Aserbaidschan und Armenien Mehr als 100 Tote auf armenischer Seite
Armenien und Aserbaidschan haben sich gegenseitig für neue Angriffe verantwortlich gemacht. Dabei sollen schwere Waffen und Kampfdrohnen eingesetzt worden sein. Allein auf armenischer Seite soll es mehr als 100 Tote geben.
Zwischen Armenien und Aserbaidschan im Südkaukasus gehen die Kämpfe weiter. "In Richtung Dschermuk hat der Gegner Kampfdrohnen eingesetzt", sagte ein Sprecher des armenischen Verteidigungsministeriums. Auch das nördlich davon gelegene Dorf Werin Schorscha sei attackiert worden. Die Angriffe hätten sich im Laufe des Tages verschärft, auch Fahrzeuge der russischen Friedenstruppe seien unter Feuer genommen worden, heißt es weiter.
Bei den Gefechten sind nach Angaben des armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan in den vergangenen zwei Tagen 105 armenische Soldaten getötet worden. In einer Rede vor dem Parlament sagte Paschinjan laut russischer Nachrichtenagentur Tass, Aserbaidschan habe bei der jüngsten militärischen Konfrontation die Kontrolle über Teile des armenischen Gebiets übernommen.
Aserbaidschan weist Vorwürfe zurück
Baku dementierte die Vorwürfe aus Eriwan und warf dem Nachbarn seinerseits Angriffe vor. Demnach beschießt das armenische Militär Stellungen der Aserbaidschaner im Gebiet Kalbadschar im Westen Aserbaidschans. Dabei setzten die armenischen Truppen auch schwere Waffen wie Haubitzen ein. Die Aussagen sind nicht unabhängig zu überprüfen.
Die staatliche aserbaidschanische Kriegsgefangenen-Kommission erklärte sich bereit, die sterblichen Überreste getöteter armenischen Soldaten an Eriwan zu übergeben. Aserbaidschan rufe "zur Feuerpause" auf und sei "einseitig bereit, die Leichen von 100 armenischen Soldaten an Armenien zu übergeben", erklärte sie.
Berlin fordert Waffenruhe
Bundeskanzler Olaf Scholz rief Aserbaidschan und Armenien auf, ihren Konflikt auf dem Verhandlungsweg beizulegen und von weiteren Kämpfen abzusehen. "Dieser Konflikt macht keinen Sinn", sagte er. Die Bundesregierung hatte sich zuvor schon "zutiefst besorgt" wegen Berichten über Kampfhandlungen an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze gezeigt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sprach dabei auch von Angriffen auf zivile Infrastruktur und Wohnorte. Ein Dialog müsse fortgesetzt werden. "Deshalb unterstützen wir auch das Vermittlungsangebot der Europäischen Union" sagte der Sprecher.
Jahrzehntelanger Konflikt
Armenien und Aserbaidschan streiten sich seit Jahrzehnten um Grenzverlauf und Territorien - unter anderem wegen des Gebiets Bergkarabach. Dort leben mehrheitlich Armenier, das Gebiet liegt aber völkerrechtlich auf aserbaidschanischem Gebiet.
Während eines sechswöchigen Krieges im Jahr 2020, in dem mehr als 6600 Menschen getötet wurden, eroberte Aserbaidschan weite Teile der Region und umliegende Gebiete zurück, die seit Jahrzehnten von den von Armenien unterstützten Separatisten kontrolliert worden waren. Der Krieg endete mit einem von Russland vermittelten Waffenstillstand. Moskau entsandte im Rahmen des Abkommens etwa 2000 Soldaten als Friedenstruppe.
Russland gilt traditionell als Schutzmacht Armeniens im Kaukasus, während die Türkei in dem Konflikt auf der Seite Aserbaidschans agiert. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Konflikten wurde diesmal nach armenischen Angaben nicht die Exklave angegriffen, sondern Stellungen im Kernland Armenien.