Gewalt in den USA Polizisten töten Schwarzen mit 96 Schüssen
Fast hundertmal haben vier US-Polizisten bei einer Verkehrskontrolle auf einen Schwarzen geschossen und ihn getötet. Die Beamten waren offenbar in Zivil unterwegs. Sie hatten den Mann angehalten, weil er nicht angeschnallt war.
Erneut ist in den USA ein Mensch bei einer Polizeikontrolle erschossen worden. In Chicago töteten vier Polizisten einen schwarzen Autofahrer bei einer Verkehrskontrolle mit 96 Schüssen. Die Debatte über Rassismus und Polizeigewalt ist nun einmal mehr entfacht.
Der Vorfall ereignete sich bereits am 21. März in einer Wohngegend, aber die Behörde für polizeiliche Rechenschaftspflicht in Chicago (COPA) veröffentlichte die Bodycam-Aufnahmen der beteiligten Polizisten erst jetzt.
Ersten Erkenntnissen der COPA zufolge feuerte der 26-jährige Dexter Reed zuerst selbst einen Schuss ab und traf einen der fünf Polizisten am Unterarm, nachdem ihn die Beamten angehalten hatten. Die anderen vier hätten danach das Feuer eröffnet. Anwälte der Familie geben an, die Polizisten seien in Zivilbekleidung aufgetreten.
Auf von der Polizeiaufsichtsbehörde veröffentlichten Videoaufnahmen ist zu sehen, wie sie sich mit gezückten Waffen auf Reeds Auto zubewegen. Zunächst fordern sie ihn auf, sein Fenster herunterzukurbeln und dann die Tür zu öffnen. Nach Behördenangaben wurde er wegen eines nicht angelegten Sicherheitsgurtes angehalten.
96 Schüsse in 41 Sekunden
Die Bilder zeigen, wie Reed den Anweisungen offenbar nicht sofort folgt, ein Schuss ist zu hören und die Situation eskaliert innerhalb kürzester Zeit. Wie die COPA mitteilte, feuerten die Beamten über 41 Sekunden hinweg ungefähr 96 Mal auf den Mann, auch dann noch, als er die Autotür öffnete und zu Boden fiel. Den Angaben zufolge wurde er in ein Krankenhaus gebracht und dort für tot erklärt. Auf seinem Beifahrersitz sei später eine Waffe entdeckt worden.
Die COPA teilte mit, dass die beteiligten Beamten zunächst für 30 Tage beurlaubt wurden. Die Ermittlungen dauerten noch an.
Chicagos Bürgermeister Brandon Johnson versprach eine umfassende und transparente Untersuchung. "Versuche, Informationen zurückzuhalten oder zu verzögern, sind Fehler der Vergangenheit", sagte er auf einer Pressekonferenz. Er sei "persönlich erschüttert, dass wieder ein junger schwarzer Mann sein Leben bei einem Zusammenstoß mit der Polizei verloren hat."
"Wir haben ein Problem mit der Polizeiarbeit"
Die Familie des Getöteten stellte die Umstände der Verkehrskontrolle zur Diskussion. Die Beamten hätten sich nie zu erkennen gegeben, sagte ihr Anwalt bei einer Pressekonferenz. Es habe sich um Polizisten in Kapuzenpullis und Baseballkappen gehandelt, auch das Polizeiauto sei nicht gekennzeichnet gewesen. "Wir haben ein Problem mit der Polizeiarbeit in dieser Stadt", sagte ein weiterer Anwalt. Fünf Beamte seien "bewaffnet aus einem Auto gesprungen, für einen jungen Mann, der nicht angeschnallt war".
In den USA kommt es regelmäßig zu tödlichen Polizeieinsätzen ähnlicher Art. Stellvertretend steht dafür der Fall von George Floyd, der vor wenigen Jahren nationale Proteste auslöste. Im Mai 2020 war der Afroamerikaner bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Der weiße Beamte Derek Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Chauvin wurde in der Folge zu mehr als 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Fall führte damals zu landesweiten Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus.