Landwirtschaftsreform in der EU Zähes Feilschen um die Milliarden
In der EU-Landwirtschaftspolitik steht eine große Reform an und die EU-Agrarminister beraten derzeit im polnischen Breslau über die Vorschläge der EU-Kommission. Im Grundsatz finden es alle fair und richtig, dass die Mittel künftig gerechter verteilt werden und die Landwirtschaft "grüner", also umweltfreundlicher, werden soll. Aber bei den Details hagelt es Kritik - auch weil es um viel Geld geht: Im vergangenen Jahr bekamen die europäischen Bauern fast 60 Milliarden Euro aus dem EU-Topf.
Von Birgit Schmeitzner, BR-Hörfunkstudio Brüssel, zzt. Breslau
Es sind die Anfänge einer Diskussion, die sich wohl über viele Monate hinziehen wird und noch ist die Stimmung locker: informeller Meinungsaustausch der Minister in Breslau mit polnischen Speisen, Folklore und europäischer Hymne.
Doch der entspannte äußere Eindruck täuscht. Es werden schon die ersten Pflöcke eingerammt, rote Linien gezogen, die EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos auf keinen Fall überschreiten soll. Zum Beispiel wenn es darum geht, die Milliarden aus dem EU-Topf neu zu verteilen, die bisherige Benachteiligung der östlichen, der neu hinzugekommenen Länder auszumerzen.
Die Agrar-Hilfe für die einzelnen EU-Staaten soll künftig gerechter verteilt werden. Hier: Maisernte bei Tarmstedt (Kreis Rotenburg-Wümme)
Da müssen Deutschland, Frankreich, die Niederlande etwas abgeben - und so sagt der holländische Landwirtschaftsminister Henk Bleker, es müsse fair zugehen: "Es gehe schon in Ordnung, dass zum Beispiel die polnischen Bauern mehr bekommen, aber nur, wenn die Abzüge bei den Ländern im Norden und Westen der EU ausgewogen sind."
Viel Kritik am geplanten "Greening"
Bleker lässt erkennen, dass er die Pläne von Kommissar Ciolos eher als Reförmchen denn als großen Wurf ansieht. Ein Kritikpunkt, und zwar bei vielen EU-Staaten, betrifft das "Greening", das die Agrarpolitik ökologischer machen soll. Der polnische Agrarminister Marek Sawicki sieht auf die Bauern mehr Bürokratie zukommen und sagt: "Wir würden das 'Greening' in Europa schneller bekommen, wenn man die Bauern motiviert und nicht wenn man sie zu etwas zwingt."
EU-Kommissar Ciolos stellt sich das "Greening" so vor: Etwa ein Drittel der direkten Zahlungen an die Bauern soll davon abhängig werden, ob diese etwas für die Umwelt tun. Ein Systemwechsel: Solche an Leistungen gekoppelten Zahlungen gab es bisher aus einem anderen Topf, der so genannten zweiten Säule.
Deutschland stört Bürokratieaufwand
Deutschland war anfangs komplett gegen diese Idee der Umweltauflagen, inzwischen heißt es: Ja, aber. Eine Haltung, die zunächst von Robert Kloos, dem Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium beim Treffen in Breslau vertreten wurde.
Ressortchefin Ilse Aigner stieß erst spät am Abend dazu. Kloos sagte: "'Greening' ja, man kann über viele Maßnahmen reden, aber wir haben immer gesagt: Es muss auch umsetzbar und einfach sein." Und das, so Kloos weiter, sei mit den Kommissionsplänen nicht zu erwarten, da werde es eher in Richtung mehr Verwaltungsaufwand gehen.
Genau wie beim Thema "Capping" - dem Vorschlag, die Höhe der Direktzahlungen zu deckeln - wohl bei 300.000 Euro, nach Abzug der Lohnkosten. Das würde Großbetriebe treffen, wie sie etwa in Ostdeutschland weit verbreitet sind, wobei die Kommission vorschlägt, den Faktor Arbeit einzubeziehen. Wer mehr Mitarbeiter hat, also Stellen schafft, hätte damit bessere Karten. Zu kompliziert sagt Staatssekretär Kloos: "Da bleibt unsere Position, dass wir es für überzogen und bürokratisch halten, die einzelnen Einkommen und Arbeitskräfte in den Betrieben zu hinterfragen. Dafür wird ein riesiger Verwaltungsapparat nötig sein und deswegen lehnen wir das ab."
Es zeichnen sich also zähe Verhandlungen ab. Umso mehr, weil nach der EU-Reform von Lissabon neben Kommission und den 27 Mitgliedstaaten neuerdings noch jemand mitentscheidet: das Europaparlament.