
Klöckner als Bundestagspräsidentin Unter besonderer Beobachtung
Julia Klöckner soll heute zur neuen Bundestagspräsidentin gewählt werden - und damit das zweithöchste Amt im Staat übernehmen. Die CDU-Politikerin bringt dafür einiges mit. Ihre Nominierung ist aber nicht unumstritten.
Julia Klöckner nimmt Menschen so wie sie sind. So schreibt sie es auf ihrer Website. Und tatsächlich wirkt Klöckner nahbar und kontaktfreudig, souverän und auch resolut. Alles nicht verkehrt für eine Bundestagpräsidentin - und trotzdem stellt sich die Frage: Warum ausgerechnet Klöckner?
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat sie vorgeschlagen, und er verweist auf Klöckners umfassende Erfahrung in der parlamentarischen Arbeit. Julia Klöckner hat mehr parlamentarische Erfahrung als Friedrich Merz selbst. Sie hat Landespolitik gemacht, sitzt seit über 20 Jahren im Bundestag, hat Regierungserfahrung und weiß, dass Opposition Mist ist. Sie hat Wolfgang Thierse, Norbert Lammert, Wolfgang Schäuble und zuletzt Bärbel Bas im Bundestagspräsidentenamt erlebt. Und jetzt soll sie selbst die zweite Frau im Staat werden.
Was will sie anders machen? "Erst, wenn man ein Amt innehat", sagt sie, "kann man drüber reden und nicht vorher spekulieren".
Bundestag vor Stresstest
Das klingt bedacht, und das mag überraschen. Denn durch Nachdenklichkeit und Zurückhaltung ist Klöckner bisher nicht aufgefallen - im Gegenteil. Dass sie durchaus verbal mal aus der Hüfte schießt oder zur Methode Holzhammer greift, vor allem auf Social Media, passt nicht zur Jobbeschreibung einer Bundestagspräsidentin.
Das zweithöchste Amt im Staat verlangt Reflexion und diplomatisches Geschick. Den Bundestag muss Klöckner überparteilich leiten, die Würde des Parlaments verteidigen und die Rechte der Opposition achten. Oder wie Friedrich Merz es sagt: "Dieses Haus ist das Herz der Demokratie, und die Präsidentin wird darauf zu achten haben, dass dieses Herz nicht beschädigt wird."
Das Herz der Demokratie wird in Zukunft einem Stresstest ausgesetzt. Die AfD zieht mit mehr als 150 Abgeordneten ins Parlament ein. Es wird laut werden, herausfordernd. Möglicherweise hilft Klöckner an der Stelle ihre Resolutheit, nur reizen lassen darf sie sich nicht. Eines hat sie schon angekündigt: dass sie Respekt erwartet in den Debatten. "Wenn nicht wir mit Respekt diskutieren und auch streiten", fragt sie, "wie soll es dann in der Breite der Gesellschaft geschehen?"
Unter besonderer Beobachtung
Auch in der Gesellschaft wird Klöckner auftreten, das Parlament nach außen vertreten. Die Erwartungen sind hoch, und Klöckner steht unter besonderer Beobachtung. Nicht wenige halten sie für wenig geeignet, das Amt auszufüllen. Aber das ficht Julia Klöckner nicht an. Es wird ihr auch egal sein, dass Merz sie angeblich nur vorgeschlagen hat, weil CSU-Chef Markus Söder aus gewissen Motiven heraus Armin Laschet als Bundestagspräsident verhindern wollte. Oder dass sie das Amt bekommen soll, weil sie eine Frau ist.
Davon gibt es in der Unionsfraktion nicht allzu viele, vor allem nicht mit Klöckners Bekanntheitsgrad. Manche munkeln sogar, Merz wolle Klöckner nur zur Bundestagspräsidentin machen, weil er ihr kein Ministerium anvertrauen will. Auch das tropft an der Frau aus Rheinland-Pfalz ab. Vor Jahren hat sie mal gesagt, dass mit Humor einiges, auch das Ernste, viel leichter gehe. Das sei ihr Leitspruch.
Gut vorstellbar, dass Julia Klöckner ihr Amt ganz anders interpretiert als alle vor ihr auf dem hohen Stuhl im Bundestagspräsidium.