Entwicklung am Immobilienmarkt Wie es mit den Immobilienpreisen weitergehen könnte
Der Immobilienmarkt hat zuletzt eine 180-Grad-Kehrtwende vollzogen. Jahrelang sind die Preise von einem Hoch zum nächsten geklettert. Das hat sich mit den steigenden Zinsen geändert. Wie geht es jetzt weiter?
In den Jahren nach der Finanzkrise kannten die Immobilienpreise in Deutschland nur eine Richtung: nach oben. Doch mittlerweile sieht das Bild komplett anders aus: Seit 2022 sinken sie wieder - und das teilweise ziemlich stark. Im vergangenen Jahr sind die Preise für deutsche Wohnimmobilien so stark gefallen wie seit mindestens 60 Jahren nicht.
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) legte der Abwärtstrend zum Jahresende zwar einen Halt ein. Doch im Gesamtjahr 2023 verbilligten sich Eigentumswohnungen um 8,9 Prozent, Einfamilienhäuser um 11,3 Prozent und Mehrfamilienhäuser sogar um 20,1 Prozent, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) kürzlich mitteilte. Gerade in den großen Städten, in denen die Preise viele Jahre sehr stark gestiegen sind, ging es kräftig nach unten.
Bauzinsen höher
Hinter der Wende am Immobilienmarkt steckt vor allem der massive Zinsanstieg am Markt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Kampf gegen die Inflation in den vergangenen beiden Jahren die Zinsen innerhalb kürzester Zeit sehr schnell und kräftig angehoben. Damit beendete sie ihre fast 14-jährigen Niedrigzinsphase, was auch Auswirkungen auf den Wohnimmobilienmarkt hat.
Die Bauzinsen werden indirekt durch die Leitzinsen der EZB beeinflusst. Banken refinanzieren ihre Baufinanzierungen überwiegend über Pfandbriefe. Deren Rendite orientiert sich an den Zinsen zehnjähriger Bundesanleihen, die wiederum von der Inflationsentwicklung abhängen - und damit auch von den Leitzinsen. Anfang 2022 lagen die Bauzinsen noch bei rund einem Prozent bei kürzeren Laufzeiten. Die Finanzierung für ein Haus war also im historischen Vergleich ziemlich günstig. Das ist nicht mehr der Fall.
Mittlerweile zahlen Käufer Bauzinsen von über drei Prozent, wie die Daten der Frankfurter FMH-Finanzberatung zeigen. Das macht sich entsprechend in der monatlichen Kreditrate bemerkbar. Der Vermittler von Baufinanzierungen Dr. Klein berechnet das anhand einer Standard-Kreditrate für einen Kredit in Höhe von 300.000 Euro, zehn Jahren Zinsbindung und zwei Prozent Tilgung. Während die monatliche Rate für diesen Kredit im Oktober 2021 bei 810 Euro lag, war sie schon ein Jahr später beinahe doppelt so hoch bei 1.500 Euro.
Preise dürften bald wieder steigen
Wie teuer Häuser in der Zukunft werden, hängt von vielen Faktoren ab. Einige Experten gehen aber davon aus, dass es sich beim derzeitigen Preisrückgang nur um einen Knick handelt und die Preise bald wieder steigen dürften. "Ganz so optimistisch bin ich nicht, dass die Immobilienpreise jetzt länger fallen", sagt IW-Immobilienökonom Michael Voigtländer im Podcast "Gold & Asche: Projekt Hauskauf" der ARD-Finanzredaktion.
Aus seiner Sicht gibt es einen ganz wesentlichen Unterschied zu den 1990er-Jahren, als die Preise für Immobilien ebenfalls stark fielen. "Es war eine Phase, in der wir extrem viel gebaut haben." Mitte der 1990er bis Mitte der 2000er-Jahre habe es zu viele Wohnungen in Deutschland gegeben. Hinzu sei eine teilweise höhere Abwanderung aus Deutschland gekommen. "Die Mieten und Preise sind kaum gestiegen, und das haben wir jetzt eben gerade nicht."
Einer der größten Preistreiber dürfte deshalb das Wohnraumangebot sein, das aktuell bei einer noch immer hohen Nachfrage stagniert. Die Bautätigkeit in Deutschland ist zuletzt geradezu eingebrochen. Von Januar bis August 2023 gingen die Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Drittel zurück.
