Rauchwolke über der libanesischen Hauptstadt Beirut

Trotz Warnung aus den USA Israel greift erneut Ziele in Beirut an

Stand: 16.10.2024 11:19 Uhr

Trotz scharfer Kritik aus den USA hat das israelische Militär erneut Ziele in der libanesischen Hauptstadt Beirut angegriffen. Auch im Süden des Libanon flog das Militär Angriffe. Behörden melden mindestens fünf Tote.

Zum ersten Mal seit knapp einer Woche haben israelische Militärflugzeuge Ziele in den südlichen Vororten der libanesischen Hauptstadt Beirut angegriffen. Die Zahl der Opfer durch die Angriffe vom Morgen ist noch unklar, wie libanesische Staatsmedien berichteten.

Israels Militär erklärte, der Angriff habe ein Waffenlager der militant-islamistischen Hisbollah unter einem Wohngebäude getroffen. Die israelischen Streitkräfte hatten auf der Online-Plattform X vorher eine Evakuierungswarnung veröffentlicht, in der ein Angriff auf ein Gebäude im Viertel Haret Hreik angekündigt wurde. Ein Augenzeuge berichtete der Nachrichtenagentur AP, es habe drei Angriffe in der Gegend gegeben. Der erste Angriff erfolgte weniger als eine Stunde nach der Warnung.

USA kritisieren Israels Angriffe scharf

Die US-Regierung hatte zuvor Luftangriffe des israelischen Militärs auf Ziele in Beirut ungewöhnlich deutlich kritisiert. "Wir haben Israel unmissverständlich mitgeteilt, dass wir ihre fast täglichen Angriffe in dicht besiedelten Gebieten in Beirut ablehnen", sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, John Kirby. Israel habe zwar das Recht, "gezielte Einsätze" gegen die Infrastruktur der proiranischen Hisbollah-Miliz durchzuführen, müsse dabei aber auch sicherstellen, dass das Leben von Zivilisten, UN-Blauhelmsoldaten und libanesischen Streitkräften nicht gefährdet werde - wie es bereits geschehen sei.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte die Evakuierungswarnungen des israelischen Militärs zuletzt als unzureichend und in manchen Fällen irreführend kritisiert. 

Seit September bombardierte Israel zahlreiche Ziele in den südlichen Vororten Beiruts und tötete dabei auch mehrere Hisbollah-Anführer. Die dicht besiedelten Viertel, bekannt unter dem Namen Dahija, gelten als Hochburgen der Hisbollah-Miliz. Auch im Zentrum Beiruts gab es vereinzelt Luftangriffe.

Tote bei Angriffen im Südlibanon

Bei einem israelischen Angriff auf Gebäude der Stadt Nabatieh im Süden des Libanon sind laut libanesischem Gesundheitsministerium mindestens fünf Menschen getötet worden. Gouverneurin Howaida Turk sagte, es habe am Morgen mindestens elf Angriffe auf die Stadt und ihre Umgebung gegeben. Unter den Toten soll sich der Bürgermeister der Stadt befinden.

Am Dienstagabend wurden bei Angriffen Israels in der Stadt Kana im Südlibanon laut Zivilschutz mindestens 15 Menschen getötet. Sprecher Nuhad Bustandschi sagte, weil die Rettungsarbeiten andauerten, könnte die Zahl der Opfer noch steigen. Videoaufnahmen in den sozialen Medien zeigten die rauchenden Ruinen eines Gebäudes, das Ziel des Angriffs war. Auch umliegende Gebäude wurden beschädigt. Örtliche Medien berichteten, dass es in der Stadt mehrere Angriffe gegeben habe.

USA drohen mit Kürzung der Militärhilfe

Auch mit Blick auf die immer schlechter werdende humanitäre Lage im Gazastreifen äußerten die USA deutliche Kritik an Israel - und erhöhten nun den Druck: Sollte sich die Situation für die Menschen in dem abgeriegelten Küstenstreifen nicht innerhalb von 30 Tagen spürbar verbessern, drohe ein Verstoß gegen US-Gesetze zur militärischen Unterstützung, hieß es aus Washington. Das könnte auch die amerikanische Militärhilfe für Israel gefährden.

Die jüngsten Bilder von einem Angriff der israelischen Streitkräfte auf ein Krankenhausgelände im Gazastreifen seien "entsetzlich", sagte Sicherheitsratssprecher Kirby.

Das US-Außenministerium bestätigte Medienberichte über einen Brief, in dem US-Außenminister Antony Blinken und Verteidigungsminister Lloyd Austin ihre "tiefe Besorgnis" über die humanitäre Lage in Gaza äußerten und "dringende und nachhaltige Maßnahmen" seitens der israelischen Regierung forderten.

Welche konkreten Konsequenzen die US-Regierung ziehen könnte, sollte Israel der Aufforderung nicht nachkommen, ist unklar. Es gehe nicht "um irgendwelche Drohungen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums, sondern um "Ergebnisse" für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen.

Sabina Matthay, ARD Kairo, tagesschau, 16.10.2024 07:28 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. Oktober 2024 um 10:00 Uhr.