Bericht zu Stresstests EU-Kommission schweigt zu angeblichen AKW-Mängeln
Fast alle europäischen Atommeiler weisen Sicherheitsmängel auf und müssen nachgerüstet werden. Das ist laut einem Bericht der "Welt" das beunruhigende Ergebnis von sogenannten Stresstests in den 145 Kraftwerken in der EU. Schlechte Noten gibt es laut der Zeitung auch für viele deutsche AKW.
Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel
Kein Dementi, keine Bestätigung - EU-Kommissar Günter Oettinger reagierte auf einen Bericht der Tageszeitung "Die Welt" nur schriftlich: Die Situation in Europa sei zufriedenstellend, aber es gebe keinen Raum für Selbstzufriedenheit. Was das genau heißt, ließ die Kommission heute offen. Die Sprecherin Marlene Holzner erklärte: "Ich kann noch keine Details des Berichts mitteilen, der Bericht wird noch diskutiert. Was ich sagen kann: Wir werden klare Empfehlungen aussprechen und dann müssen die Mitgliedsstaaten diese Empfehlungen umsetzen.
Mitte Oktober sollen die Staats- und Regierungschefs den Bericht vorliegen haben. Dann treffen sie zu einem Gipfel zusammen und sollen über Maßnahmen beraten. Die Kommission kann den Mitgliedsländern keine Sicherheitsbestimmungen vorschreiben. Die Brüsseler Behörde sagte die Veröffentlichung des Berichts für diesen Mittwoch ab. Der Bericht sei noch nicht fertig.
Mängel in fast allen AKW?
Die "Welt" hatte berichtet, dass der Bericht für nahezu alle Kraftwerke in Europa Mängel auflistet. Es gebe hunderte technische Verbesserungsmaßnahmen. Praktisch alle Anlagen müssten Maßnahmen ergreifen. Bei den deutschen Kraftwerken kritisierten die Prüfer die Erdbeben-Warnsysteme. In Belgien fuhr der Betreiber die Reaktoren herunter, weil Behälter Risse aufweisen. Vor allem die Mängelliste für die französischen Kraftwerke fällt offenbar lang aus.
Die Prüfer haben für die Stresstests der 145 AKW die nationalen Berichte gelesen und ausgewertet. Außerdem besuchten die Kontrolleure zahlreiche Kraftwerke. Die europäische Aufsicht setzt sich aus Vertretern der nationalen Überwacher zusammen.
Umweltschutzgruppen sehen noch weitere Sicherheitsprobleme
Umweltschutzorganisationen kritisieren bereits seit Monaten, dass der Stresstest Lücken aufweist, so auch Jack Hunter von Greenpeace: "Der Test hat einige wichtige Punkte ausgelassen, zum Beispiel Evakuierungspläne: Es gibt Kraftwerke, die sind zehn Kilometer von einer Stadt entfernt, zum Beispiel von Antwerpen. Und die Prüfer haben die Verkettung von Naturkatastrophen, die ja in Fukushima das Problem war, ausgelassen." In Fukushima folgte dem schweren Erdebeben eine Flut.
Unklar ist auch, wie die Kontrolleure prüfen, ob Kraftwerke gegen Flugzeugabstürze und Terrorangriffe gesichert sind. In der Vergangenheit hatte Oettinger immer wieder betont, es gehe nicht darum, den Kraftwerken ein Sicherheitssiegel auszustellen. Und Oettinger betonte auch: "Wenn also von wenigen Mitgliedsstaaten oder einigen Abgeordneten die Erwartung genährt wird, der Stresstest muss automatisch zum Ausstieg führen, dann muss klar sein, dies ist auf der Tagesordnung der deutschen Politik, aber nicht mein Auftrag."
Spannend wird nun sein, wie die Mitgliedsstaaten nun den Bericht auffassen und welche Konsequenzen sie daraus ziehen.