Libyen-Konferenz Schwieriges Ringen um innere Einheit
Libyens Übergangsregierung steht vor der schwierigen Aufgabe, rivalisierende Kräfte im Westen und Osten zu einen. Sie nimmt erstmals an der Konferenz in Berlin teil, bei der es auch um den Abzug ausländischer Kräfte geht.
Abdelhamid Dbeibah, der Ministerpräsident der libyschen Übergangsregierung, streift sein Jackett ab, klettert auf einen Bagger, der dann eine Straßensperre zur Seite schiebt. Mit diesem symbolischen Akt sollte am vergangenen Sonntag die Küstenstraße zwischen den Hafenstädten Misrata und Sirte endlich wieder freigegeben werden - ein symbolischer Schritt zur Wiedervereinigung des Landes.
Es gebe nur ein einziges Ziel, und das laute: "Libyen, Libyen, Libyen!", sagte Dbeibah in einer kurzen Rede. Man müsse Sicherheit und Stabilität schaffen. So Gott will, treffe man sich in Sirte.
Doch aus dem Treffen in Sirte wurde bislang nichts. Am Dienstag hieß es, die Küstenstraße, die den Westen mit dem Osten des Landes verbindet, werde frühestens in zehn Tagen offen sein. Die Milizen des Warlords Khalifa Haftar wollten die Straße nicht freigeben.
Ein Bagger räumt symbolisch die Straße nach Sirte frei (Bild vom 20.06.2021).
"Alle Kräfte müssen Wille zur Einheit zeigen"
Haftar, der den Osten des Landes kontrolliert, war es vor gut anderthalb Jahren fast gelungen, die Hauptstadt Tripolis im libyschen Westen zu erobern. Dort residierte damals die international anerkannte Regierung. Mit türkischer Militärhilfe konnte sie Haftars Offensive im Mai 2020 jedoch abwehren.
Seitdem herrscht eine Art Gleichgewicht der Kräfte, das im Oktober 2020 zu einem von den UN vermittelten Waffenstillstand führte. Es wird kaum noch gekämpft. Vier Monate später entstand die neue libysche Übergangsregierung unter Dbeibah. Sie soll für freie, nationale Wahlen im Dezember sorgen. Es ist der Versuch, das Land nach Jahren des Krieges endlich wieder zu einen.
An der Libyen-Konferenz in Berlin nimmt auch die libysche Regierung teil. Früher habe ihr Land bei solchen internationalen Treffen gefehlt, sagte jüngst Außenministerin Najla al-Mangoush und betonte, dass alle libyschen Kräfte den Willen zur Einheit und zu einer nationalen Zukunftsvision zeigen müssten.
Gefahr wiederaufflammender Kämpfe bleibt
Ob das geschieht, bleibt offen. In Haftars Blockade der Küstenstraße sehen Beobachter eine Machtdemonstration des Warlords, der sich dem politischen Prozess offenbar nicht so einfach unterordnen wolle.
Eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur Einheit im Land sind die ausländischen Kriegsmächte in Libyen. Im Osten wird Haftar von Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten unterstützt. Den bewaffneten Kräften im Westen steht immer noch die Türkei mit Militärhilfe zur Seite. Außenministerin al-Mangoush sieht darin ein Hauptproblem: Ihr Land werde Mächten, die die Region destabilisieren wollten, keinen Rückzugsraum mehr bieten. Der Boden und der Luftraum Libyens würden keinem Land außer dem libyschen Staat zur Verfügung stehen.
Aber Libyen wird von unzähligen Milizen, Stammesverbänden und anderen Akteuren beherrscht. Niemand weiß, ob sie wirklich auf ihre jeweiligen ausländischen Schutzmächte verzichten werden - zumal diese in Libyen ja vor allem auch ihre eigenen Interessen vertreten. In den kommenden sechs Monaten bis zu den Wahlen besteht also weiterhin die Gefahr, dass die Kämpfe wieder aufflammen.