Evakuierungen laufen weiter 72 Stunden Waffenruhe im Sudan
Im Sudan hat in der Nacht eine 72-stündige Waffenruhe begonnen. Während westliche Staaten hoffen, dass diese auch hält, evakuieren sie weiterhin Ausländer. Die Bundeswehr hat bislang etwa 500 Menschen ausgeflogen.
Im von tagelangen Kämpfen erschütterten Sudan ist um Mitternacht eine Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien in Kraft getreten. Berichte über größere Gefechte gab es in der Nacht zunächst nicht, aufgrund jüngster Erfahrungen herrschte jedoch Skepsis, ob die Feuerpause wirklich hält.
US-Außenminister Antony Blinken hatte am Montag darüber informiert, dass sich die sudanesischen Streitkräfte und die mit ihnen rivalisierenden paramilitärischen Einheiten (Rapid Support Forces, RSF) darauf geeinigt hätten, ab Mitternacht für 72 Stunden eine landesweite Waffenruhe einzuhalten.
Die RSF bestätigten die Feuerpause und kündigten die Einrichtung humanitärer Korridore an, um Zivilisten Zugang zu ärztlicher Versorgung und Schutzzonen zu ermöglichen sowie die Evakuierung ausländischer Diplomaten zu unterstützen. Bereits zuvor hatte es ähnliche Ankündigungen der Konfliktparteien gegeben, die jedoch nicht eingehalten wurden. So brachen sie mehrfach eine selbst vereinbarte Feuerpause für die Eid-al-Fitr-Feierlichkeiten zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan, die bis Montagabend gelten sollte.
Bundeswehr leitet internationale Evakuierungsflüge
Während am Montag weiterhin ausländische Staatsbürger aus dem Sudan evakuiert wurden, gab es erneut heftige Kämpfe im Land. Unter anderem flog die sudanesische Luftwaffe laut Medienberichten erneut Angriffe in der Stadt Omdurman, die an die Hauptstadt Khartum angrenzt.
Inzwischen hat Deutschland von Frankreich die Abstimmung von Evakuierungsflügen aus dem Krisenstaat übernommen. Die Bundeswehr sei nun zuständig für die Koordination der Flugbewegungen zum Aufnahmeflugplatz, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in der Nacht. Dabei geht es darum, Flugzeiten und den praktischen Betrieb auf dem Militärflugplatz bei Khartum zu regeln, der von westlichen Staaten genutzt wird.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sprach von einem "wirklich großartigen Erfolg in der Kürze der Zeit". Er sehe sich in seinem großen Vertrauen in die Truppe bestätigt. Pistorius betonte, die Bundeswehr habe auf "beispielhafte Art und Weise gezeigt, wie kaltstartfähig sie ist, wie schnell sie sich auf eine solche Situation einstellen kann". Der außerordentlich komplexe Einsatz sei ohne jede Panne, ohne jedes Problem verlaufen, "niemand ist bisher von unseren Leuten zu Schaden gekommen". Zu dem Einsatz gehören auch das Kommando Spezialkräfte und die GSG9. Die Bundeswehr nutzte zum Transport ihren Stützpunkt in Jordanien, der sonst dem Kampf gegen die Terrormiliz IS dient.
Deutsche Luftwaffe: Etwa 500 Menschen ausgeflogen
Mehrere westliche Staaten hatten am Wochenende damit begonnen, eigene Staatsbürger und Angehörige anderer Nationen aus dem Land auszufliegen. Frankreich hat seine Evakuierungsmission inzwischen praktisch abgeschlossen und insgesamt 538 Menschen aus dem Land gerettet, darunter 209 Franzosen. Wie lange die Rettungsflüge fortgesetzt werden können, hängt wesentlich von der Sicherheitslage in dem Land ab.
Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wurden bis Montagnachmittag mehr als 1000 Ausländer in Sicherheit gebracht. Der Spanier rechnete damit, dass es bis zum Ende des Tages allein mindestens 1200 bis 1500 EU-Bürger gewesen sein dürften.
