Jugendliche mit Handys in der Hand sitzen nebeneinander.
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Spionage-Apps Das Geschäft mit dem Cyber-Stalking

Stand: 27.01.2025 05:00 Uhr

Spionage-Apps sind beliebt. Sie können heimlich Aktivitäten auf anderen Handys ausspähen. Interne Nachrichten von Anbietern, die dem SWR und netzpolitik.org vorliegen, zeigen massenhaften Gebrauch. Datenschützer sind alarmiert.

Von Katharina Forstmair, Stephanie Jauss, Gina La Mela, Nick Schader, SWR

"Ich will WhatsApp von meiner Freundin lesen sie ist in der Türkei und ich bin in Deutschland". Das schreibt im Mai 2024 ein Nutzer namens "Hawk" an den Support-Chat von mSpy. Der Support-Mitarbeiter empfiehlt ihm ein Abo für rund 34 Euro pro Monat. Damit könne "Hawk" überwachen, was seine Freundin auf Ihrem Smartphone macht - Chatnachrichten, Internetverlauf, Fotos und Videos. Zudem könne er den Standort abrufen und heimlich Screenshots auf dem überwachten Handy erstellen.

Dafür bräuchte "Hawk" Zugriff auf das Handy seiner Freundin und müsste die Geräte-PIN kennen, was der Support-Mitarbeiter im Chat verschweigt.

Ausspähen ist strafbar

Die Überwachungs-Apps werden offiziell als Software für Eltern vermarktet, die ihre Kinder kontrollieren wollen. In der Praxis werden sie häufig auch von Personen genutzt, die ihren Partner heimlich überwachen wollen.

"Schon wenn man sich solche Apps besorgt, kann man sich unter Umständen strafbar machen", erklärt ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam. "Erst recht aber, wenn man sie auch einsetzt - also geheim auf einem anderen Handy installiert und damit zum Beispiel Standort, Chatverläufe und Telefonate überwacht. Für so etwas kennt das Strafgesetzbuch zum Beispiel das 'Ausspähen von Daten' oder 'Abfangen von Daten'". Zudem habe der Gesetzgeber vor einiger Zeit auch den sogenannten Stalking-Paragrafen angepasst, um Betroffene effektiver vor Cyberstalking zu schützen. "Schwierig kann es allerdings sein, solche Taten auch nachzuweisen."    

Die Auswertung der Support-Chats zeigt, dass offenbar häufig gegen geltendes Recht verstoßen wird. Für viele Nutzer steht sogar im Mittelpunkt, dass das Ganze "heimlich" und "unbemerkt" passiert.

Auch der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Tobias Keber, sieht hier die Grenze zu einer Straftat überschritten, denn das unbefugte Ausspähen von Daten "unter Überwindung der Zugangssicherung" sei illegal.

Teure Abonnements

SWR-Reporter haben die Apps mSpy und Scannero getestet. Dabei fiel auf, dass der Kunden-Support die Nutzer zu möglichst teuren Abonnements überreden will. Das deckt sich mit den Erkenntnissen aus den geleakten Chats. Aus dem scheinbar günstigen Angebot kann schnell ein Jahresabo für mehr als 300 Euro werden. Erst nach Bezahlung erhalten die Nutzer den Link für den Download der App, die es im App Store oder im Google Play Store nicht gibt.

Die Installation auf dem "Zielhandy" ist nicht ganz einfach. Aber der Kunden-Support hilft dabei, sogar, wenn explizit gesagt wird, dass man eine andere Person heimlich überwachen möchte. Die Installation dauerte rund 10 Minuten, inklusive Anleitung, wie man die Spuren der App auf dem "Zielhandy" verwischt.

Auf einer Internetseite konnten die SWR-Reporter nach kurzer Zeit viele vertrauliche Informationen abrufen: Chatnachrichten aus WhatsApp oder Tinder, Browser-Verlauf, SMS und Mails, alles, was in die Tastatur getippt wurde. Für Stalker oder eifersüchtige Partnerinnen ein mächtiges Kontrollinstrument.

Es sei ein bekanntes Problem, warnt Tanja Göldner vom Frauenhaus Pforzheim: "Für uns eine große Gefahr, da wir ja eine anonyme Adresse haben, genau aus dem Grund, damit die Frauen und Kinder im Schutz sind." Es sei schon vorgekommen, dass Frauen geortet wurden. "In der Fachstelle gegen häusliche Gewalt haben wir immer wieder Menschen in der Beratung, die ebenfalls die Befürchtung haben ausspioniert zu werden", sagt Göldner.

