Luftaufnahme von zerstörten Gebäuden, Straßen und Tunneln in Altenahr im Ahrtal.

Nach der Flut im Ahrtal Bahnstrecke soll wieder zur Lebensader werden

Stand: 19.03.2025 12:34 Uhr

Durch die Flutkatastrophe im Sommer 2021 wurde die Bahnstrecke im Ahrtal weitgehend zerstört. Nun geht der Wiederaufbau in die entscheidende Phase.

Wenn ein Pulk von Journalisten in orangefarbenen Warnwesten und Schutzhelmen auf den Köpfen im Ahrtal unterwegs ist, dann bedeutet das: Fortschritt. Mehr als dreieinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe kommt es nicht mehr allzu häufig vor, dass ein Pressetermin mehr als ein Dutzend Interessierte ins Ahrtal lockt. Doch jetzt hat die Deutsche Bahn zur Baustellenbesichtigung geladen.

Projektleiter Christian Sauer führt die Pressegruppe in einen Tunnel, dessen Sanierung eines von mehreren Großprojekten im Ahrtal ist. Fotografen zücken Kameras, Reporter notieren Fakten in ihre Blöcke, als Christian Sauer erläutert, was in diesem "Ingenieurbauwerk", wie er den Tunnel nennt, in den vergangenen Wochen und Monaten passiert ist.

Mit gezielten Sprengungen und durch Fräsen hätten sich die Bauteams Meter für Meter durch den Felsen und teils loses Gestein gearbeitet, beschreibt Sauer das Vorgehen. Er deutet auf die Tunnelröhre: "Künftig haben wir dann hier 6,60 Meter Höhe von den Schienen am Boden des Tunnels bis zur Tunneldecke."

 

Engelsley-Tunnel

Die Arbeiten an den Tunneln im Ahrtal laufen auf Hochtouren.

Sanierung von Tunneln für Elektrifizierung der Bahnstrecke

Insgesamt fünf Tunnel saniert die Deutsche Bahn zwischen Rech und Altenahr. Die Röhren werden vergrößert und neu verschalt, um Platz zu schaffen für Oberleitungen. Denn die Bahnstrecke im Ahrtal wird im Zuge des Wiederaufbaus elektrifiziert.

"Die Tunnel waren ursprünglich für Dampfzug-Betrieb aus der Jahrhundertwende konzipiert", erklärt Projektleiter Sauer, und die alten Tunnel hatten nicht den Querschnitt, "dass man eine Oberleitung hätte einbauen können". Oberleitungen braucht es aber, damit auf der Strecke künftig Züge fahren können, die mit Strom betrieben werden, statt wie bisher mit Diesel.

55 Kilometer Leitung werden dafür laut Bahn neu gebaut. Der Umstieg auf Strom schaffe auch eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Verbindungen auf der Strecke verbessert werden. Wenn alles fertig ist, könnten Bahnen im 20-Minuten-Takt auf der Strecke fahren, so die Deutsche Bahn.  

Großer Schritt für die Anbindung der Region

"Das wäre ein echtes Geschenk für die Region und die Menschen hier", sagt Cornelia Weigand, Landrätin des Landkreises Ahrweiler. Denn vor der Flut seien die Züge im Halb- und sogar Stundentakt gefahren, und auch der aktuell laufende Schienenersatzverkehr sei so getaktet.

Dass die Elektrifizierung die Bahn nun künftig schneller und somit flexibler mache, sei ein Gewinn für die Bewohner des Ahrtals. "Wir haben ganz viele Pendler, ob  Schülerinnen und Schüler oder Berufstätige, die in Koblenz, Bonn oder Köln arbeiten", erklärt Weigand, "und für die ist die Bahn eine echte Lebensader". Die Menschen seien "froh und dankbar", dass der Wiederaufbau der Bahnstrecke so gut voran gehe, zeigt sich Weigand zufrieden. 

Bahnstrecke auch für Tourismus wichtig

Sie selbst kann von ihrem Wohnhaus die Arbeiten an der Bahnstrecke beobachten, erzählt sie, und sei beeindruckt davon, dass rund um die Uhr gearbeitet wird: "Ich glaube, so gut und schnell wurde noch nie ein Großprojekt der Deutschen Bahn umgesetzt", bemerkt die Landrätin. Und macht darauf aufmerksam, dass der Wiederaufbau der Bahnstrecke auch einen wichtigen Einfluss auf den Tourismus habe.

Mit dem Zug anreisen zu können, sei für viele Ausflügler aus Nordrhein-Westfalen etwa ein echter Anreiz, das Ahrtal zu besuchen. Und schließlich sei es auch im Sinne des Klimaschutzes positiv, dass die Bahn im Ahrtal von Diesel auf Elektrizität umsteige, meint die parteilose Politikerin.

