US-Reporter Gershkovich Keine Aussicht auf Austausch
Der US-Reporter Evan Gershkovich kann auch nach einem Jahr in russischer Haft nicht darauf hoffen, bald freizukommen. Seine Familie ist bemüht um Optimismus, und Kollegen fordern von der Regierung, mehr zu tun.
"Wir bleiben optimistisch, weil wir wissen, dass die US-Regierung Evans Fall sehr ernst nimmt", sagt die Mutter des in Russland inhaftierten Journalisten, Ella Milman. Sie selbst ist mit ihrem Mann Ende der 1970er-Jahre aus der Sowjetunion geflohen. Seither lebt die Familie in New York und in Princeton, New Jersey, wo Evan Gershkovich 1991 geboren wurde.
"Das Spiel ist aus, wenn Sie Pessimismus zulassen", so Gershkovichs Mutter im TV-Interview mit ABC News: "In unserer Familie sagen wir immer, wir blicken nach vorne."
Immerhin: Milman ist in regelmäßigem Kontakt mit ihrem Sohn, der jetzt ein Jahr wegen Spionageverdachts in russischer Haft sitzt. "Wir schreiben uns Briefe", sagt sie, "Evan versucht, uns zu schützen. Wir schützen ihn."
Kollegen erinnern an Inhaftierten
Zum Jahrestag erfährt der Fall wieder mehr Aufmerksamkeit: Emily Wilkins, Präsidentin der Journalistenorganisation National Press Club, erinnerte bei einer Podiumsdiskussion in Washington daran, dass erstmals seit dem Kalten Krieg wieder ein amerikanischer Journalist in einem russischen Gefängnis sitzt.
Gerade erst wurde die Untersuchungshaft um drei Monate bis Ende Juni verlängert, aber in den USA glauben nur wenige daran, dass der 32-jährige Reporter des Wall Street Journal von der russischen Justiz entlastet und auf freien Fuß gesetzt wird.
"In 99 Prozent aller ähnlichen Fälle werden Spionage-Verdächtige in Russland auch verurteilt", gibt Jason Conti zu bedenken. Der Jurist arbeitet für die Wirtschaftsnachrichten-Plattform Dow Jones.
"Hier werden keine Super-Anwälte einschweben und ihn raushauen", so Conti, "das muss auf diplomatischem Wege gelöst werden". Sprich: Alle Hoffnung ruht auf der Biden-Regierung.
Das Versprechen Bidens
Rund um die Uhr arbeite seine Regierung daran, Evan und den Ex-Elitesoldaten Paul Whelan, der seit 2018 in russischer Haft sitzt, nach Hause zu bringen, versprach US-Präsident Joe Biden zuletzt erst wieder in seiner Rede zur Lage der Nation.
Wilkins vom National Press Club drängt darauf, dass diesen Worten engagiertere Taten folgen: "Sie müssen mehr tun, Sie müssen sich mehr ins Zeug legen für Journalisten!"
Gershkovich jedenfalls, der sein fließendes Russisch im Elternhaus gelernt hat, fehlt seiner Zeitung auch als kenntnisreicher Berichterstatter, sagt die Chefredakteurin des Wall Street Journal, Emma Tucker: "Jetzt haben wir niemanden mehr vor Ort in Russland", beklagt sie.
Da gehe es dem Wall Street Journal nicht anders als anderen US-Medien, deren Korrespondenten allesamt nach der Verhaftung von Gershkovich abgezogen worden waren. Das sei die größere Dimension des Falles.