Nach gescheitertem Staatsstreich Der Machtkampf in Libyen ist nur vertagt
Der Staatsstreich in Libyen ist gescheitert, aber der Kampf um die Macht nur vertagt. Internationalen Druck müssen die Kontrahenten nicht fürchten - und das hängt auch mit dem Ukraine-Krieg zusammen.
Am Ende war es nichts anderes als ein gescheiterter Staatsstreich: Der Politiker Fatih al-Baschagha reiste über Nacht aus dem Osten Libyens in den Westen, in die Hauptstadt Tripolis. Mit Unterstützung einer mächtigen Miliz, der "Achten Brigade", wollte er vergangene Woche den international anerkannten Regierungschef Abdul Hamid Dbeibah ablösen.
Vorausgegangen waren nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi, 2011, chaotische Zeiten. Unter anderem kam es zu einem Bürgerkrieg, in dem General Khalifa Haftar 2019 zum Sturm auf Tripolis blies: Der Warlord wollte unter anderem mit Hilfe der Vereinigten Arabischen Emirate, Ägyptens und Söldnern der russischen "Gruppe Wagner" die Hauptstadt einnehmen und den damaligen Regierungschef Fayez al-Sarradsch entmachten.
Ein Jahr danach musste Haftar seinen Plan aufgeben, auch weil die Türkei der damaligen international anerkannten libyschen Regierung mit Söldnern und Waffen zur Seite gesprungen war. Kurze Zeit später vereinbarten die Konfliktparteien einen dauerhaften Waffenstillstand, und vor etwas mehr als einem Jahr wurde Abdul Hamid Dbeibah von einem UN-Gremium zum Interimsregierungschef ernannt.
Seine Amtszeit war begrenzt: Er sollte die Macht nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die für den vergangenen 24. Dezember angesetzt wurden, abgeben.
Sein Griff nach der Macht endete schnell - aber Baschaghas Ambitionen dürften sich nicht erledigt haben.
Gezerre um Wahlen und mehr
Aber die Wahlen wurden auf einen nicht genannten Termin verschoben. Aus mehreren Gründen: Unter anderem hatten sich umstrittene Kandidaten präsentiert; eine dauerhafte Verfassung, die die Beziehung zwischen Parlament und Präsident festlegt, fehlt; und verschiedene Fraktionen hatten sich geweigert, zu erklären, dass sie die Wahlergebnisse anerkennen würden.
Nach ihrer Verschiebung erklärte Dbeibah mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, im Amt zu bleiben, bis eines Tages tatsächlich Wahlen stattgefunden haben. Dbeibahs Kritiker hielten dagegen: Sie sagten, dass er sein Regierungsmandat verloren habe, weil die Abstimmungen nicht fristgerecht abgehalten wurden.
Um ihrer Haltung gegen Dbeibah Nachdruck zu verleihen, ernannte das Parlament im Osten Libyens in diesem Frühjahr Fatih al-Baschagha zum neuen Regierungschef. Seither hat Libyen zwei Premiers. Und beide behaupten von sich, die Politik ihres Landes zu bestimmen, womit sie sie letztlich blockieren.
Ein gescheiterter Vorstoß
Vergangene Woche erklärte Baschaghas Pressedienst dann, er und seine Gefolgsleute seien nach Tripolis gekommen, um in der Hauptstadt formal ihre Regierungsgeschäfte aufzunehmen. Baschagha selbst sagte in einer Video-Botschaft, er sei "friedlich und sicher" in Tripolis eingetroffen; der Empfang sei "ausgesprochen gut" gewesen.
Doch die Gefechte, die nach Baschaghas Ankunft in Tripolis begannen, zeugen von Überheblichkeit. Immerhin war Baschagha klug genug, sich nach ein paar Stunden wieder zurückzuziehen. Er ließ erklären, "die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten" - und seine Regierung in der Stadt Sirte aufbauen zu wollen. Aber sobald sichergestellt sei, dass es kein Blutvergießen gebe, wolle er in die "entführte Stadt" Tripolis zurückzukehren.
Ungewisse Loyalitäten
Baschagha hatte offenbar das Ausmaß der militärischen Opposition falsch vorhergesehen: Er muss vermutet haben, dass seinem Kontrahenten Dbeibah weniger Milizen zur Seite stehen würden. Wenngleich unklar ist, wie viele der Bewaffneten tatsächlich für Dbeibah sind.
Viele sind möglicherweise vor allem gegen Baschagha. Denn hinter dem steht General Khalifa Haftar, zu dem es nicht passen würde, dass er seine Machtansprüche begraben hat, und der Baschagha eventuell als "Steigbügelhalter" für sich nutzen will.
Gestärkt - aber wie sehr?
Wie auch immer, Bashaghas Rückzug lässt ihn geschwächt dastehen. Interimsregierungschef Dbeibah geht gestärkt aus dem Zwischenfall hervor. Das heißt, dass die politische Blockade vielleicht aufbricht.
Allerdings wurden in Ägypten gerade erst Verhandlungen um die libysche Verfassung, die das Verhältnis von Präsidentschaft und Parlament festschreiben soll, unverrichteter Dinge vertagt. Im kommenden Monat sollen sie weitergehen.
Hat der Machtkampf seine Position gestärkt? Präsident Dbeibah muss damit rechnen, dass seine Kontrahenten einen erneuten Versuch starten, ihn zu stürzen.
Auch die UN tritt auf der Stelle
Helfen kann da nur Druck von außen. Aber der UN-Sicherheitsrat schafft es nicht einmal mehr, einen neuen UN-Sondergesandten für Libyen zu bestimmen, nachdem Jan Kubis den Posten verlassen hatte. Russland lehnte im Januar einen Kandidaten ab.
Seither versucht Stephanie Williams, die UN-Generalsekretär Antonio Guterres als seine "Sonderberaterin in Libyen-Fragen" eingesetzt hat, den Job zu füllen. Dabei müsste die Weltgemeinschaft jetzt handeln. Aber sie ist mit der Ukraine beschäftigt. Konflikte wie der in Libyen, werden darüber leicht hintangestellt.