Folge 1: Lohnt es sich, ein Haus zu kaufen? (21. Februar)
Folge 2: Der richtige Zeitpunkt für den Hauskauf (21. Februar)
Folge 3: Wie viel Haus kann ich mir leisten? (28. Februar)
Folge 4: Worauf muss ich beim Kredit achten? (6. März)
Folge 5: Wie der Staat den Hauskauf finanziell unterstützt (13. März)
Folge 6: Alles rund um die energetische Sanierung (20. März)
Folge 7: War früher alles besser? (27. März)
Baukosten stark gestiegen
Immobilienunternehmen befinden sich in einer schweren Krise, was mit den stark gestiegenen Kosten für den Neubau von Wohnungen zu tun hat. Beispiel Vonovia: Anfang 2023 hatte Deutschlands größter Immobilienkonzern alle Neubauprojekte für das Jahr gestoppt, im September schließlich sogar die Fertigstellung von rund 60.000 Wohnungen vorerst auf Eis gelegt.
Das hängt entscheidend mit den höheren Baukosten zusammen. Baustoffe wie Stahl und Glas, die energieintensiv hergestellt werden, haben sich seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine infolge der gestiegenen Energiekosten stark verteuert. Experten schätzen, dass die Baupreise für den Wohnungsneubau im vergangenen September um 36 Prozent höher waren als noch im Frühjahr 2020.
Carolin Hegenbarth, Geschäftsführerin des Immobilienverbands IVD erklärt gegenüber der ARD-Finanzredaktion, was höhere Zinsen und Baukosten für die Immobilienbranche bedeuten: "Ein Bauvorhaben, das vor der Krise zu einer Quadratmetermiete von 15 Euro realisierbar war, lässt sich heute wirtschaftlich nur noch zu einer Miete von 24 oder 25 Euro umsetzen." Und das sei eben auf dem breiten Markt "nicht platzierbar".
Versäumnisse in der Vergangenheit
Weil die schon begonnenen Bauprojekte dieses und nächstes Jahr in vielen Fällen erst noch beendet werden, ist der große Einbruch wohl erst zeitverzögert zwei oder drei Jahre später in einer weiteren Verknappung am Wohnungsmarkt zu spüren. Noch zehre der Wohnungsbau von Projekten, die vor den deutlichen Zinserhöhungen begonnen worden seien, heißt es von den sogenannten Immobilienweisen.
"Die Krise ist tiefer, als die Baufertigstellungs- und Baugenehmigungszahlen bislang zeigen", schreiben sie in ihrem neuen Frühjahrsgutachten. Angesichts der eingebrochenen Genehmigungszahlen und unter Berücksichtigung der Bauzeiten dürften die Fertigstellungen voraussichtlich bis auf 150.000 pro Jahr sinken.
Neben den aktuellen Problemen wie höheren Zinsen und teureren Baumaterialien werde die Branche zusätzlich noch mit den Versäumnissen der vorherigen Jahre konfrontiert, betont Voigtländer. In den 2010er-Jahren sei der Neubau verschlafen worden - trotz eines hohen Bevölkerungswachstums. Natürlich sei darüber hinaus auch das Thema Fachkräftemangel, das so gut wie alle Sektoren in Deutschland treffe, akut.
"Eine Knappheit bedeutet immer, dass die Preise eher steigen werden", so der Fachmann. Natürlich gebe es eine gewisse Korrektur aufgrund der Zinsentwicklung. "Aber so ganz stark werden die Preise nicht mehr fallen, sondern ich fürchte, sie werden bald eher dann auch wieder anfangen zu steigen."
Wohnknappheit in Großstädten
Das Problem ist also einerseits, dass das Angebot an verfügbarem Wohnraum knapper wird. Andererseits ist aber die Nachfrage ungebrochen hoch. Schätzungen zufolge fehlen daher knapp 700.000 Wohnungen in Deutschland. Laut dem Bündnis "Soziales Wohnen" ist das die größte Wohnungsnot seit 20 Jahren.
