UN-Generaldebatte Treffen im Alarmzustand
Mehr als 142 Staats- und Regierungschefs, der letzte große Auftritt von US-Präsident Biden und ein ukrainischer "Siegesplan": Vor dem Hintergrund großer Krisen beginnt in New York die UN-Generaldebatte.
Der Schutz der Gäste sowie der New Yorker Nachbarschaft fordert auch die Sicherheitskräfte heraus. Sie setzen auf Drohnen, haben mehr Personal und 1.200 Kameras auf den Straßen. Professionelle Anspannung bei Special Agent Patrick Freane vom U.S. Secret Service: "Mehr als 142 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt kommen auf einmal nach New York City. Einfach ausgedrückt, das ist das größte jährliche Treffen von Staats- und Regierungschefs auf dem Planeten."
Eröffnet wird die Generaldebatte - bei der alle 193 Mitglieder sprechen - traditionell vom UN-Generalsekretär. Angesichts von Kriegen und Völkerrechtsbrüchen betont Amtsinhaber Antonio Guterres dieser Tage: Die Welt habe es immerhin noch in der Hand, einen dritten Weltkrieg zu verhindern.
Der UN-Chefdiplomat ist daueralarmiert. Denn die Liste der Krisen, humanitären Katastrophen und Kriegen ist lang: unter anderem Sudan, Ukraine, Gaza. Viele haben wegen der eskalierenden Gewalt zwischen Israel und der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon Sorge vor einem Flächenbrand in Nahost, wo auch Bundeswehrsoldaten als Teil der Friedensmission UNIFIl im Libanon sind.
Topthema: Selenskyjs Siegesplan
Einer der ranghöchsten deutschen Diplomaten in New York ist Achim Steiner, er leitet das UN-Entwicklungshilfeprogramm. Bei aller Kritik an den Vereinten Nationen mit ihren teils verkrusteten Strukturen und ihrem blockierten Sicherheitsrat, meint er: "Was man nicht unterschätzen sollte: Es finden in diesen Tagen hier in New York Hunderte von Treffen statt." Gerade das Bilaterale sei enorm wichtig. Die Generalversammlung sei das Symbol, "nämlich, dass es immer noch diesen Ort gibt, in dem jedes Land das Recht hat zu sprechen".
Am frühen Nachmittag deutscher Zeit spricht US-Präsident Joe Biden - zum letzten Mal in dieser Funktion, auf dieser Weltbühne. Sein Fokus dürfte auf der internationalen Zusammenarbeit liegen. Bevor er sich anschließend mit verschiedenen Staats- und Regierungschefs zurückzieht. Eines ihrer Topthemen: der angekündigte ukrainische Siegesplan zur Beendigung des Krieges mit Russland. Darüber hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz vor seiner Abreise nach New York noch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen.
Scholz: "Keine Aufhebung weitreichender Beschränkungen"
Deutschland stehe zu den weiteren finanziellen Hilfen für Kiew, bekräftigte Scholz vor Journalisten, lehnte aber Waffen mit mehr Reichweite erneut ab und erklärte, "dass wir bei unserer Unterstützung immer sehr fokussiert sind, was wirklich hilft und was notwendig ist". Man habe "ein paar Entscheidungen" getroffen, die für ihn sehr klar seien. "Dazu gehört auch, dass Deutschland keine Aufhebung von weitreichenden Beschränkungen vornehmen wird." Das sei mit seiner persönlichen Haltung nicht vereinbar.
Selenskyj wird im Sicherheitsrat und in der Generalversammlung für seinen Plan werben. Neben der Ukraine ist der Gaza-Krieg Gegenstand vieler Gespräche - wegen der vielen zivilen Opfer in Gaza und wegen der Geiseln in der Hand der Hamas. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Irans Präsident Massud Peseschkian haben sich angekündigt. Unklar ist, ob Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu wirklich kommt.
Polizei rechnet mit Protesten
Wegen des Gazakrieges, ausgelöst durch den Angriff der Hamas auf Israel vergangenen Oktober, rechnen auch die Einsatzkräfte in New York mit verstärkten Protesten, wie John Chell vom New York Police Department erklärt: "Was sich in diesem Jahr gegenüber dem letzten Jahr geändert hat, ist natürlich der 7. Oktober. Seitdem hatten wir hier mit mehr als 4.000 Protesten zu tun." Das habe auch die Dynamik der UN-Generalversammlung verändert.
Für Deutschland ist Außenministerin Annalena Baerbock angereist. Mit straffer Agenda. Am Montagabend hat sie die G7-Außenminister getroffen; dann steht ein Treffen mit ihrem Amtskollegen Wang Yi aus China an - noch bevor um 9 Uhr früh New Yorker Zeit die UN-Generaldebatte eröffnet wird.