Abzocke im großen Stil?

Einige der beworbenen Features funktionierten im SWR-Praxistest allerdings nicht wie versprochen. Auf Nachfrage schrieb der Support, dass einige Funktionen nur für bestimmte Geräte verfügbar seien. Das war beim Kauf nicht ersichtlich. Passend dazu findet sich in den geleakten Support-Chats eine große Anzahl von Beschwerden.

Mehrere Tausend Nutzer beklagen, dass die Überwachung nur zum Teil oder gar nicht funktioniere. Vielen ist nicht bewusst, dass sie Zugriff auf des "Zielhandy" benötigen, um die Spionage-Apps zu installieren. Support-Mitarbeiter weisen darauf oft nur auf Nachfrage hin. Wenn sie vom Kauf zurücktreten wollen, haben viele Kunden Probleme damit, ihr Geld zurückzubekommen. In Internetforen warnen Nutzer vor mSpy als Abofalle.

Verzweigtes Firmengeflecht

Wer etwas über die Firmen hinter den Apps herausfinden will, steht schnell vor einem undurchsichtigen Netzwerk. Die Internetseite mSpy.com verweist auf die Adresse einer Firma namens Altercon Group in Tschechien. Nach SWR-Recherchen handelt es sich hierbei wahrscheinlich um eine Briefkastenadresse in einem Mietbüro-Komplex in Prag. Auffällig ist, dass sämtliche Spuren zu ukrainisch-stämmigen Unternehmern führen, einerseits zum IT-Unternehmen Brainstack in Kiew, das die Namensrechte mSpy für sich reklamiert.

Eine andere Spur führt zu einer relativ neu gegründeten Virtuoso Holding FZ-LLC in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die einer ukrainischen Geschäftsfrau gehören soll, Viktoriia A. Tatsächlich arbeitet die angebliche Firmenchefin als Zahnärztin in Luzk in der Westukraine. Am Telefon gibt sie sich zunächst sehr freundlich, doch als die SWR-Reporterin nach der Virtuoso Holding und mSpy fragt, wird A. plötzlich ablehnend und sagt, dass sie mit Journalisten nicht darüber sprechen wolle. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Viktoriia A. nur eine Strohfrau ist und es andere Hintermänner gibt.

Firmen unterstützen bei Straftaten

Für die Anbieter von Spy-Apps seien rechtliche Konsequenzen denkbar, analysiert Christoph Safferling von der Universität Erlangen-Nürnberg. Der Strafrechtsprofessor beschäftigt sich mit Cyberkriminalität und forensischer Informatik. "Wer Computerprogramme verkauft, die den Zweck haben, dass andere damit Daten abfangen oder ausspähen, begeht selbst eine Straftat", so Safferling.

Strafbar könne es auch sein, wenn Anbieter oder ihre Mitarbeiter Kunden etwa bei der Installation und dem Verbergen der App unterstützen - obwohl sie wissen, dass damit zum Beispiel die Partnerin oder der Ehemann ausspioniert werden soll. "So etwas kann eine strafbare Beihilfe sein", sagt Safferling. Die Verantwortung liege dann bei der Unternehmensführung. Zumindest, wenn sie davon wisse und nicht dagegen einschreite.

SWR und netzpolitik.org baten die beteiligten Unternehmen um Stellungnahmen, dies auch zum Vorwurf, dass illegale Handy-Überwachungen unterstützt werden. Die Anfragen blieben unbeantwortet.

Anhand der Praxistests fanden die SWR-Reporter heraus, dass die Apps Spuren auf dem Smartphone hinterlassen. So versteckt sich die App mSpy auf Android-Smartphones hinter der App Update Service. Der effektivste Schutz ist, Zugangsdaten wie Geräte-PIN und Passwörter niemals an andere Personen weiterzugeben. Mehr Tipps, wie man sich vor Ausspionierung schützen kann, haben die Kollegen von netzpolitik.org hier zusammengestellt.

Sind Sie selbst schon einmal Opfer von Handy-Spionage geworden oder haben einen solchen Verdacht? Dann können Sie uns gerne vertrauensvoll von Ihren Erfahrungen berichten: spy-apps@swr.de

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR3 am 27. Januar 2025 um 09:40 Uhr.