Besonders gravierend ist sie in den Ballungsgebieten. In Städten wie München, Frankfurt und Freiburg gibt es so gut wie keinen Leerstand. Das hat nicht nur mit dem vermehrten Zuzug von Menschen zu tun, sondern auch mit den Wohnbedürfnissen, die sich im Laufe der Jahrzehnte verändert haben. Dazu gehört etwa der Anstieg der Wohnfläche.
Im Jahr 1991 lebte eine Person im Schnitt noch auf einer Fläche von rund 35 Quadratmetern - 2021 waren es dagegen knapp 48 Quadratmeter. In Großstädten wie München oder Berlin besteht schon mehr als die Hälfte aller Haushalte aus nur noch einer Person. Es wohnen also immer weniger Menschen auf einer immer größeren Fläche, was selbst bei einer gleichbleibenden Bevölkerungszahl dazu führt, dass Wohnraum knapper und teurer wird.
Mangelndes Bauland
Dass die Preise in der Tendenz weiter steigen dürften, führt Voigtländer zudem auch auf das mangelnde Bauland zurück, welches die Kommunen zur Verfügung stellen müssen. "Da tun wir uns gesellschaftlich zunehmend schwer, zum Beispiel aus ökologischen Gründen", sagt der IW-Ökonom. Auch das Ziel der Flächenversiegelung stehe mit dem Neubau im Konflikt. "Es wird immer schwieriger, Bauland freizugeben." Selbst in kleinen Gemeinden seien die Preise zwischen 2009 und 2021 für baureifes Land um 80 Prozent gestiegen.
Dabei ergab eine Befragung aller Kommunen, dass Deutschland theoretisch eine Baufläche von 99.000 Hektar oder der Größe Berlins zur Verfügung hätte - mit Platz für bis zu zwei Millionen Wohnungen. Allerdings steht die Fläche nicht unbedingt dort bereit, wo die Nachfrage am höchsten ist. Gerade in den Ballungszentren prallen die steigende Nachfrage nach Bauland und extrem knappes Angebot aufeinander. In Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern sind die Preise für baureifes Land in den zwölf Jahren bis 2021 um 370 Prozent gestiegen. In Großstädten ist der Erwerb von Bauland teilweise 20 Mal so teuer wie in kleinen Gemeinden.
Und während in den Städten der Bedarf an Wohnungen zunimmt, könnten in den ländlichen Regionen 2030 laut dem Bundesinstitut für Bau- Stadt- und Raumforschung 2030 bis zu drei Millionen Wohnungen leer stehen. Denn dort werde die Nachfrage nach Wohnungen weiter sinken.
Regulatorik, Baustandards und Trends
Darüber hinaus gelten die vielen Anforderungen und Regelungen beim Bau als Preistreiber am Immobilienmarkt. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund schrieb 2020, dass es allein im Baubereich 16 verschiedene Landesbauordnungen und über 20.000 Vorschriften gebe. Laut dem Baukostenindex der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht ist ein Drittel des Baukostenanstiegs seit 2000 auf neue gesetzliche Regelungen zurückzuführen.
"Also das, was so in den letzten 60 Jahren passiert ist, - immer höhere Standards - macht das Bauen komplizierter und langsamer. Und damit auch teurer", sagt IVD-Geschäftsführerin Hegenbarth. Man habe zwar jetzt einen größeren Komfort, einen besseren Schallschutz, mehr Barrierefreiheit und höhere Sicherheit. "Aber wir übertreiben es immer mehr mit den Standards."
Des Weiteren spielen auch Faktoren wie die vermeintliche Lebensqualität in bestimmten Regionen bei den Preissteigerungen eine Rolle. Es ließe sich beispielsweise rechnerisch nicht erklären, warum München so teuer sei, sagt Voigtländer. Die Stadt sei im Verhältnis zum Einkommen erheblich teurer als Hamburg oder Berlin. "Dort gibt es eine sehr hohe Zahlungs- oder Leidensfähigkeit."
Zuletzt geht es am Immobilienmarkt immer auch um Trends. Ökonom Günter Vornholz vom Immobilien Research sagt zur Preisentwicklung, dass es sich daher um einen normalen Immobilienzyklus handle: "Es geht rauf und wieder runter. Irgendwann wird die Talsohle überschritten sein und dann fängt die Euphorie wieder an."
Mit Informationen von Till Bücker, ARD-Finanzredaktion.