Vom Aussterben bedroht 500. Orang-Utan auf Borneo ausgewildert
Schätzungen zufolge könnten Orang-Utans in freier Natur in wenigen Jahrzehnten ausgestorben sein. Auf Borneo wurde nun der 500. Menschenaffe ausgewildert - für den zwölfjährigen Ben beginnt damit nach langer Vorbereitung ein Leben in Freiheit.
Zwölf Jahre alt ist Ben - und hatte wie viele seiner Artgenossen einen schwierigen Start ins Leben. Nun, nach jahrelanger Waldschule, beginnt für den Orang-Utan ein neuer Abschnitt: Vor wenigen Tagen wurde er gemeinsam mit seinen Artgenossen Lima (13) und Gonzales (12) im Regenwald auf Borneo ausgewildert. Für die Organisation BOS (Borneo Orangutan Survival) ist es im Kampf um das Überleben der Menschenaffen ein Meilenstein: Ben ist der 500. Orang-Utan, der auf der riesigen Insel in die Freiheit entlassen wurde.
Die drei Halbstarken tollen nun durch den Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya in Zentral-Kalimantan, dem indonesischen Teil von Borneo. "Wir dürfen nicht vergessen, dass dieser feierliche Moment nur ein Meilenstein und noch keine abgeschlossene Mission ist", sagte BOS-Geschäftsführer Jamartin Sihite. "Es gibt immer noch Hunderte von Orang-Utans auf Vor-Auswilderungsinseln, in der Waldschule und auch hinter Käfiggittern, die alle auf die gleiche Chance warten."
Die rotbraunen Affen leben heute nur noch auf den Inseln Borneo und Sumatra. Palmöl-Plantagen, Wilderei und Waldbrände setzen dem Bestand schwer zu. Schätzungen zufolge könnten Orang-Utans in freier Natur in wenigen Jahrzehnten ausgestorben sein.
Bens erste Sekunden in der Freiheit - ein kleiner Schritt für den Orang-Utan, für die Tierschützer ein Meilenstein.
Als Haustiere gehalten oder für Shows missbraucht
Häufig werden die Tiere vom Säuglingsalter an unter teils furchtbaren Bedingungen als Haustiere gehalten oder für Shows in südostasiatischen Vergnügungsparks missbraucht. Nach ihrer Rettung müssen sie erst mühsam lernen, wie sie auf Bäume klettern, selbst Nahrung finden oder ein Schlafnest bauen. Jede Auswilderung sei der Höhepunkt einer jahrelangen Reise, sagte Sihite - von der Rettung über die Ausbildung bis zu dem Moment, in dem die Tiere mit Jeeps und Booten in den Dschungel heimgebracht werden könnten.
In dem Nationalpark, der von nun an Bens Zuhause ist, lebt auch seine Mutter Nanga. Die Primatin wurde 2006 aus einem Vergnügungspark in Thailand gerettet. Vier Jahre später brachte sie Ben in der Klinik des BOS-Rehabilitationszentrums Nyaru Menteng zur Welt. Wegen der langen Jahre in Gefangenschaft war die Mutter mit dem Baby überfordert und konnte den Kleinen nicht richtig stillen. Schweren Herzens musste das Team die Entscheidung treffen, Mutter und Kind zu trennen, um Bens Überleben zu sichern. Nanga schaffte trotz großer Anfangsprobleme die Rehabilitation und lebt schon seit 2017 in Freiheit im Nationalpark.
Ben im Alter von vier Jahren auf dem Spielplatz des BOS-Rettungszentrums Nyaru Menteng. Nach langer Ausbildung im Waldkindergarten, der Waldschule und schließlich der BOS-Walduniversität ist er nun dort, wo er eigentlich hingehört: im Regenwald von Borneo.
"Wir Menschen können, wenn wir nur wollen"
Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland, bezeichnete die 500. Auswilderung nun als eine "realistische Großchance", die vom Aussterben bedrohte Art doch noch zu erhalten. Dies beweise, "dass wir Menschen können, wenn wir nur wollen".
Bei Ben, Lima und Gonzales sind die BOS-Experten optimistisch, was ihre Zukunft betrifft. Alle drei gelten als aktiv und intelligent. Nach ihrer Freilassung begaben sie sich gleich auf Wanderschaft, kletterten auf Bäume, suchten und fanden Nahrung und begannen bei Dämmerung, ihr Schlafnest zu bauen. Beobachtungsteams sollen die drei jungen Wilden in den kommenden Wochen aber noch im Auge behalten - um sicherzugehen, dass sie sich in ihrem neuen Lebensraum gut zurechtfinden.