Modellprojekt in Kanada British Columbia legalisiert Besitz harter Drogen
Helfen statt kriminalisieren: Der Besitz von bis zu zwei Gramm harter Drogen soll in der kanadischen Provinz British Columbia künftig straffrei bleiben. Mit dem Modellprojekt will die Politik der Drogenkrise Herr werden.
Schon seit Jahren gilt die westkanadische Metropole Vancouver als Drogenhochburg. Vor allem entlang der East Hastings Street hat sich ein regelrechter Drogen-Slum entwickelt. Verwahrloste Abhängige leben auf der Straße, Einheimische sprechen vom "Horror of Hastings". Kaum ein Tag vergeht, an dem hier nicht ein Mensch an einer Überdosis stirbt. Die Provinz British Columbia hat deshalb schon vor Jahren den Gesundheitsnotstand ausgerufen.
"In British Columbia sterben mehr Menschen durch illegale Drogen als durch Autounfälle, Mord und Suizid zusammen", sagt Benjamin Perrin, Jura-Professor an der University of British Columbia und ehemaliger Berater des kanadischen Premierministers. "Eine Drogenüberdosis ist die Hauptursache für einen unnatürlichen Tod."
35.000 Tote durch Straßendrogen seit 2016
Während der Corona-Pandemie sei das Problem noch schlimmer geworden, so der Professor. Es seien nicht mehr nur Obdachlose, alle Gesellschaftsschichten seien betroffen - und auch andere kanadische Provinzen. Seit 2016 sind in Kanada mehr als 35.000 Menschen an kontaminierten Straßendrogen gestorben.
Vor zwei Jahren hat Perrin ein Buch über die Opioid-Krise in Kanada veröffentlicht, die vor allem durch illegale synthetische Mittel wie Fentanyl ausgelöst wurde. Es gebe kaum eine Straßendroge, die nicht damit verunreinigt sei. Das Problem dabei ist, dass die Wirkung dadurch um ein Vielfaches verstärkt wird. Überdosis ist die häufige Folge.
Modellprojekt legalisiert Besitz harter Drogen
Es handele sich um eine Gesundheitskrise, meint der Jura-Professor. "Deshalb brauchen wir eine Antwort des Gesundheitswesens darauf. Die Kriminalisierung und Strafverfolgung war ein völliger Fehlschlag." Der globale Krieg gegen Drogen habe Milliarden gekostet. Drogennutzer seien ins Gefängnis gebracht worden, es sei viel Schaden entstanden. "Es ist eine Krise der öffentlichen Gesundheit", betont Perrin. "Wir müssen damit aufhören, sie als Krise des Strafrechts zu behandeln."
Einen ersten Schritt in diese Richtung hat British Columbia jetzt getan. Zunächst für drei Jahre wird im Rahmen eines Modellprojekts der Besitz kleiner Mengen harter Drogen in der Provinz legalisiert. Erwachsene dürfen bis zu zweieinhalb Gramm Kokain, Amphetamine, Heroin oder andere Opioide für den Eigenbedarf mit sich führen.
Epidemiologe: Legalisierung führt nicht zu mehr Konsum
Wenn man die Polizei heraus halte und die Menschen wüssten, dass sie weder wegen des Besitzes noch des Konsums verhaftet werden, bestehe Hoffnung, glaubt der kanadische Epidemiologe Dan Werb. Die Menschen seien dadurch offener, niedrigschwellige Angebote anzunehmen, wie überwachte Konsumorte, Substitution mit Methadon oder Naloxon. "Dadurch können sie sich schützen und das Risiko, an einer Überdosis zu sterben, reduzieren", sagt Werb.
Die Entkriminalisierung harter Drogen in Portugal und auch im US-Bundesstaat Oregon hätten vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Auch die Legalisierung von Cannabis in Kanada sei ein Beispiel dafür, dass nicht, wie von manchen befürchtet, eine liberalere Drogenpolitik zu mehr Konsum oder Abhängigkeit führe.
Es gibt einfach keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass überwachte Konsumräume oder die Ausgabe von sterilen Spritzen einen Einfluss darauf haben, ob Menschen mit Drogenkonsum beginnen oder den Konsum fortsetzen oder auch nicht.
"Die Entkriminalisierung ist ein Teil der Antwort,"
Für den Juristen Perrin ist klar: Die Entkriminalisierung harter Drogen kann nur der erste Schritt sein. Was es brauche, sei eine bessere Aufklärung der Öffentlichkeit und mehr Hilfe sowie Angebote für die Zehntausenden, die von harten Drogen abhängig sind.
"Solange Menschen auf verunreinigte Straßendrogen angewiesen sind, werden sie weiter sterben", betont Perrin. Daher müsste der Zugang zu einer sicheren Versorgung verbessert werden. "Das heißt nicht, kostenlose Drogen für alle auszugeben. Aber Medikamente für Menschen, die sowieso Drogen konsumieren", sagt der Professor. "Wir müssen den Zugang zu Behandlungen und Programmen verbessern." Er hoffe, dass die Provinzregierung erkenne, dass sie mehr tun muss. "Die Entkriminalisierung ist ein Teil der Antwort, aber sicher nicht die ganze Lösung."