ETFs erklärt Wie Indexfonds funktionieren
ETFs gelten als einfache Möglichkeit, Geld an der Börse anzulegen. Aber wie entstehen ETF-Anteile eigentlich? Welche Firmen sind daran beteiligt? Und wie läuft das Ganze technisch ab?
Etwa ein Fünftel aller Anlegerinnen und Anleger in Deutschland spart dem Deutschen Aktieninstitut zufolge über ETFs - Tendenz steigend. Im vergangenen Jahr erreichte das Fondsvermögen der auf Xetra handelbaren ETFs einen neuen Höchststand. Gerade bei Einsteigern sind die passiven Indexfonds beliebt, weil es einfache Produkte sind. Aber wie laufen die Prozesse dahinter ab - im "Maschinenraum" des ETFs?
ETFs ermöglichen es also, zu jeder Zeit in eine breite Auswahl von Aktien oder anderen Wertpapieren gleichzeitig zu investieren - und das auch schon mit geringen Summen. Anleger können Anteile zum Beispiel per Sparplan kaufen.
ETF-Anbieter erstellt und verwaltet die Produkte
Bei traditionellen Investmentfonds ist die Sache ziemlich klar: Ein Fondsmanager sucht nach einer Strategie attraktive Aktien aus und vermeidet unattraktive. Damit versucht er, möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Bei einem ETF gibt es aber keinen Fondsmanager, der jeden Morgen neu entscheidet, welche Papiere er kauft und verkauft. Der Indexfonds bildet stattdessen "passiv" einen Börsenindex ab, wie es im Börsensprech heißt.
Erstellt und verwaltet wird ein ETF vom jeweiligen ETF-Anbieter - zum Beispiel der Deutschen Bank mit ihrer Marke Xtrackers, Amundi, Vanguard, UBS oder Invesco. Eine der größten der Branche ist die US-Investmentgesellschaft BlackRock, die über ihre Marke iShares weltweit rund 1.400 ETF vertreibt. Allein in Deutschland gibt es rund 630 iShares-ETF.
Im Maschinenraum spielen ETF-Anbieter eine entscheidende Rolle. Sie sind dafür verantwortlich, dass Privatanleger überhaupt in Börsenindizes investieren können. Denn ein Index sei im Endeffekt nur eine theoretische Liste, ein Anleger könne nicht direkt in einen Index investieren, erklärt Verena Heming, die bei BlackRock für den Vertrieb an digitale Geschäftspartner wie Online-Banken oder Broker zuständig ist, im ARD-Podcast "Gold & Asche: Projekt ETF".
Ein Börsenindex bildet die Performance von bestimmten Aktien, Anleihen oder Rohstoffen ab und ist damit ein Barometer für ein spezielles Marktsegment wie Branchen, Regionen, Länder oder Themen wie Künstliche Intelligenz, klimafreundliche Energie oder Gesundheit. Insgesamt gibt es laut der Index Industry Association über drei Millionen Börsenindizes. Ein ETF-Anbieter baut diese nach und bündelt die Wertpapiere in einem ETF, der an der Börse gelistet wird und eine Wertpapierkennnummer (WPK) bekommt. "Nach einigen Wochen oder Monaten der ganzen Erstellung dieser ETF kann dann das Wertpapier dann tatsächlich an der Börse gehandelt werden", sagt Heming.
Folge 1: Warum eigentlich ETFs? (14. August)
Folge 2: Welche ETFs gibt es? (21. August)
Folge 3: Maschinenraum ETF (28. August)
Folge 4: Risiken und Kritik an ETFs (4. September)
Folge 5: Wie finde ich das richtige Depot (11. September)
Folge 6: Wie baue ich mein ETF-Portfolio auf? (18. September)
Zwei Möglichkeiten der Nachbildung
Beim Nachbilden eines Index gibt es zwei Methoden: Bei der physischen Nachbildung setzt sich der ETF 1:1 aus den Originalaktien zusammen. Der Anbieter gewichtet die Aktien der Unternehmen wie im Index nach dem Börsenwert - also die Anzahl der Aktien im Umlauf mal den Preis - und kauft diese nach (Vollreplikation). Oft ist die physische Replikation "optimiert". Wegen der schwankenden Börsenwerte und Gewichtungen bei großen Indizes wie dem MSCI World kauft der ETF-Anbieter nur den Teil der Aktien, der für einen Großteil der Performance verantwortlich ist (Sampling). Das spart Kosten und Aufwand.
Bei der synthetischen Replikation wird der Index dagegen durch Tauschgeschäfte - sogenannte Swaps - des ETF-Anbieters mit anderen Finanzinstituten, meistens Investmentbanken, künstlich nachgestellt. Das heißt, Aktien werden mit anderen Aktien getauscht, um exakt die gleiche Werteentwicklung zu erreichen wie der Index. Der Korb, den der Anleger dann besitzt, kann komplett anders aussehen als der eigentliche Index und muss keine einzige Aktie daraus beinhalten. Stattdessen verspricht die Gegenseite nur, dass man die gleiche Rendite bekommt.
Weil an diesem Geschäft nun drei Parteien beteiligt sind, entsteht zusätzlich ein sogenanntes Kontrahentenrisiko, falls das zusätzliche Finanzinstitut pleite geht. Wenn der ETF-Anbieter ausgewählt hat, mit welcher Methode er den jeweiligen Index abbildet, muss er noch entscheiden, an welchen Börsen der ETF gelistet sein soll. "Wir haben auf jeden Fall ein Interesse, den ETF verfügbar zu machen und an möglichst viele Börsenplätze zu bringen. Das wiederum bedeutet aber natürlich auch Listingkosten", erklärt Heming.
