"Bevölkerungsaustausch" Rechtsextreme Idee wird Mainstream
Zehn Menschen ermordete der Schütze von Buffalo, mutmaßlich aus rassistischen Motiven. Auch er beruft sich auf den Kampf gegen den "Großen Austausch", eine rassistische Verschwörungserzählung. Was steckt dahinter?
Charleston 2015. Pittsburgh 2018. El Paso 2019. Drei Orte, drei Mordanschläge. In Charleston tötete ein Schütze neun schwarze Menschen in ihrer Kirche. In Pittsburgh starben elf jüdische Menschen in einer Synagoge, in El Paso 23 Menschen in einem Kaufhaus, viele von ihnen Latinos.
Und nun wieder zehn Tote, viele von ihnen schwarz, in Buffalo. Dies sei der schlimmste Albtraum für eine Gemeinde, sagte der Bürgermeister.
Männlich, weiß, extrem rechts
Alle Schützen waren weiße, zumeist junge Männer. Ihre Taten begingen sie allein, doch sie verbindet ein gemeinsames rechtsextremistisches Weltbild. Dazu gehört die Theorie vom großen "Bevölkerungsaustausch".
"Dahinter steckt die Vorstellung, dass es eine bösartige Gruppe von Eliten gibt, die mithilfe einer Reihe von sozialen Programmen die weiße Rasse auslöschen will, von Einwanderung über Abtreibung bis zu Rechten für Schwule", sagt Kathleen Belew, Historikerin an der Universität von Chicago bei NPR.
Verschwörungsmythen zur besten Sendezeit
In Deutschland wird diese Verschwörungstheorie von Teilen der AfD vertreten, in den USA ist sie fast schon Allgemeingut. Jeder dritte Erwachsene in den USA glaubt daran, heißt es in einer aktuellen Umfrage. Ein Grund dafür: Sie ist regelmäßig in der populärsten Talkshow der USA zu hören: bei Tucker Carlson zur Prime Time auf Fox News. Der "Große Austausch" sei das, was passiere, es sei wahr, behauptet Carlson.
Wahr ist seiner Meinung nach auch, dass die demokratische Partei versuche, die aktuelle Wählerschaft durch gefügigere Wähler aus der Dritten Welt zu ersetzen - die dann selbstverständlich die Demokraten wählten. Laut "New York Times" hat er in mehr als 400 Ausgaben seiner Show diese Theorie beworben.
Bei Republikanern verankert
Inzwischen ist sie auch in Teilen der republikanischen Partei fest verankert. Elise Stefanik, immerhin die Nummer Drei bei den Republikanern, spricht in Anzeigen und Posts von einem Wahlumsturz der Demokraten. Elf Millionen illegale Einwanderer, behauptet sie, sollen demnach eine permanente liberale Mehrheit in Washington sichern.
Und JD Vance, der Autor von "Hillbilly Elegie", macht damit Wahlkampf für den Senat: Joe Bidens offene Grenze töte Menschen in Ohio, behauptet er, mit mehr illegalen Drogen und mehr Wählern der Demokraten, die ins Land strömten.
Gegenstrategie gesucht
Von moderaten Republikaner ist dazu fast nie etwas zu hören. Liz Cheney aus Wyoming, wegen ihrer Trump-Kritik eine Außenseiterin, bat ihre Partei, diese Verschwörungstheorie zurückzuweisen. Die Geschichte habe gelehrt, dass das, was mit Worten beginne, viel schlimmer enden könne.
Schwieriger wird es, die Mythen und Märchen wieder loszuwerden. Historikerin Kathleen Belew fordert eine weitreichende Strategie: "Wir müssen ernsthafter und nachhaltiger über unsere Geschichte reden. Wir brauchen politische Bildung und eine Antwort auf lokaler Ebene."