Die deutsche Luftwaffe flog etwa 500 Deutsche und andere Staatsbürger mit Militärtransportern aus. Das Auswärtige Amt ging jedoch am Montag davon aus, dass noch immer Deutsche vor Ort sind. Deren Zahl sei unklar, "da wir auch einige nicht telefonisch erreichen im Moment", sagte ein Sprecher.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Außenministerin Annalena Baerbock hatten sich zuvor bereits erleichtert über den Verlauf der Mission geäußert. Es sei aber noch nicht der "Moment des Aufatmens", sagte Baerbock. Es befänden sich noch mehr Deutsche vor Ort, sagte Baerbock. Man arbeite mit Hochdruck daran, sie zu erreichen.
USA arbeiten auf dauerhaftes Ende der Kämpfe hin
Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, sagte dem Fernsehsender CNN, man habe seit Beginn der Kämpfe im Sudan in engem Kontakt mit den Anführern beider Lager gestanden, um sie zu einem stabilen Waffenstillstand zu bewegen. Nun gelte es, die Einhaltung der neuerlichen Feuerpause so gut wie möglich zu überwachen.
Blinken betonte, um auf ein dauerhaftes Ende der Kämpfe hinzuarbeiten, wollten sich die USA mit regionalen und internationalen Partnern sowie sudanesischen Akteuren abstimmen. Es solle ein Ausschuss eingerichtet werden, der Verhandlungen über ein Ende der Gefechte und die Umsetzung der Ergebnisse überwachen solle.
Auch der UN-Sicherheitsrat will in einer Dringlichkeitssitzung erneut über die Lage im Sudan beraten - Diplomatenkreisen zufolge wahrscheinlich in öffentlicher Runde am Dienstagabend gegen 21:00 Uhr (MESZ).
Wird Khartum noch mehr zum Schlachtfeld?
Auch die Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum, Christine Röhrs, wurde aus dem Sudan in Sicherheit gebracht. Im Interview mit den ARD-tagesthemen berichtet sie von der Sorge, "dass wenn die Internationalen weg sind, auch ein Korrektiv fehlt. Dass die Generäle, die sich jetzt unbeobachtet fühlen, die Stadt noch mehr zum Schlachtfeld machen".
Chancen auf Verhandlungen würden sicher steigen, sobald sich herausstellen würde, dass der eine dem anderen klar über- oder unterlegen ist, schätzt Röhrs die Situation ein. Bislang sei das aber nicht zu sehen. "Solange beide immer noch eine Chance sehen, den Erzfeind auszulöschen, kann es eher noch eskalieren."
Am ehesten dürften regionale Mächte als Anrainer eine Chance haben, Einfluss zu nehmen. "Viele haben ein großes Interesse daran, dass der Konflikt nicht noch überläuft in die Nachbarländer", so Röhrs. Ein Weg sei ihrer Meinung nach, dass eines dieser Länder die Initiative ergreift und die beiden Kontrahenten auf neutralem Boden zusammenbringt.
Israel bietet sich als Vermittler an
Am Montagabend brachte sich Israel als Vermittler in dem Konflikt ins Spiel. Das israelische Außenministerium bot laut einem Sprecher an, in Israel Verhandlungen auszurichten, um die Gewalt zu beenden. Es gebe Kontakt zu hochrangigen Vertretern beider Seiten im Sudan. Israel arbeitet seit Jahren an einer Normalisierung seiner Beziehungen mit dem afrikanischen Land.
Der UN-Sonderbeauftragte im Sudan, Volker Perthes, will weiterhin im Land bleiben und dort arbeiten: "Wir sind entschlossen, im Sudan zu bleiben und das sudanesische Volk in jeder erdenklichen Weise zu unterstützen", sagte er. Die Lage für die Sudanesen bleibt jedoch brenzlig: Laut dem UN-Nothilfebüro sind bereits Zehntausende in die Nachbarländer Tschad, Ägypten und in den Südsudan geflohen. Da die Lage im Land weiterhin höchst instabil ist, werden aber wohl noch mehr Menschen versuchen, sich in Sicherheit zu bringen.