Russland und die USA Misstrauen und Vorwürfe im Ukraine-Konflikt
Russland versuche, einen Vorwand für einen Einmarsch in der Ukraine zu schaffen - so der Vorwurf der USA. Das seien nichts als "haltlose Sensationsnachrichten", lautet die russische Antwort. Der Ton zwischen beiden Seiten bleibt rau.
Was hat eine Woche mit einer ganzen Reihe von hochrangigen Gesprächen zum Ukraine-Konflikt gebracht? Sowohl aus Russland als auch aus dem Westen kommen Äußerungen, die darauf hindeuten, dass das gegenseitige Misstrauen eher zu- als abgenommen hat.
So kam von US-Seite der Vorwurf, Russland versuche mittels Agenten in der Ukraine einen Vorwand für einen möglichen Einmarsch zu schaffen. "Wir haben Informationen, die darauf hindeuten, dass Russland bereits eine Gruppe von Agenten aufgestellt hat, um eine Operation unter falscher Flagge im Osten der Ukraine durchzuführen", so die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, gestern. Zudem sei die Basis für eine Desinformationskampagne gelegt worden, in der die Ukraine als ein Aggressor dargestellt werde, der einen unmittelbar bevorstehenden Angriff in der Ostukraine plane.
"Wie üblich werden keine Beweise vorgelegt"
Russland wies die Vorwürfe umgehend zurück. Wie so oft würden von US-Seite vermeintliche Sensationsnachrichten gestreut, ohne dass es dafür eine Grundlage gebe, teilte die russische Botschaft in Washington mit. "Wie üblich werden keine Beweise vorgelegt."
Russland hat im Grenzgebiet zur Ukraine allerdings Fakten geschaffen, die den Westen beunruhigen: Die russische Armee zog dort rund 100.000 Soldaten zusammen. Im Osten der Ukraine kämpfen bereits seit 2014 von Russland unterstützte Separatisten gegen ukrainische Regierungstruppen. Und 2014 hatte Russland auch die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim annektiert.
Den Vorwurf, es plane einen Einmarsch seiner Truppen in der Ostukraine, weist Russland bereits seit Wochen immer wieder mit ähnlichen Worten zurück. "Russland ist gegen Krieg. Wir sind für eine diplomatische Lösung aller internationalen Probleme", so formulierte es nun die russische Botschaft in Washington.
Westen verweist auf Souveränität der Ukraine
Die Vorbedingung, die Russland für jedwede diplomatische Lösung der Ukraine-Krise stellt, sind für den Westen allerdings nicht zu akzeptieren. Denn Präsident Wladimir Putin fordert unter anderem eine Zusage der NATO, dass die Ukraine nicht in das transatlantische Militärbündnis aufgenommen wird.
Zwar gibt es derzeit keine konkreten Pläne für eine Aufnahme der Ukraine in die NATO. Doch der Westen verweist unter anderem darauf, dass souveräne Staaten selbst entscheiden, welchen Bündnissen sie sich anschließen und welchen nicht. Und seit dem Ende der Sowjetunion 1991 ist die Ukraine wieder ein souveräner Staat.
"Positionen unversöhnlich"
Internationale Politik-Experten sehen die Gefahr einer weiteren Eskalation. "Wir befinden uns in einer Sackgasse", sagt Melinda Haring, stellvertretende Direktorin des Eurasia-Zentrums in Washington. "In der gegenwärtigen Situation sind die Positionen der Russen und der Amerikaner unversöhnlich." François Heisbourg von der Stiftung für strategische Forschung in Paris nennt die Situation "völlig unbeständig", das Risiko eines Krieges sei hoch. Dmitri Trenin vom Carnegie Center in Moskau rechnet ebenfalls mit einer "weiteren Verschärfung der Krise durch Gewalt".
USA sondieren angeblich Alternativen für Gaslieferungen
Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters hat die US-Regierung mit Energiekonzernen bereits Notfallpläne für Gas-Lieferungen nach Europa sondiert - für den Fall, dass der Streit mir Russland weiter eskaliert. Vertreter des US-Außenministeriums hätten mit den Unternehmen über Kapazitäten für höhere Liefermengen gesprochen, falls russische Gaslieferungen unterbrochen werden, berichtet Reuters unter Verweis auf Insider aus Branchen- und Regierungskreisen. Dabei sei auch eine Verschiebung von Wartungsarbeiten erörtert worden, um die Gas-Produktion hoch zu halten.
"Entschlossenheit der USA"
Die Unternehmen hätten erklärt, dass ein Ausfall großer Mengen aus Russland schwer zu ersetzen sei und dabei auf die weltweit knappen Gasvorräte verwiesen. Welche Konzerne angesprochen worden seien, wurde zunächst nicht bekannt.
Die Europäische Union bezieht rund ein Drittel ihres Gasbedarfs aus Russland. US-Sanktionen gegen Russland könnten die Lieferungen beeinträchtigen. Ein Sprecher des Nationalen US-Sicherheitsrates wollte sich nicht zu den Gesprächen äußern. Er bestätigte aber, dass eine Notfallplanung im Gange sei. Eine Sondierung von Auswirkungen möglicher Maßnahmen sei gängige Praxis. Dies zeige die Entschlossenheit der USA, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen.