Die kanadische und US-amerikanische Flagge stehen an einer Brücke in Port Huron.

Nach Trump-Wahlsieg Viele Anfragen bei Kanadas Einwanderungsbüros

Stand: 14.11.2024 01:39 Uhr

Der Trump-Wahlsieg hat linksliberale Amerikaner schockiert. Manche überlegen ernsthaft, nach Kanada auszuwandern. Die Anfragen bei Einwanderungsbüros sind deutlich angestiegen. "Weg nach Kanada" - wie realistisch ist das?

Als in der Wahlnacht klar war, dass Donald Trump der nächste US-Präsident wird, schossen bei Google die Suchanfragen zum Thema "Moving to Canada" (Auswandern nach Kanada) um 400 Prozent in die Höhe. Auch bei Joel Guberman herrscht seit der Wahl Hochbetrieb. Guberman hat eine Anwaltskanzlei in Toronto, die bei der Einwanderung nach Kanada hilft.

"Es fing schon um 3 Uhr morgens in der Wahlnacht an", sagt Guberman im Interview mit der ARD. "Und dann ging es so weiter - bis jetzt. Es gibt definitiv ein gestiegenes Interesse."

Für Guberman ist es ein Déjà-vu-Erlebnis. Auch nach Trumps Wahlsieg 2016 klingelte in seiner Anwaltskanzlei tagelang das Telefon. Doch aufgrund der Erfahrungen vor acht Jahren macht sich der kanadische Einwanderungsexperte keine Illusionen. Die Zahl von US-Bürgern, die wegen Trump tatsächlich nach Kanada auswandern, ist nur ein Bruchteil der vielen Interessenten, die sich jetzt erkundigen.

"Definitiv kein Spaziergang"

Viele Amerikaner unterschätzten, dass es gar nicht so einfach sei, nach Kanada auszuwandern, sagt Guberman: "Wenn man nicht über besondere Qualifikationen verfügt oder besondere Empfehlungsschreiben mitbringt, ist es definitiv kein Spaziergang."

Grundsätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten für US-Amerikaner, nach Kanada auszuwandern. Der Weg über Kanadas Punktesystem ist am schwierigsten und dauert oft zwei Jahre. Um genügend Punkte zu erreichen, müssen Einwanderer nicht nur eine nachgefragte Berufsqualifikation mitbringen. Sie dürfen auch nicht zu alt sein und sollten genug Geld haben, um nicht vom Staat abhängig zu sein. Und sie sollten über mindestens ein Jahr Berufserfahrung in Kanada verfügen.

Tatsächlich meist familiäre Gründe

Ein schnellerer Weg, nach Kanada auszuwandern: man investiert mindestens 100.000 Dollar in Kanada. "Und zwar in ein aktiv funktionierendes Unternehmen. Es reicht nicht, das Geld in kanadische Aktien oder Immobilien zu investieren. Es muss ein echtes Unternehmen sein, kein passives Investment", erklärt Guberman.

Wer also ein Unternehmen in Kanada gründet und Arbeitsplätze schafft, ist herzlich willkommen. Doch unter den US-Bürgern, die jetzt vor Trump nach Kanada flüchten wollen, gibt es nur wenige, die sich das leisten können.

"Ich wandere wegen Trump nach Kanada aus" ist also leichter gesagt als getan. Von den jährlich rund 10.000 Amerikanern, die nach Kanada auswandern, kämen höchstens zehn Prozent aus politischen Gründen, schätzt der Einwanderungsanwalt aus Toronto. Die meisten kommen aus familiären Gründen.

Wohl eher Ausdruck der Verzweiflung

Umgekehrt sei das Interesse deutlich größer, sagt Guberman. Jedes Jahr wandern mehr als 100.000 Kanadier in die USA ein, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Weil die Steuern in den USA niedriger sind und der größere Markt bessere Verdienstchancen bietet. "Es sind auch mehr Kanadier, die aus politischen Gründen in die USA auswandern als Amerikaner nach Kanada. Sie finden, dass Kanada zu links und zu sozialistisch geworden ist."

"Moving to Canada" - dieser Trend bei der Google-Suche ist somit wohl eher Ausdruck der Verzweiflung unter linksliberalen Amerikanern als echtes Interesse an einer Auswanderung nach Kanada.