Eine Frau geht zwischen Kakaobäumen auf einer Plantage hindurch.
Weltspiegel

Kakaoanbau Ausbeutung - dokumentiert heißt nicht beseitigt

Stand: 20.03.2022 09:11 Uhr

Kakaobauern an der Elfenbeinküste messen ihre Plantagen aus - so will es das Lieferkettengesetz. Kritiker warnen: Das bringt mehr Transparenz, aber Ausbeutung und Mängel im Anbau werden dadurch nicht beseitigt.

Mathieu Tadjo und sein Team sind extra aus der Stadt angereist: Sie wollen heute bei Bauer Adama Ouadraogo die Plantage vermessen. Das GPS-Gerät in der Hand laufen sie zwischen den Kakaobäumen und nehmen Messpunkte. Sie arbeiten an dem, was bald schon wichtig wird, damit die Bauern ihren Kakao noch an die großen Schokoladen-Hersteller in Deutschland verkaufen dürfen: Transparenz, um geerntete Kakaobohnen genau zuordnen zu können.  

Ouadraogo profitiert auch direkt von der Vermessung. Er erfährt zum ersten Mal in seinem Leben, wie groß seine Plantage ist. Sie messen zwei Hektar. "Vorher wussten wir nicht, ob es zwei oder drei Hektar sind", erklärt der Bauer. "Jetzt kann ich den Anbau besser steuern." Und so gezielter Dünger oder auch Pestizide für seine Plantage kaufen.  

Kakao-Anbau an der Elfenbeinküste

Caroline Hofmann, ARD Nairobi, Weltspiegel

Lücken im Lieferkettengesetz

Wo die Kakao-Plantagen genau liegen, das lässt sich mit Hilfe solcher Daten dokumentieren - und Unternehmen, die die Bohnen kaufen, können überprüfen lassen, unter welchen Bedingungen geerntet wird. Das schreibt ab 2023 auch das deutsche Lieferkettengesetz vor. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer eigenen Variante.

Dann müssen die großen Schokoladenhersteller in Deutschland Verantwortung für den Anbau in der Elfenbeinküste übernehmen - für alle ihre Zulieferer, aber nur unter bestimmten Bedingungen, kritisiert Friedel Hütz-Adams von Südwind e.V. Er analysiert den Kakao-Markt seit zwölf Jahren. "Das Gesetz ist ein erster wichtiger Schritt", sagt er.

Kakaobohnen liegen zum Trocknen aus.

Schon bei der Kakaobohnenernte müssen oft Kinder helfen - und auch in der weiteren Produktionskette sind sie beteiligt.

Aber: "Es ist meiner Ansicht nach ein großer Fehler der Bundesregierung gewesen, zu sagen: Man muss nur in Lieferketten aktiv werden, wo man wirklich substanzielle Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen hat. Nun ist es im Kakaosektor aber so, dass jeder seit 20 Jahren weiß, dass in der gesamten Kette diese Menschenrechtsverletzungen stattfinden - wie beispielsweise Kinderarbeit, Unterernährung oder Ausbeutung von Beschäftigten."

Hinzu kommt: Das Gesetz gilt nur für Unternehmen ab 3000 Beschäftigten, ein Jahr später dann ab 1000 Beschäftigten.

Vom Luxusprodukt zur Ramschware

Mehr als zwei Millionen Kleinbauern und ihre Familien produzieren den überwiegenden Teil des Kakaos in Westafrika, Groß-Plantagen gibt es nur wenige. Von ihrem Kakao landet am Ende viel in Deutschland, rund 450.000 Tonnen Kakao werden im Jahr importiert. Die Bauern kämpfen vor allem mit den niedrigen Weltmarktpreisen, die für ihre Ernte gezahlt werden. "Früher war Schokolade ein Luxusprodukt", sagt Friedel Hütz-Adams. "Heute ist es eine Ramschware, wo man die Markenschokolade an Weihnachten für unter 70 Cent im Sonderangebot auf den Markt wirft."  

Weil die Preise für Schokolade niedrig sind, darf auch der Rohstoff nur wenig kosten. Der Kakao-Experte sieht im Preis die Wurzel allen Übels: "Wenn sie Menschenrechtsverletzungen auf Kakao-Plantagen finden, müssen Sie feststellen, woran das liegt. Und wenn Sie dann, was sehr wahrscheinlich ist, feststellen, dass das daran liegt, dass die Familien zu wenig verdienen - dann müssen Sie endlich existenzsichernde Preise für den Kakao zahlen." 

Zu großen Säcken gebündelt werden Kakaobohnen mit einem Auto transportiert.

In großen Säcken werden die Kakaobohnen transportiert - allein 450.000 Tonnen landen jährlich in Deutschland.

Kinderarbeit beim Kakaoanbau

Weil das Einkommen sonst nicht reicht, unterstützen in vielen Familien die Kinder bei der Ernte. Dabei kommt es auch zu schwerwiegender Kinderarbeit - das heißt, die Kinder arbeiten mit Pestiziden oder der Machete, tragen schwere Sachen oder können aufgrund der Arbeit nicht zur Schule gehen. Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie der Universität Chicago sind in der Elfenbeinküste und in Ghana mehr als 1,5 Millionen Kinder davon betroffen.  

Deshalb gibt es eine Sondereinheit der Polizei im Land, die immer wieder Razzien durchführt und dabei oft kleine Kinder findet, die ihren Eltern helfen. Die Kinder werden dann häufig erst einmal mitgenommen, die Eltern müssen sich erklären. Ein Schock für die ganze Familie, denn sie haben oft keine Wahl: Ihnen fehlt das Geld, Helfer oder die Schule zu bezahlen. Eine Berechnung aus dem Jahr 2020 ergab, dass Bauern etwa das Doppelte verdienen müssten, um vom Kakao wirklich leben zu können.

Die Armut - sie ist der große Treiber der Probleme beim Kakaoanbau. Hier leistet das deutsche Lieferkettengesetz keine Hilfe.

Diese und weitere Beiträgen sehen Sie am Sonntag, 30.01.2022 um 18.30 Uhr im "Weltspiegel".

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die ARD-Sendung "Weltspiegel" am 20. März 2022 um 18:35 Uhr.