Vorwahlen in den USA Warum Haley (noch) weitermacht
Nikki Haleys Kampf um die Präsidentschaftskandidatur ist praktisch gescheitert - sie hat so gut wie keine Aussichten mehr, genügend Delegiertenstimmen zu gewinnen. Und doch macht sie weiter. Das hat drei Gründe.
Nikki Haley könnte jetzt aufgeben. In 24 Bundesstaaten hat ihre Partei bislang Vorwahlen abgehalten, darunter die bevölkerungsreichen Staaten Kalifornien und Texas - und Haley liegt bei den Delegiertenstimmen nahezu aussichtslos hinter Trump zurück. Am Ende des "Super Tuesday" kommt sie auf karge 86, das ist nicht einmal ein Zehntel der Delegierten, die Donald Trump auf sich vereinigen kann.
Und sollte Haley gehofft haben, an diesem so symbolträchtigen Wahltag an den Erfolg in Washington D.C. vom Wochenende anknüpfen zu können, sah sie sich umso mehr enttäuscht. Zwar gewann sie im Bundesstaat Vermont - der aber gehört nun mal zu den kleinsten Bundestaaten mit vergleichsweise wenig, dafür aber relativ viele gut ausgebildete Einwohner. Auf diese Gruppe hatte vor allem im deutlich größeren Bundesstaat Virginia gehofft, wo sie zwar auch auf rund 34 Prozent der Stimmen kam, aber dennoch Trump unterlag.
Und dennoch: Von Rückzugsgedanken war in der Wahlnacht nichts zu vernehmen. Im Unterschied zu ihren vielen längst ausgeschiedenen Konkurrenten wie Floridas Gouverneur Ron DeSantis macht Haley immer weiter. Und dafür hat sie ihre Gründe.
Die Hoffnung
Wäre Donald Trump ein normaler Kandidat, wäre die Sache für Nikki Haley gelaufen. Aber Trump ist in jeder Hinsicht kein normaler Kandidat. Trump kämpft unter dem Vorzeichen zahlreicher Anklagen und anstehender Prozesse. Sie werden seinen Terminplan mindestens bis zur Wahl formen, sie werden weiter enorme Summen für Anwälte verschlingen - und sie könnten ihn am Ende doch die Kandidatur kosten. Zwar ist nicht absehbar, ob es bis zum Wahltag im November zu einem Urteil kommt, zum Beispiel im Verfahren um Trumps Umgang mit sensiblen Regierungsdokumenten nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus 2021 oder in einem der Prozesse zum Kampf Trumpfs gegen die Anerkennung des Wahlergebnisses von 2020.
Sollte es aber doch zu einer Verurteilung kommen, dürfte dies Trump massiv schaden und seine Wahlaussichten mindestens deutlich schmälern oder ihn gar die Kandidatur kosten. Für diesen Fall hält sich Haley bereit. Das tun ihre ausgeschiedenen Konkurrenten wie DeSantis auch - sie haben ihre Kandidatur nur "unterbrochen". Das gibt ihnen die Möglichkeit, sie im Falle eines Rückzugs Trumps zu reaktivieren. Und so wird es auch Haley halten, sollte sie in den kommenden Tagen doch aufgeben. Aber sie ist so oder so diejenige Kandidatin, die am längsten gegen Trump durchgehalten, ihn am deutlichsten kritisiert und sich am stärksten als innerparteiliche Alternative profiliert hat - und damit auch konservative Demokraten ansprechen kann, die unzufrieden mit der Kandidatur Joe Bidens sind.
Ob ihr das hilft, wenn die Partei nach einem Ersatz für Trump sucht, steht auf einem anderen Blatt. Denn Trumps hartleibige Anhänger werden Haleys Kritik an ihrem Idol nicht vergessen. Ob aber ein anderer Bewerber wie DeSantis das Lager von Trump geschlossen hinter sich versammeln kann, ist ebenso wenig ausgemacht.
