Krise bei Autokonzern VW will laut Betriebsrat mindestens drei Werke schließen
"Kein Werk ist sicher" - nach Angaben des VW-Betriebsrats will der Konzern mindestens drei Werke in Deutschland schließen und Zehntausende Arbeitsplätze streichen. Die IG Metall kritisiert die Pläne scharf.
Nach Angaben seines Betriebsrats will der Autokonzern Volkswagen mehrere seiner zehn Werke in Deutschland schließen sowie Zehntausende Arbeitsplätze abbauen. "Der Vorstand will in Deutschland mindestens drei VW-Werke dichtmachen. Er behauptet: Ohne einen solchen Einschnitt geht es nicht", sagte Konzernbetriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Informationsveranstaltung für die Belegschaft in Wolfsburg. Alle verbleibenden Standorte sollten zudem schrumpfen. Über diese Pläne habe der Konzern nun die Arbeitnehmerseite informiert, so Cavallo.
"Risiko, dass hier bald alles eskaliert"
"Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher", so Cavallo weiter. VW beschäftigt in Deutschland rund 120.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon rund die Hälfte in Wolfsburg. Insgesamt betreibt die Marke VW in Deutschland zehn Standorte, davon sechs in Niedersachsen, drei in Sachsen und eins in Hessen.
Zudem plane der Vorstand betriebsbedingte Kündigungen, erklärte Cavallo. Ganze Abteilungen sollten geschlossen oder ins Ausland verlagert werden. Sie warnte davor, die Ankündigungen "als Säbelrasseln in der Tarifrunde abzutun". Zehntausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Den Angaben zufolge präsentierte die Unternehmensspitze ihre Pläne kürzlich dem Gesamtbetriebsrat unabhängig von der Tarifrunde.
Cavallo drohte bei der Informationsveranstaltung in Wolfsburg vor Hunderten Mitarbeitern mit dem Abbruch der Gespräche und warf dem VW-Management vor, die Standorte in Deutschland auszuhungern. "Der Vorstand steht gegen uns", sagte sie. Er habe nicht nur Verträge aufgekündigt, sondern alles, wofür die Kultur bei Volkswagen stehe. "Und er spielt somit massiv mit dem Risiko, dass hier bald alles eskaliert. Und damit meine ich, dass wir die Gespräche abbrechen und machen, was eine Belegschaft machen muss, wenn sie um ihre Existenz fürchtet."
VW verteidigt Sparpläne
Auch die IG Metall verschärfte den Ton. "Diese Rabiatpläne des Vorstandes sind in keiner Weise hinnehmbar und ein Bruch mit allem, was wir in den letzten Jahrzehnten im Unternehmen erlebt haben", sagte IG Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. "Das ist ein tiefer Stich in das Herz der hart arbeitenden VW-Belegschaft." Die Gewerkschaft erwarte, dass statt Kahlschlagfantasien von VW am Verhandlungstisch tragfähige Zukunftskonzepte präsentiert würden.
VW selbst verteidigt seine Sparpläne erneut. "Fakt ist: Die Lage ist ernst und die Verantwortung der Verhandlungspartner ist enorm", sagte Personalvorstand Gunnar Kilian laut Mitteilung. "Ohne umfassende Maßnahmen zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit werden wir uns wesentliche Zukunftsinvestitionen nicht leisten können." Konkrete Angaben zu den genannten Plänen zu Werkschließungen, Lohnkürzungen und Stellenabbau machte Kilian nicht. "Wir halten an dem mit der Mitbestimmung vereinbarten Grundsatz fest, die Diskussion um die Zukunft der Volkswagen AG zuerst intern mit unseren Verhandlungspartnern zu führen", sagte er.
Am Mittwoch kommen der Konzern und die Gewerkschaft in Wolfsburg zu ihrer zweiten Tarifrunde zusammen. In der ersten Runde im September hatte VW die Forderungen der IG Metall nach sieben Prozent Erhöhung zurückgewiesen und stattdessen auf Einsparungen gedrängt. Laut Cavallo fordert VW eine pauschale Kürzung des Haustarifs um zehn Prozent und Nullrunden in den kommenden beiden Jahren. Die verbleibenden Mitarbeitenden müssten mit Gehaltseinbußen von bis zu 18 Prozent rechnen, erklärte der Betriebsrat. "Sollte VW am Mittwoch seinen dystopischen Weg bestätigen, muss der Vorstand mit den entsprechenden Konsequenzen unsererseits rechnen", drohte Gröger. Im September hatte VW die seit mehr als 30 Jahren geltende Beschäftigungssicherung aufgekündigt. Ab Mitte 2025 wären damit betriebsbedingte Kündigungen möglich.
Kanzler dringt auf Jobsicherung
Der Autobauer erklärte, der Vorstand habe der Mitbestimmung Lösungswege aufgezeigt, die das Unternehmen finanziell robust für die Zukunft aufstellten und damit letztlich Arbeitsplätze sicherten. Angesichts des geschrumpften Marktes könne die Schließung von Werken ohne aktives Gegensteuern nicht mehr ausgeschlossen werden. Markenvorstand Thomas Schäfer sagte, die Kosten an den deutschen Werken seien um ein Viertel bis die Hälfte höher als das, was sich das Unternehmen vorgenommen habe. "So wie bisher können wir nicht weitermachen. Wir müssen zügig eine gemeinsame und tragfähige Lösung für die Zukunft unseres Unternehmens finden." Das Unternehmen werde am Mittwoch konkrete Vorschläge zur Senkung der Arbeitskosten machen.
"Wir haben heftige Probleme. Dem müssen wir bei Volkswagen begegnen", sagte auch Cavallo. Management und Arbeitnehmer lägen nicht bei der Analyse der Probleme auseinander, aber meilenweit bei der Antwort. "Und diese Probleme sind auch ein Thema für die Politik", sagte sie. "Auch die muss mal endlich aufwachen." Es reiche nicht nur, zu sagen, man stehe auf der Seite der Belegschaft. "Wir brauchen einen umfassenden Plan aus der Politik, wie die Elektromobilität endlich zum Fliegen kommt. Und ich sage: Wir brauchen darüber hinaus auch einen Masterplan für den Industriestandort Deutschland."
Die Bundesregierung forderte VW derweil dazu auf, Jobs zu erhalten. Man müsse noch abwarten, was Volkswagen selbst dazu erklärt, sagte ein Regierungssprecher in Berlin mit Blick auf die Angaben des Betriebsrats. Die Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dazu sei aber klar - "nämlich, dass mögliche falsche Managemententscheidungen aus der Vergangenheit nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen dürfen". Es gehe darum, Arbeitsplätze zu erhalten und zu sichern.
In einer früheren Version des Textes hieß es, das VW-Werk in Osnabrück sei laut Betriebsrat besonders von einer möglichen Schließung bedroht. Tatsächlich haben weder der Gesamtbetriebsrat noch der Betriebsrat vor Ort in Osnabrück die Chancen für das Werk gewichtet.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen