Baerbock-Besuch in Rabat An Marokko führt kaum ein Weg vorbei
Energie, Migration und Tourismus: Die Beziehungen zwischen Marokko und Deutschland sind eng. Doch nicht nur beim Thema Menschenrechte bleibt das Land ein schwieriger Partner.
"Wir wollen als erstes in die Wüste, die haben wir noch nicht gesehen." Ein deutscher Camping-Tourist freut sich, als er im Hafen von Tanger von der Fähre rollt. Sein Ziel: die Wüste. Kaum ein Land hat Reisenden so viel zu bieten wie Marokko: historische Märkte, lange Strände, Sandwüste, Bergwelt und jede Menge Kultur.
Doch es ist längst nicht mehr der Tourismus, der den Austausch zwischen Deutschland und Marokko dominiert. Andreas Wenzel, Geschäftsführer der Außenhandelskammer in Casablanca, sagt, Marokko sei in nur zehn Jahren zu einem wichtigen Investitionsstandort für deutsche Unternehmen in Afrika geworden und liege heute nach Südafrika auf Rang 2.
40.000 Jobs in Marokko geschaffen
"Insbesondere die Automobilindustrie und die Elektroindustrie hat hier in Marokko investiert, nutzt die Vorteile des Standorts, um aus Marokko Märkte in Europa zu beliefern", so Wenzel. Rund 40.000 Jobs hätten deutsche Unternehmen in Marokko geschaffen.
Was Andreas Wenzel außerdem mit Zahlen belegen kann: Die diplomatische Krise hat den privatwirtschaftlichen Austausch der beiden Länder nicht abwürgen können. Im Gegenteil: Das Jahr 2021 steht für einen Rekordzuwachs im Handelsvolumen. Die Investitionen überschritten die 1,4 Milliarden Euro-Grenze. Tendenz auch in diesem Jahr: Stark steigend.
Der Grund für die Krise bleibt unklar
Doch in einem strategisch besonders wichtigen Feld habe das Zerwürfnis mit Marokko Schaden angerichtet, sagt Wenzel: "Der Aufbau einer Partnerschaft im Bereich grüner Wasserstoff ist zunächst mal eine Aufgabe beider Regierungen, hier den Rahmen zu setzen für unternehmerisches Handeln. Zumindest in dem Bereich haben wir durch die diplomatische Krise wertvolle Zeit verloren, die wir nun wieder gut machen müssen."
Über die Anlässe für die Krise wird bis heute spekuliert. In jedem Fall war Marokko verärgert darüber, dass Deutschland anders als der damalige US-Präsident Donald Trump die Westsahara nicht als marokkanisches Territorium anerkennen wollte.
Beziehungen besser als 2021
Inzwischen haben beide Seiten bekundet, man wolle Missverständnisse ausräumen. Deutschland hat den marokkanischen Vorschlag einer Teilautonomie der Westsahara als wichtigen Beitrag zu einer friedlichen Lösung bezeichnet.
Das Verhältnis sei derzeit jedenfalls viel besser als im Vorjahr, konstatiert auch die Marokko-Expertin Anja Hoffmann. Sie leitet seit der vergangenen Woche das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rabat: "Ich bin jetzt den zweiten Tag offiziell im Amt. Und ich habe das Gefühl, ich komme mitten im Tauwetter an. Es sind zwei Länder, die sicherheitspolitische, wirtschaftliche und werteorientierte Interessen aneinander haben sollten, weil sie davon nur profitieren können."
Viel Luft nach oben
Doch insbesondere in der Frage der Menschenrechte bleibt das Königreich ein problematischer Partner, dem vorgeworfen wird, Journalisten und Dissidenten unter teils absurden Anschuldigungen jahrelang wegzusperren. Auch das Thema der völkerrechtswidrig von Marokko besetzten Westsahara bleibt potenziell sensibel in den Beziehungen.
Abdeljabbar Aarach ist Professor an der Fakultät für Rechts- und Politikwissenschaften der Universität Hassan des Ersten in Settat. Aus seiner Sicht gibt es noch viel Luft nach oben, wenn es um die Qualität der deutsch-marokkanischen Beziehungen geht: "Die Beziehungen sind gut, könnten aber besser sein."
Terrorabwehr, Migration und Energie
Aarach sieht gemeinsame Interessen in den Bereichen Terrorabwehr, Migration und Energie. Vor allem vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine habe das Thema Grüner Wasserstoff aus Marokko erneut an Bedeutung gewonnen: "Dieser Stoff, Wasserstoff, kann heutzutage nicht nur die Energieabhängigkeit Marokkos begrenzen, sondern auch die Abhängigkeit Deutschlands."
Der Politikprofessor betont darüber hinaus die weiteren gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen. Er weiß, dass viele der rund 150 deutschen Firmen in Marokko ihr Gastland als Brückenkopf in weitere afrikanische Länder nutzen: "Man kann sagen, dass das Land mittlerweile eine Drehscheibe für den Handel zwischen Europa und Afrika geworden ist."
Kurz gesagt: An Marokko führt kaum ein Weg vorbei. Deutschland trägt diesem Umstand schon länger Rechnung: Mit einer speziellen Reformpartnerschaft, einem zinsverbilligten Kredit in Höhe von 250 Millionen Euro und einer Intensivierung der Zusammenarbeit - nicht zuletzt im Energiesektor.