Um die Suppe nun zu kochen, müssen die Zutaten in einer bestimmten Reihenfolge und nach einem bestimmten Verfahren zubereitet werden. Ein Börsenindex wird ebenfalls nach klaren Regeln berechnet.
Der Indexwert gibt eine Vorstellung von der allgemeinen Performance und dem Zustand eines bestimmten Anlagemarktes über die Zeit. So wie die Qualität und Menge der einzelnen Gemüsearten den Geschmack der Suppe beeinflussen, beeinflusst die Kursentwicklung jedes Unternehmens den Wert des Index.
Index-Anbieter überlegt sich die Methodik
Die Methodik hinter einem Index - sprich: wie er sich zusammensetzt, wer ihn berechnet und in welchen Abständen er aktualisiert wird - kommt derweil von einem Indexanbieter; zum Beispiel MSCI, S&P, Stoxx, Dow Jones oder FTSE. Doch es gibt auch viele kleinere. Einer davon ist Solactive. Das Unternehmen aus Frankfurt hat insgesamt mehr als 30.000 Indizes erstellt und verwaltet sie.
Timo Pfeiffer, Chief Markets Officer bei Solactive, erklärt das Geschäftsmodell eines Indexanbieters so: "Ich versuche zu helfen, dass der jeweilige ETF-Anbieter den ETF auflegen und dann am Ende für Investoren zur Verfügung stellen kann." Solactive liefere ihnen den Index und die Daten, wofür der ETF-Anbieter eine Lizenzgebühr zahlt. Ähnlich wie der DAX bildet zum Beispiel der Solactive Germany Index die Aktienentwicklung in Deutschland ab. Die Firma selbst besorgt sich die Daten wiederum bei den Börsen und bezahlt sie dafür.
ETF- und Indexanbieter arbeiten gelegentlich zusammen, um neue Indizes und ETFs zu entwickeln. Dabei nehmen sie Trends und weltweite Entwicklungen in den Blick, aber auch Kundenanfragen sind entscheidend. "Wir richten uns nach den Bedürfnissen unserer Kunden", sagt Verena Heming von BlackRock. Solange diese gewünschten Konzepte keine Nischenprodukte seien, die nur wenige Anleger nutzen würden, lohne es sich, im Gespräch mit dem Indexanbieter neue Indizes anzuregen. Diese müssen nicht einzeln zugelassen werden, weil die Anbieter als Ganzes kontrolliert werden. Sie unterliegen der europäischen Benchmark-Regulierung: Das ist eine Konstruktion der EU - eine Art Führerschein.
Gewichtung wird jedes Quartal überprüft
Die Aufstellung eines Indizes könne bei einem größeren Markt schnell gehen und nur einen Tag dauern, sagt Timo Pfeiffer von Solactive. Bei aufwendigeren Indizes brauche das Team allerdings auch mal mehrere Wochen. Neben Kriterien wie der Region oder Größe von Unternehmen spiele in dem Auswahlprozess auch eine Rolle, in welcher Branche die Firmen unterwegs sind. Diese Selektion wird bei bestehenden Indizes kontinuierlich überprüft - meistens quartalsweise oder alle sechs Monate. Die Methodik muss der Indexanbieter und auch der ETF-Anbieter transparent für alle Anleger sichtbar veröffentlichen.
Der letzte Schritt bei der Erstellung eines Börsenindex sei typischerweise die Gewichtung, so Pfeiffer. Am häufigsten werde nach der Marktkapitalisierung, also dem Börsenwert, gewichtet, wobei einzelne Positionen teils gedeckelt werden. Welche Unternehmen schließlich in einem Index landen und wie stark sie gewichtet werden, wird also von Mitarbeitern des Indexanbieters im Austausch mit seinen Kunden oder selbstständig entschieden.
Ist der Index dann einmal erstellt, läuft er automatisch, und die Performance wird zum Beispiel alle 15 Sekunden aktualisiert. Die Berechnung wird über eine entsprechende Datenbank gemacht, alles basierend auf einer speziellen Software. Werden die Indizes dann jedes Quartal auf die Gewichtung hin überprüft und die Unternehmen nochmals selektiert, muss auch das Portfolio-Team des ETF-Anbieters den neuen Katalog nachbauen, auch "rebalancen" genannt.
Dividenden direkt wieder anlegen oder ausschütten lassen
Der Ertrag oder die Rendite von ETF setzt sich vor allem aus Kurssteigerungen zusammen. Wenn die Aktien in einem ETF an Wert gewinnen, steigt auch der Wert des ETFs. Dazu kommen Dividenden, die Gewinnausschüttungen der Unternehmen. Allerdings werden sie nicht bei jedem ETF an die Privatanleger ausgezahlt. Das kommt auf die sogenannte Ertragsverwendung an.
Es gibt ausschüttende oder thesaurierende ETFs. Dabei werden die Dividenden, die die meisten Unternehmen einmal im Jahr ausschütten, entweder als Geldsumme auf das Konto des Anlegers gezahlt oder direkt wieder in neue ETF-Anteile investiert. Der Vorteil für Inhaber von thesaurierenden ETFs besteht darin, dass die Dividenden nicht auf einem Verrechnungskonto rumdümpeln oder ausgegeben werden - eine Art Selbstdisziplinierung des Sparens.
Ein thesaurierender ETF ist im Zweifel also rentabler, weil die Dividenden direkt mitverzinst werden und sich das Geld dadurch schneller mehrt. Natürlich können die Anleger ihre Dividenden auch einfach selbst direkt wieder anlegen, aber das ist umständlich, und es muss noch einmal eine Extra-Transaktionsgebühr gezahlt werden. Vorteile bei den ausschüttenden ETFs sind die laufenden Einnahmen, die man auf dem eigenen Konto sieht. Bei den meisten ETFs kann zwischen beiden Varianten entschieden werden.