Amnesty zu Menschenrechten Die Welt wurde 2016 finsterer
Für Millionen Menschen weltweit war das vergangene Jahr voll von Angst und Elend. So zieht Amnesty International in einem Bericht zu Menschenrechten in 159 Ländern Bilanz. tagesschau.de fasst fünf Beispiele zusammen.
Die Bilanz des neuen Menschenrechtsreports von Amnesty International ist ernüchternd: "Für Millionen Menschen war 2016 ein Jahr anhaltenden Elends und unablässiger Angst", heißt es dort. Die Welt sei im vergangenen Jahr "finsterer und unsicherer" geworden. Amnesty-Generalsekretärin Salil Shetty kritisiert im Vorwort zum Beispiel die Bombardierung von Krankenhäusern in Syrien und im Jemen sowie die weitgehende Tatenlosigkeit der Weltgemeinschaft angesichts des Elends in Aleppo.
Außerdem versuchten Machthaber überall auf der Welt, Andersdenkende brutal zum Schweigen zu bringen, sei es in der Türkei, Honduras oder Äthiopien. Auch einige Entwicklungen in Europa und den USA stuft der Bericht als besorgniserregend ein. In den "EU-Staaten würden Menschenrechtsstandards zunehmend ausgehöhlt", sagte Markus Beeko, Chef von Amnesty Deutschland, bei der Vorstellung des Berichts. Der Report analysiert die Menschenrechtslage in 159 Ländern. Auch Deutschland steht in der Kritik. Einige Beispiele im Überblick.
USA - Guantanamo, Polizeigewalt und Todesstrafe
Anders als von der Regierung Obama versprochen, wurde das umstrittene Gefangenenlager Guantanamo nicht geschlossen, kritisiert Amnesty. 59 Männer saßen 2016 dort ein, ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Auch Menschenrechtsverletzungen wie Folter im Rahmen geheimer CIA-Programme seien weiterhin nicht geahndet worden. Anlass zur Besorgnis habe Amnesty auch wegen der Behandlung von Flüchtlingen und Migranten sowie den Haftbedingungen in US-Gefängnissen.
Eine Menschenrechtsaktivistin protestiert friedlich gegen Polizeigewalt in den USA.
Im Jahr 2016 wurden 20 Todesurteile vollstreckt. Besonders bedenklich erscheint Amnesty auch die Anwendung von Gewalt durch Polizisten. Von den Behörden werde die Zahl der Todesopfer nicht erfasst. Die Medien hätten allerdings fast 1000 Fälle dokumentiert. Auch Trumps Wahlkampf kritisiert der Bericht. Er sei nur ein Beispiel eines "weltweiten Trends hin zu einer Politik, die auf Wut und Spaltung setzt".
Türkei - Hartes Vorgehen gegen Oppositionelle
Die Regierung hat auf einen Putschversuch im Juli 2016 mit harten Maßnahmen gegen Staatsbedienstete und die Zivilgesellschaft reagiert. Der ausgerufene Notstand wurde im Oktober 2016 um weitere drei Monate verlängert. Damit seien viele bürgerliche und politische Rechte faktisch ausgesetzt, heißt es in dem Amnesty-Bericht. Fast 90000 Staatsbedienstete wurden seither entlassen, Hunderte Medienunternehmen und NGOs geschlossen sowie Journalisten, Aktivisten und Parlamentarier inhaftiert.
Die türkische Regierung geht massiv gegen die kurdische Minderheit im Südosten des Landes vor. Diese Großfamilie wurde durch die Repressalien vertrieben.
2016 haben sich laut Amnesty auch Berichte über exzessive Anwendung von Gewalt und Folter durch Sicherheitskräfte gehäuft, besonders im Südosten des Landes, wo mehrheitlich Kurden leben. Diese Menschenrechtsverletzungen blieben weiterhin straffrei, kritisiert die Organisation.
Philippinen - Mehr als 6000 Opfer im Drogenkrieg
Die Regierung von Präsident Duterte startete 2016 eine massive Anti-Drogen-Kampagne. Dabei wurden mehr als 6000 Menschen getötet, darunter auch Journalisten und Menschenrechtsaktvisten. Bisher sei noch in keinem einzigen Fall Anklage gegen Polizisten oder andere Personen erhoben worden, kritisiert Amnesty. Außerdem gab es 2016 vermehrt Berichte über exzessive Polizeigewalt und Folter.
