Fracking in Argentinien "Die Welt mit Flüssiggas versorgen"
In der weltweiten Energiekrise bringt Argentinien seine Schiefergasvorkommen ins Spiel. Doch die Bewohner der Region klagen über die Folgen des Frackings. Und es gibt ein Problem mit der Infrastruktur.
Früher sei das hier ein ruhiger, abgelegener und friedlicher Fleck gewesen, sagt Andrés Duran, doch damit sei es vorbei. Die Erde bebt, das Wasser sei verschmutzt, Maschinenlärm den ganzen Tag.
Duran steuert sein Auto durch die karge Steppe Patagoniens in sein Dorf Sauzal Bonito. Es liegt nur wenige Kilometer entfernt von Vaca Muerta, so heißen die größten Schiefergaslagerstätten Argentiniens.
Es sind die zweitgrößten Vorkommen der Welt. Gefördert wird per Fracking. Seitdem haben die Häuser in Sauzal Bonito tiefe Risse bekommen.
Öl und Gas aus Vaca Muerta werden auch mit der Fracking-Methode gefördert. Die Anwohner fühlen sich mit den Folgen allein gelassen.
Risse in Hausmauern
Bei Vicente Zenon Zapata zieht er sich über die gesamte Fassade. Längst hätte Experten untersuchen müssen, ob sein Haus abgerissen werden muss oder es eine andere Lösung gibt, beklagt sich der Kleinbauer.
Grund sind Erdbeben, die zuletzt immer öfter auftreten. Und, wenn es nach der Regierung im Tausend Kilometer weit entfernten Buenos Aires geht, soll die Förderung nun, aufgrund des Ukraine-Krieges, noch intensiviert werden.
Bei seinem Besuch beim deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz im Mai brachte Präsident Alberto Fernandez sein Land als alternativen Gas-Lieferanten ins Spiel. Argentinien habe viel von dem zu bieten, was die Welt in der neuen globalen Situation braucht, sagte Fernandez damals: "Wir sind große Lebensmittel- und Energieerzeuger, wir haben die zweitgrößten Schiefergasvorkommen der Welt. Wir wollen sie nutzen, um die Welt mit Flüssiggas zu versorgen."
Devisen dringend benötigt
Für Argentinien wiederum, das sich seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise befindet, würde das dringend benötigte Devisen ins Land bringen - eine Win-Win-Situation, wenn es da nicht ein grundlegendes Problem gäbe.
Alejandro Rebossio, Wirtschaftsjournalist und Autor eines Buches über Vaca Muerta, sagt, Argentinien könnte seine Förderung innerhalb von fünf Jahren verdoppeln. Aber es fehle die Infrastruktur, um das Gas und Rohöl zu transportieren.
Erst einmal seien also millionenschwere Investitionen in Pipelines erforderlich, um das Gas zu Häfen zu bringen und dort dann in Anlagen, die daraus Flüssiggas herstellen. "Wenn Präsident Fernandez sagt, Argentinien hat viel zu geben, meint er: Wir haben das Gas, wir brauchen eure Investitionen, um es auch exportieren zu können."
Ökologie vorerst nachrangig
Denn bisher muss das Krisenland Argentinien, zumindest im Winter, selbst teuer Gas importieren, um den Eigenbedarf zu decken. Dass die Förderung in Vaca Muerta weiter ausgebaut werden soll, gilt daher als politischer Konsens - quer durchs politische Spektrum. Wenn es auch unterschiedliche Ansichten darüber gibt, ob das mit mehr oder weniger Beteiligung des argentinischen Staates geschehen soll.
Die ökologischen Folgen spielen in der Diskussion kaum eine Rolle, beobachtet Rebossio. Wer direkt neben einer Förderanlage lebt, sei natürlich dagegen, "aber das ist eine Minderheit. Die Mehrheit will sich heiß duschen können".
Argentiniens Päräsident Fernandez will massiv in die Öl- und Gasförderung investieren. Davon würde auch sein Land profitieren.
Südamerika stärker im Fokus
Grundsätzlich dürfte Südamerika wegen des Kriegs gegen die Ukraine bei der Energieversorgung für Europa stärker in den Fokus rücken, glaubt auch Rodrigo Leão vom brasilianischen Öl- und Gas-Institut Instituto de Estudos Estrategicos de Petrolio e Gas.
Die Öl- und Gasbranche schaue jetzt vermehrt nach Südamerika, um die bisherigen Importe aus Russland zu ersetzen. "Die Lieferketten des Westens werden diversifiziert und schließen bald wohl auch Venezuela, Brasilien und Argentinien ein."
Anhaltend heftige Erdstöße
Den Einwohnern von Sauzal Bonito hat die verstärkte Förderung bisher nur Nachteile gebracht. Seit April haben sie 35 Erdstöße registriert, der heftigste mit einer Stärke von 4,5 auf der Richter-Skala.
Vom Gas selbst haben sie aber vorerst nichts. Vicente Zenon Zapata sagt, sie lebten dort zwar neben dem zweitgrößten Schiefergasfeld der Erde - "aber selbst haben wir keinen Anschluss und sind auf teure Gasflaschen angewiesen".