Texas, Arizona und Migranten Soll Biden sich doch kümmern
Die südlichen US-Bundesstaaten Texas und Arizona setzen Migranten in Busse nach Washington. Dort, so argumentieren sie, solle sich die US-Regierung kümmern. Manchen Migranten ist das recht.
Im Gemeinderaum des Kellers der Methodistenkirche im Washingtoner Stadtteil Capitol Hill sitzen rund 80 Migranten an Tischen und auf Bänken, manche haben sich auf den Boden gelegt und dösen vor sich hin. Es ist stickig, die Luft riecht nach ungewaschener Kleidung und Hühnchen-Fleisch mit Reis, das in großen Töpfen auf einem Tisch steht.
Auf einer Bühne am Kopf des Raumes stehen Kisten mit Kleidung, Windeln und Toilettenartikeln, freiwillige Helferinnen und Helfer verteilen die Sachen. Die Menschen sind am Morgen mit zwei Bussen aus Texas hierher gebracht worden.
Ohne die Kirchen und ohne freiwillige Helfer würden sie hilflos in Washington stranden: neu angekommene Migranten aus Mittel- und Südamerika
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
Unter ihnen ist Alexander Rafael Colmenares. Er ist aus seiner Heimat Kolumbien geflohen und erzählt, wie bewaffnete Banden in seinem Land für große Probleme sorgten - deshalb habe er "alles gegeben", um "nach einer besseren Zukunft für mich und meine Familie zu suchen".
Der 30-Jährige schaut aus müden braunen Augen in den Raum. Außer der Kleidung, die er trägt, hat er kaum etwas dabei. Sein Handy hätten ihm die Grenzbeamten weggenommen.
Colmenares war eineinhalb Monate unterwegs, hat sechs Länder durchgequert. Meistens ist er gelaufen, nur manchmal mit dem Bus gefahren. Als er in Texas ankam, wurde ihm ein kostenloser Platz im Bus nach Washington angeboten. Den hat er gerne angenommen - es habe ihn beruhigt, mit dem Bus von der Grenze wegzukommen, sagt er, und jetzt sei alles "viel besser".
Kostenlose Tickets - mit Kalkül
Tatsächlich ist Colmenares in Washington gelandet, weil zwei Männer die geflüchteten Menschen nicht in ihren Bundesstaaten haben wollen: die republikanischen Gouverneure von Texas und Arizona, Greg Abbott und Ducey. Seit dem Frühjahr bieten sie den Migranten an der mexikanischen Grenze kostenlose Tickets nach Washington an, seit Anfang August - zumindest der Texaner Abbott - auch nach New York.
Mit der Bus-Aktion protestieren sie gegen die Einwanderungspolitik der demokratischen US-Regierung. Greg Abbott sagte dazu im US-Fernsehen, in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten könne sich dann die Biden-Regierung "sofort um die Bedürfnisse der Menschen zu kümmern, denen sie erlaubt hat, über unsere Grenze zu kommen".
Die Hoffnung löst mehr Migration aus
An der Einwanderungspolitik hat sich tatsächlich nicht viel geändert, seitdem die Demokraten 2021 die Regierungsgeschäfte übernommen haben. Aber allein die Ankündigung, dass es Erleichterungen geben soll, hat Tausende von Menschen aus Süd- und Zentralamerika dazu veranlasst, sich auf den Weg in die USA zu machen. Schon jetzt sind mehr Einwanderer über die südlichen Grenze gekommen als im gesamten vergangenen US-Haushaltsjahr.
Allein in Washington sind seit April 7000 Migranten mit Bussen von der Grenze eingetroffen. Muriel Bowser, Bürgermeisterin der Hauptstadt, bat die US-Regierung in den vergangenen Wochen zwei Mal um Hilfe durch die Nationalgarde, um eine "humanitäre Krise" abzuwenden, wie sie in ihrem Hilfegesuch schrieb. Das wurde abgelehnt.
Rückreise nach Texas oder Arizona nicht erwünscht: Migranten nach ihrer Ankunft in Washington D.C.
Ohne freiwillige Helfer geht nichts
Es bleiben also weiter nur die Freiwilligen - ein mittlerweile riesiges Netzwerk, das sich um die ankommenden Menschen kümmert. Und das weitgehend ohne staatliche Unterstützung, sagt die Pfarrerin Stephanie Vader, in deren Gemeinderaum die Geflüchteten an diesem Tag kommen durften. Dabei wäre staatliche - und besser abgestimmte - Unterstützung sehr hilfreich. Zwar habe das "Mutual Aid"-Netzwerk mehr als 300.000 Dollar ausgegeben, aber das seien alles Spendengelder gewesen. Und trotzdem gebe es noch viele unerfüllte Bedürfnisse.
Neun von zehn Geflüchteten bleiben nicht in Washington, sondern reisen weiter. Auch Colmenares hat ein Busticket vom Freiwilligen Netzwerk gespendet bekommen, für eine Fahrt zu seinem Bruder nach Tennessee. Dort hofft er, irgendwann arbeiten zu können, zur Ruhe zu kommen - und bleiben zu können.