Auf den Philippinen demonstrieren Bürger gegen die brutale Anti-Drogen-Kampagne der Regierung.
Auch Proteste seien brutal niedergeschlagen worden. Ein Gerichtsurteil, bei dem ein Polizist nach dem 2009 eingeführten Foltergesetz für schuldig befunden und zu rund zwei Jahren Haft verurteilt worden war, begrüßt Amnesty als "bahnbrechend". Viele andere Gewaltopfer warteten aber immer noch darauf, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen würden.
Polen - Rechtsstaat in Gefahr
Seit dem Wahlsieg der Partei "Recht und Gerechtigkeit" im Oktober 2015 sind 214 Gesetzesänderungen und neue Gesetze in Kraft getreten. Das geschah im Eiltempo und ohne angemessene Beteiligung der Zivilgesellschaft, kritisiert Amnesty. Ein im Juni verabschiedetes Antiterrorgesetz habe die Befugnisse des Inlandsgeheimdienstes bedenklich ausgeweitet. Ausländische Staatsangehörige dürften zum Beispiel drei Monate ohne richterliche Aufsicht überwacht werden. Nach dem Gesetz seien auch Beweismittel zugelassen, die auf illegale Weise beschafft wurden. Ein neues Mediengesetz schränkt außerdem die Pressefreiheit in Polen, kritisiert Amnesty.
Eine junge Polin protestiert gegen die polnische Regierung.
Auch die jüngste Justizreform werfe kein gutes Licht auf Polen. Sie legt unter anderem fest, dass der Justizminister auch die Funktion des Generalstaatsanwaltes übernimmt. Das habe laut Amnesty starke Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Justiz. Das oberste Gericht Polens stufte die Reform bereits als verfassungswidrig ein und die EU-Kommission leitete ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein.
Ungarn - Ausnahmezustand und Diskriminierung
Nach einer Verfassungsänderung kann die Regierung Viktor Orban in Ungarn nahezu ohne demokratische Kontrollen den Ausnahmezustand verhängen und diesen verlängern. In diesem könnte ohne richterlichen Beschluss die Freizügigkeit von Bürgern innerhalb des Landes eingeschränkt, Vermögen von Privatpersonen oder Organisationen eingefroren und öffentliche Veranstaltungen verboten werden, kritisiert Amnesty. Die Polizei dürfte beim Ausnahmezustand ihre Schusswaffen in Situationen einsetzen, die weit über das hinausgingen, was Völkerrecht und internationale Standards gestatten.
Amnesty kritisiert unter anderem die Situation von Flüchtlingen in Ungarn.
Ein Antiterrorgesetz ermächtigt die Polizei außerdem, Menschen ohne Beweise und über einen längeren Zeitraum hinweg abzuhören. Auch die Pressefreiheit in Ungarn sei eingeschränkt, heißt es in dem Bericht. Zudem prangert Amnesty die starke Diskriminierung der Roma in Ungarn an, besonders im Bildungsbereich. Die EU-Kommission hat 2016 deswegen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet.
Deutschland - Amnesty kritisiert Überwachungsgesetze
Laut dem Amnesty-Bericht haben die deutschen Behörden 2016 erhebliche Anstrengungen unternommen, um die große Zahl der Asylsuchenden adäquat unterzubringen. Gleichzeitig habe die Regierung aber Gesetze verabschiedet, die die Rechte von geflüchteten Menschen stark beschränke, zum Beispiel im Bezug auf die Familienzusammenführung. Dass im vergangenen Jahr mehr als 60 Afghanen in ihre unsichere Heimat abgeschoben wurde, kritisierte Amnesty ebenfalls. Auch die Angriffe auf Asylbewerber und ihre Unterkünfte seien Anlass zur Sorge. Zudem stuft die Organisation ein neues Gesetz zur Überwachung als bedenklich ein, das der Bundestag im Oktober verabschiedet hat. Es verschaffe dem Bundesnachrichtendienst weitreichende Befugnisse zur Überwachung von Nicht-EU-Bürgern. Und das, ohne wirksame richterliche Kontrolle, so Amnesty.
Angriffe wie diese auf Asylbewerberheime gab es 2016 Hunderte.