Das Geld
Haley konnte auch deshalb bislang durchhalten, weil sie die Unterstützung von Großspendern wie dem Milliardär Charles Koch genoss. Auch das ermöglichte ihr, länger durchzuhalten als andere Bewerber, die schon früh in finanzielle Schwierigkeiten kamen und erst Personal entlassen und dann aufgeben mussten.
Kochs Lobbygruppe allerdings teilte Ende Februar nach Haleys deutlicher Niederlage im Heimatstaat South Carolina mit, sie werde Haley nicht weiter sponsern, weil die Kandidatur keinen Aussicht auf Erfolg mehr habe. Das macht die Sache für Haley gewiss nicht leichter. Andererseits war nach eigenen Angaben der Februar in punkto Einnahmen einer der erfolgreichsten bislang - sie habe in dieser Zeit zwölf Millionen Dollar an Spenden erhalten, teilte ihr Team mit. Noch ertragreicher war bislang nur der Januar, als ihr Team 16 Millionen Dollar an Zuwendungen verzeichnete.
Wie lange das Polster noch hält, ist unklar. Aber der Februar hat auch gezeigt, dass viele Großspender ihre Kampagne ungeachtet ihrer Erfolgsaussichten unterstützen - weil sie sich gegen die Übernahme der Republikaner durch Trump wehren. Sie sehen in Haley ein Bollwerk dagegen und loben sie als wichtigste Vertreterin des sogenannten "Reagan-Flügels" der Partei. Das hebt auf ihre sehr konservativen Ansichten ab, die aber einhergehen mit Erfahrung, Verlässlichkeit, Achtung für demokratische Spielregeln und der Überzeugung, dass die USA mehr denn je eine internationale Verantwortung haben.
Die Überzeugung
Einige Jahre gehörte Nikki Haley zum Team Trump. Er machte die damalige Gouverneurin von South Carolina zur UN-Botschafterin, wo sie sich sich bald Respekt erwarb - allerdings auch in Abgrenzung zu Positionen Trumps. Über ihre politische Nähe und Distanz und über politische Ambitionen wurde seitdem immer wieder spekuliert, zumal Haley ihr Amt schon nach rund zwei Jahren wieder aufgab.
Dass sie selbst einmal gegen Trump antreten würde, wies sie noch 2021 weit von sich. Als sie Anfang 2023 doch ihre Kandidatur ankündigte, begründete sie damit, dass ihre Partei in sieben der acht vergangenen Präsidentschaftswahlen weniger Stimmen als die Demokraten geholt hätte - und das es Zeit für einen Generationenwechsel sei mit dem Ziel, zu traditionellen republikanischen Werten zurückzukehren.
Diese Mischung, die Kritik an dem Alter der Kandidaten Biden und Trump und an Trumps erratischem Handeln hat sie seither zugespitzt. Damit unterschied sie sich klar von anderen Kandidaten der Republikaner, die mehrheitlich eine Konfrontation mit Trump scheuten und nach ihrem Scheitern reumütig in sein Lager zurückkehrten. An dieser Linie hielt Haley auch fest, obwohl sie in Meinungsumfragen und bei ersten Vorwahlen nie auch nur in die Nähe von Trumps Ergebnissen kam. Mut dürfte ihr dabei gemacht haben, dass sie in einigen Meinungsumfragen als diejenige Kandidatin hervorging, die die größten Chancen hätte, Biden zu schlagen. Wahlanalysen zeigen zudem, dass sie in Städten - zumal solchen mit Hochschulen - und in den Vorstädten vergleichsweise stark abschneidet. Unter Trump tun sich die Republikaner dagegen gerade in diesen Regionen schwer.
Sie sei "eine Frau, die Wort hält", erklärte sie nach ihrer Niederlage in South Carolina. Man darf also davon ausgehen, dass es Nikki Haley ernst ist mit dem Kampf um eine andere Ausrichtung ihrer Partei. Ihre Position als klarste Alternative zu Trump mit unbestritten erzkonservativer Ausrichtung wird sie deshalb so lange verteidigen und ausfüllen, wie es ihr auch finanziell möglich ist.