Erneuerung der massiv zerstörten Bahninfrastruktur

Die Flutkatastrophe im Sommer 2021 hatte einen Großteil der fast 30 Kilometer langen Bahnstrecke entlang der Ahr zwischen Remagen und Ahrbrück zerstört. Die Bahn spricht von Zerstörungen von "historischem Ausmaß", und wer sich an die Bilder erinnert, der hat die beispiellose, verheerende Zerstörung vor Augen, die die Wassermassen angerichtet hatten: ganze Gleise hingen von Brücken herunter oder ragten in die Luft, Bahndämme waren weggespült worden, Bahnhöfe völlig verwüstet.

Noch im Jahr 2021 hatte die Bahn die unterbrochene Strecke zwischen Remagen und Walporzheim provisorisch wieder hergestellt, so dass sie seitdem eingleisig befahrbar ist. Nun wird an diesem Abschnitt am zweigleisigen Wiederaufbau gearbeitet.  

Völlig zerstörte Bahngleise bei Marienthal im Ahrtal in Rheinland-Pfalz.

Die Flut hat Zerstörungen von "historischem Ausmaß" angerichtet, heißt es von der Deutschen Bahn.

Wiederaufbau zwischen Walporzheim und Ahrbrück

Die Strecke zwischen Walporzheim und Ahrbrück war dagegen so stark zerstört, dass dieser 14 Kilometer lange Abschnitt einem Neubau der Bahnlinie gleichkommt. Hier müssen Bahndämme neu errichtet, Bahnübergänge und sechs Bahnstationen neu gebaut werden, Gleise, Weichen und Schienen installiert werden.

Projektleiter Sauer koordiniert alle Arbeiten und sagt, die Aufgabe sei enorm: "Die größte Herausforderung ist die gesamte Koordination, weil es doch sehr komplex ist. Wir haben hier ganz viele Einzelmaßnahmen, die wir abstimmen müssen. Mit Kommunen, mit allen anderen. Das ist für uns herausfordernd, aber auch für die ausführenden Firmen."

Um den Zeitplan einhalten zu können, werde an allen fast allen Baustellen rund um die Uhr gearbeitet: "Die Mannschaften arbeiten inzwischen durchgängig. Also, 'Montag-bis-Freitag-Baustelle' ist hier schon lange nicht mehr. Wir haben an sieben Tagen die Woche 24 Stunden Baustellenbetrieb." 

Hunderte zerstörte Brücken im Ahrtal

Zum Wiederaufbau der Bahnlinie im Ahrtal gehört auch der Neubau von insgesamt 13 Brücken. Die historischen Brücken des Ahrtals sind durch die Katastrophe von Wahrzeichen der Region zu Mahnmalen geworden. Rund 100 historische Bogenbrücken entlang des Flusslaufs waren von den Wassermassen zerstört worden.

Unterhalb der Brückenbögen hatten sich durch die Wucht des Wassers Massen von Treibgut verfangen und immer höher aufgestaut. Das Wasser kam nicht mehr durch und entfaltete einen Druck, dem die Brücken nicht mehr standhalten konnten.  Die historischen Brücken hatten durch ihre Bauweise die Katastrophe an vielen Stellen verschlimmert. 

Engelsley-Tunnel

Rund 100 historische Bogenbrücken sind von der Flut zerstört worden.

Neue Brücken werden standhafter

Die neuen Brücken sollen nun laut Bahn "hochwasserresilient" gebaut werden. Das bedeutet, dass sie deutlich höher gebaut werden, die Pfeiler deutlich schmaler sind und es keine Pfeiler mehr in der Mitte der Ahr geben soll. "Im Zuge dieser Arbeiten setzen wir als Deutsche Bahn auf hochwasserresiliente Konstruktionen, um den Wasserfluss auch bei Hochwasserereignissen nicht zu behindern", sagt eine Sprecherin.

Die Kosten für den Wiederaufbau der Bahnstrecke im Ahrtal sind immens, das Geld stellt größtenteils der Bund bereit. Allein die Kosten für die Elektrifizierung der Bahnstrecke liegen bei 92 Millionen Euro. 20 Millionen Euro steuert das Land Rheinland-Pfalz bei.

Christian Sauer hofft, dass der Zeitplan, den sich die Deutsche Bahn gesetzt hat, eingehalten werden kann. Bis Ende 2025 soll die Strecke durchs Ahrtal wieder befahrbar sein. "Wir sind noch im Soll, und ich gehe davon aus, dass alles klappt”, sagt Sauer und lädt die Journalisten ein, ihm zum nächsten Tunnel zu folgen. Vom Saffenburger Tunnel bei Mayschoß aus setzt sich die Pressegruppe in Autos in Bewegung in Richtung Krähardt-Tunnel: "Der ist schon im Rohbau fertig", freut sich der Projekteiter.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR4 am 17. März 2025 um 14:00 Uhr.