechung von 2002 bis 2005. Alle Fraktionen, bis auf die AfD, stellten sich hinter die geltende Regelung. Der AfD-Antrag wurde abgelehnt.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, nannte Gysi eine "Galionsfigur der radikalen Linken". Thorsten Frei (CDU) sagte in der Debatte, das bloße Alter sei kein Verdienst, die langjährige Parlamentszugehörigkeit dagegen schon. Langjährige parlamentarische Erfahrung garantiere, dass die Würde des Hauses gewahrt werde, sagte Katja Mast von der SPD.
Gysi fordert Respekt und Ehrlichkeit in der Politik
Alterspräsident Gysi ging in seiner Eröffnungsrede auf zahlreiche Differenzen in der deutschen Politik ein, mahnte aber auch zu gegenseitigem Respekt und Verständnis. "Wir müssen einfach lernen zu respektieren, dass es diese Unterschiede gibt. Wenn wir mehr Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung erreichen wollen, sollten wir in unserer Sprache das Maß wahren, nicht immer bei Menschen mit anderer Auffassung das Übelste unterstellen", sagte Gysi. Die Abgeordneten müssten "den gehobenen Stil überwinden".
Den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nannte Gysi völkerrechtswidrig, kritisierte aber Begriffe in der Rüstungsdebatte wie "Kriegstreiber" und "Putinknechte". "Beide Seiten wollen auf ihrem Wege den Frieden sichern", erklärte Gysi. Er persönlich sei Teil der Minderheit, die auf Deeskalation statt auf Abschreckung setze. Er fürchte jedoch, dass ein durch US-Präsident Donald Trump herbeigeführter Waffenstillstand eher zum Nachteil der Ukraine führen werde als ein Abkommen durch europäische Initiative.
Zum Nahostkonflikt sagte Gysi, dass sowohl Israelis als auch Palästinenser das Recht hätten, sicher und souverän in eigenen Staaten Leben zu dürfen. Mit Blick auf die israelische Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisierte Gysi: "Es ist bedauerlich, dass die gegenwärtige Regierung in Israel und die gegenwärtige Mehrheit in der Knesset einen solchen Weg für die Palästinenserinnen und Palästinenser ausschließen und glauben, alles militärisch unter Inkaufnahme ziviler Toter lösen zu können."
"Deutsche Einheit nicht hergestellt"
Gysi, zu DDR-Zeiten prominenter Anwalt, wurde während des Umbruchs in Ostberlin Ende 1989 letzter Vorsitzender der Staatspartei SED. Daraus wurde die PDS und später die Linke. Gysi kritisierte, dass in Deutschland noch keine vollständige Einheit hergestellt worden sei. Die damalige Bundesregierung habe sich nicht für das Leben der Menschen in der DDR interessiert, geblieben sei ein Gefühl der Demütigung. Er forderte, dass sich der nächste Bundeskanzler für damals gemachte Fehler entschuldigen solle.
Auch an anderen Stellen seiner Rede stellte Gysi politische Forderungen, etwa beim Thema Steuergerechtigkeit. Er schlug dem Bundestag die Einrichtung überparteilicher Gremien vor, in denen besonders komplexe und umstrittene Themen beraten werden sollten. Als Themen für solche Gremien nannte Gysi eine sichere künftige Rente, Fragen der Steuergerechtigkeit, die Finanzierung des Gesundheitswesens und eine Reform für weniger Bürokratie.
Gremium zur Verteidigung der Demokratie
Gysi bat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zudem darum, ein Gremium zur Verteidigung der Demokratie einzuberufen. Dieses solle sich mit der Frage der Sicherung von Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auseinandersetzen. Dort könnten Parlamentarier aller Ebenen, Kirchen, Gewerkschaften und weitere gesellschaftliche Gruppen vertreten sein. Es müsse trotz gewaltigen Drucks von innen und außen gelingen, "im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes die Grundfesten unseres Grundgesetzes für alle Zeiten zu sichern", so der Linken-Politiker.
Mit dem Zusammentritt des 21. Deutschen Bundestags bleibt die scheidende Bundesregierung nur noch geschäftsführend im Amt. Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Ministerinnen und Minister erhalten am Nachmittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Entlassungsurkunden.