Demonstranten fliehen vor der Polizei während eines Protestes in Nairobi (Kenia).

Massenproteste in Kenia Kenias Generation Z begehrt auf

Stand: 24.06.2024 16:05 Uhr

Es sind unruhige Tage in Kenia: Junge Erwachsene ziehen im ganzen Land gegen Präsident Ruto und seine Wirtschaftspolitik auf die Straßen. Erste Erfolge gibt es schon. Doch die Proteste gehen weiter.

Von Thilko Gläßgen, ARD Nairobi

"Ruto muss gehen", rufen die mehrheitlich jungen Demonstrierenden in Nairobis Innenstadt. Der 2022 gewählte Präsident ist insbesondere bei jungen Kenianerinnen und Kenianern unbeliebt.

Kaum jemand ist hier auf den Demonstrationen über 30 Jahre alt, ein Großteil ist weiblich, denn Frauen fühlen sich von den Steuerplänen des kenianischen Präsidenten William Ruto besonders überrumpelt.

Demonstrantin Ashley Natasha erklärt: "Ich bin hierhergekommen, weil die Regierung die Steuern auf Binden erhöhen will und das, obwohl sich jetzt schon viele keine leisten können." Sie sei aus Solidarität mit allen Frauen und Kindern hier, sagt die 24-Jährige.

Höhere Steuern auf ausländische Produkte

Zuvor hatte Kenias Regierung angekündigt, Produkte, die aus dem Ausland importiert werden, stärker zu besteuern. Sogar auf Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch und Mehl könnte nun Mehrwertsteuer fällig werden. Dazu kommt eine Erhöhung der Einkommenssteuer sowie mehr Sozialabgaben. Insgesamt hofft die Regierung auf rund 2,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen.

Etwa 80 Prozent der Kenianerinnen und Kenianer sind 35 Jahre alt oder jünger, viele von ihnen sind bei den Protesten dabei. Die Generation Z fordert Rutos Rücktritt und die komplette Rücknahme seiner - wie sie sagen - zerstörerischen Steuerpläne.

Vor allem die Jungen protestieren

Erstmals in der Geschichte Kenias sind es vor allem junge Menschen, die im ganzen Land auf die Straße gehen. Selbst in der Küstenmetropole Mombasa und in den touristischen Gebieten geht die Jugend auf die Barrikaden.

Verabredet hätten sie sich vor allem über soziale Medien wie X, vormals Twitter, oder Tiktok, erklärt eine weitere Demonstrantin, Ziporrah Akinyi: "Die sozialen Medien helfen uns, mit allen in Kenia und der Welt zu sprechen. So können sie uns unterstützen, und das nützt uns natürlich sehr."

Hartes Vorgehen der Polizei

Die Generation Smartphone demonstriert gegen die, die sich nur noch mit Tränengas zu helfen wissen. Denn obwohl die Protestlerinnen und Protestler friedlich sind - untermauert durch ihren Slogan "we are peaceful", geht die Polizei hart gegen sie vor. Immer wieder werden sie durch die Stadt gejagt, es ist ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei.

Dutzende Tränengaskartuschen schießen die Polizisten auf die Menge. Hinter vorgehaltener Hand erzählt ein Polizist, es gehe darum, den Demonstrierenden Angst zu machen - durch mit Chemikalien spritzende Wasserwerfer und durch Tränengas, aber auch durch Verhaftungen. Mindestens ein Demonstrant stirbt durch Schüsse, Hunderte werden verletzt und inhaftiert.

Forderung nach Gegenleistung für Steuern

Noch vor zwei Jahren stand Ruto für Aufbruch. International genießt er nach wie vor viel Anerkennung, doch innenpolitisch gerät er immer stärker unter Druck. Das Aufbegehren der Jugend steht stellvertretend dafür, dass sein Rückhalt merklich schwindet.

Die neuen Steuern haben sogar viele von Rutos einstigen Wählerinnen und Wählern verärgert. Durch die hohe Inflation in dem ostafrikanischen Land ist die ohnehin kleine Mittelschicht nochmals geschrumpft. Viele leben in Kenia nach wie vor in Armut. Trotzdem reist Ruto im teuren Privatjet zum Staatsbesuch in die USA, lädt einen ultrakonservativen Priester auf Staatskosten zum Beten nach Kenia ein oder zeigt sich bei Terminen mit 60.000-Euro-Armbanduhr.

Das sei ein Unding, findet Demonstrantin Akinyi: "Wir haben das Gefühl, dass uns die Regierung nicht zuhört. Wir haben sie gewählt, damit sie für unsere Bedürfnisse arbeiten, aber jetzt unterdrücken sie uns." Viele bemängeln auch die große Korruption in Kenia, sie wollen mehr Transparenz. Steuern zu zahlen sei ja prinzipiell in Ordnung, aber es müsse eine Gegenleistung gebe. Ein Demonstrant hält ein Schild hoch: "Warum Steuern in der Region Samburu zahlen? Wir haben seit der Unabhängigkeit erst 45 Kilometer geteerte Straßen bekommen."

Die Demonstrationen hinterlassen auch bei der Regierung Wirkung, denn einen Schritt geht sie auf die Bürgerinnen und Bürger zu. Neue Steuern auf Brot und Speiseöl soll es zunächst nicht geben. Und doch will Kenias Jugend weitermachen. Mit einer Protestwoche der Wut wollen sie das ganze Land zum Erliegen bringen. Aktionen soll es dann überall geben, in Diskotheken, Kirchen und Moscheen.

Thilko Gläßgen, ARD Nairobi, tagesschau, 24.06.2024 13:51 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Juni 2024 um 05:47 Uhr.