Zehn Jahre nach Georgien-Krieg Was vom Kriege blieb
Zehn Jahre ist der Krieg in Georgien her. Wenig ist davon im Gedächtnis geblieben, einige Fragen sind offen. Was zum Beispiel war mit den US-Militärberatern in Tiflis und gibt es heute noch welche?
Vom Krieg 2008 in Georgien ist zehn Jahre danach wenig im öffentlichen Gedächtnis geblieben. Gemeinhin ist in Erinnerung, dass eine von der EU beauftragte Untersuchungskommission zu dem Schluss kam, der georgische Präsident Michail Saakaschwili habe den Krieg ausgelöst, indem er am Abend des 7. August 2008 den Befehl zum Angriff auf die Hauptstadt der abtrünnigen Region Südossetien gab.
Doch der Untersuchungsbericht enthält eine Vielzahl an Aussagen, darunter jene, dass die russische Armee sehr viel weiter nach Georgien vordrang und sehr viel mehr Infrastruktur zerstörte, als notwendig gewesen wäre.
Auch begann die militärische Eskalation lange vor dem 7. August, angefacht von allen Konfliktparteien in einem Machtkampf. Er wurde zwischen Volksgruppen ausgetragen und erlangte über die Jahre nicht nur eine regionale, sondern auch geopolitische Dimension, bei dem die USA als Antagonist zu Russland eine Rolle spielte.
Stimmen aus Washington
Viel ist darüber spekuliert worden, inwieweit sich Saakaschwili und seine Regierung von US-Seite darin unterstützt und motiviert fühlten, den Angriff auf Südossetien zu wagen und eine massive Reaktion Russlands zu riskieren.
Was auch immer Saakaschwili erwartet hatte, die USA griffen nicht militärisch in den fünf Tage währenden Krieg ein. Russische Truppen drangen ungehindert auf georgisches Territorium vor. In Tiflis ging die Angst um, die Hauptstadt könnte bombardiert und eingenommen werden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte in einem Telefongespräch mit der damaligen US-Außenministerin Condoleezza Rice den Rücktritt Saakaschwilis.
In seiner Not behauptete Saakaschwili am 13. August 2008, die georgischen Häfen und Flughäfen würden unter Kontrolle der USA gestellt. US-Präsident George W. Bush hatte jedoch lediglich humanitäre Hilfe angekündigt, die mit US-Schiffen und Flugzeugen nach Georgien gebracht werden sollte.
Die Führung um Bush hatte zwar einen militärischen Eingriff erwogen, wollte aber eine direkte Konfrontation mit russischen Streitkräften vermeiden. So beschworen zahlreiche Diplomaten und Mitarbeiter Bushs, sie hätten Saakaschwili vor militärischen Aktivitäten gewarnt und ihm gesagt, dass es keine US-Unterstützung geben werde. Doch es gab noch andere Stimmen aus Washington, wie die damalige Sicherheitsberaterin Fiona Hill bestätigte, ohne jedoch Details zu nennen.
Die Führung um den damaligen Präsidenten Bush hatte einen militärischen Angriff erwogen, wollte aber eine Konfrontation mit Russland vermeiden.
US-Militärunternehmen als Berater
Bekannt ist, dass Saakaschwili abseits üblicher diplomatischer Kanäle über persönliche Kontakte vor allem zu republikanischen Politikern verfügte und ihn Berater aus den USA unterstützten.
Vor Ort in Tiflis waren auch etwa 130 US-Militärberater, über die viel gemutmaßt wurde, öffentlich aber wenig bekannt war.
Das bestätigt unter anderem Gerard Toal, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Virginia Tech in den USA. Er schreibt, Saakaschwilis Regierung habe private US-Militärfirmen beschäftigt, um Szenarien für Militäroperationen gegen die beiden abtrünnigen Regionen zu entwickeln.
Darunter sei das Unternehmen Military Professional Resources Incorporated (MPRI) gewesen. MPRI hatte demnach auch am Plan für die erfolgreich durchgeführte "Operation Sturm" gearbeitet, die das kroatische Militär während des Bosnienkrieges im August 1995 gegen die Republika Srpska geführt hatte. Auch ehemalige hochrangige israelische Militärs seien als Berater tätig gewesen.
Dank an Militärdienstleister
Der Name eines weiteren US-Militärunternehmens tauchte 2008 auf: Cubic Corporation. So viel ist sicher: Cubic ist seit 2003 in Georgien aktiv. Der Militärdienstleister half bei strategischen Planungen und bei der Stärkung der Verteidigungskapazitäten. Das geht aus einer Dankesrede hervor, die der georgische Verteidigungsminister Levan Izoria für deren Programmanager William Craven hielt, als dieser sich 2017 aus Georgien verabschiedete.
Wie andere Unternehmen in dem Bereich unterhält Cubic direkt und über Lobbyisten enge Kontakte nach Washington. Auch spenden Mitarbeiter an Politiker, so im Präsidentschaftswahlkampf 2008 an den Kandidaten der Republikaner, John McCain.
McCain wiederum verbindet eine lange persönliche Bekanntschaft mit Saakaschwili. Im März 2008 besuchte der georgische Präsident Washington und sprach von einem möglichen Krieg. Da georgische Truppen die USA im Irak und in Afghanistan unterstützten, hoffte man in Tiflis auf Anerkennung und somit Unterstützung im Konflikt mit Russland. Umso größer fiel die Enttäuschung aus, als militärische Hilfe ausblieb. 2013 wurde Saakaschwili als Präsident abgewählt, auch wegen der schweren Niederlage 2008.
Stärkung der Verteidigungskapazitäten
Cubic ist weiterhin in Georgien aktiv. Der Militärdienstleister führt nach eigenen Angaben Trainingskurse für hochrangige Angehörige der georgischen Streitkräfte durch, unterstützt das Verteidigungsministerium bei der Reform der Armee und wirkt an einem Trainingszentrum außerhalb von Tiflis mit.
Diese Bemühungen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeiten Georgiens finden im Rahmen eines "NATO-Georgia Special Package" statt, das auf eine deutsche Idee zurückgeht. Jährlich findet die Militärübung "Noble Partner" mit Beteiligung von Streitkräften unter anderem aus den USA und Deutschland statt.
Insgesamt sind derzeit etwa 170 Mitarbeiter aus NATO-Staaten permanent in Georgien präsent. Dies kann als Signal an Russland verstanden werden. Denn nach wie vor hat eine rote Linie Bestand: keine direkte Konfrontation zwischen militärischen Kräften Russlands und der NATO.
Russland seinerseits nutzte die Zeit seit dem Krieg 2008, um entgegen der von der EU ausgehandelten Friedensvereinbarung die beiden abtrünnigen Regionen zu militärischen Festungen auszubauen. Von dort aus könnten russische Streitkräfte innerhalb kürzester Zeit ganz Georgien einnehmen - wenn zum Beispiel die NATO eine Aufnahme Georgiens verkünden würde.
Schon 2014 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama für die Ukraine und Georgien eine solche Perspektive für die nahe Zukunft ausgeschlossen. Auch sein Nachfolger Donald Trump oder andere NATO-Staaten ließen nichts dergleichen verlauten.
Insofern stellt sich die Frage, was der russische Ministerpräsident Dimitri Medwedjew im Sinn hatte, als er vor dem zehnten Jahrestag des Krieges vor einem "furchtbaren Konflikt" warnte, sollte die NATO Georgien aufnehmen.