Chinas Außenminister Wang Yi und Senegals Außenministerin Yacine Fall

Chinas Afrika-Strategie Mehr Geschäft als Entwicklungshilfe

Stand: 04.09.2024 05:30 Uhr

Beim Treffen des "China-Afrika-Forums" hat China die Gelegenheit, seine Rolle für Afrikas Wirtschaft zu zementieren. Das Land investierte jahrelang in große Infrastrukturprojekte auf dem Kontinent. Jetzt ändert Peking die Strategie.

Das große Medienzentrum in der Nähe des früheren Olympiastadions in Peking ist startklar. Bedienstete in blauen Uniformen schwirren durch die Hallen. Hunderte Arbeitsplätze für Journalisten reihen sich aneinander. Kameras für Liveschalten im TV stellt das Team bereit, neben Satellitenverbindungen und Separees für Interviews. Es soll den internationalen Journalisten - von denen die meisten aus Afrika kommen - an nichts fehlen.

An einem Stand werden Schriften des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping verteilt. Nicht weit davon präsentieren chinesische Firmen 3D-Filme, in denen man durch Landschaften Chinas und Afrikas fliegen kann - inklusive großer Infrastrukturprojekte "Made in China" aus der Vogelperspektive: Eine Straße im Kongo, ein Hafen in Kamerun, ein Regierungspalast in Zimbabwe.

China als Führer des "Globalen Südens"

"Ich hoffe, dass mein Land auf dem Gipfel mehr Investitionszusagen von China bekommt", sagt Ciré Balde aus dem kleinen westafrikanischen Staat Guinea, der an einem Fortbildungsprogramm der chinesischen Regierung für Journalisten aus Afrika teilnimmt. Ähnlich sieht das sein Kollege aus Madagaskar. Chinas Entwicklung sei für sie ein Vorbild, von dem sie lernen wollen, sagen sie - ganz im Sinne des Gastgebers.

Als Führer des sogenannten Globalen Südens präsentiert sich China gern. Und dafür bietet das heute beginnende dreitägige Gipfeltreffen auf dem "China-Afrika-Forum" mit hochrangigen Vertretern aus mehr als 50 afrikanischen Staaten reichlich Gelegenheit. Staats- und Regierungschefs der strategisch wichtigsten Partnerländer empfängt Chinas oberster Führer Xi schon im Vorfeld zu direkten Gesprächen.

Dazu gehört Félix Tshisekedi, Staatschef der Demokratischen Republik Kongo. Aus seinem Land kommen Rohstoffe, wie Kupfer und Kobalt, Grundlagen für die Produktion etwa von Solarpaneelen, Batterien und Elektroautos, bei denen China auf dem Weltmarkt eine führende Rolle spielt. Südafrikas Präsident Ramaphosa bekommt ebenfalls vorab einen Termin bei Xi, als wichtiger Verbündeter, wenn es darum geht, auf der internationalen Bühne neue Allianzen zu schmieden.

Dazu gehört vor allem das BRICS-Forum führender Schwellenländer, das sich zunehmend auch als Gegengewicht zu den G7-Industriestaaten begreift. Und auch Dschibutis Präsident Ismaïl Omar Guelleh schüttelt in der "Großen Halle des Volkes" schon am Montag die Hand des chinesischen Staats- und Parteichefs. China betreibt am Horn von Afrika einen Militärhafen.

1.000 Brücken, 100 Häfen und 10.000 Kilometer Bahnstrecke

Als zweitgrößte Wirtschaftsmacht weltweit ist China längst der wichtigste Handelspartner Afrikas. Auf umgerechnet etwa 152 Milliarden Euro belief sich nach chinesischen Angaben das Handelsvolumen zwischen China und dem afrikanischen Kontinent allein im ersten Halbjahr. Dabei exportiert Afrika vor allem Rohstoffe und Mineralien, daneben auch landwirtschaftliche Produkte wie Avocados. China liefert hingegen Maschinen, Elektronik und Bekleidung. 

Vor internationalen Journalisten zählt Xu Jianping von der Staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform, die auch für Wirtschaftsbeziehungen zuständig ist, vor allem die großen Infrastrukturprojekte in Afrika auf. Mehr als 1.000 Brücken, fast 100 Häfen und 10.000 Kilometer Bahnstrecke habe China in den vergangenen 25 Jahren in Afrika gebaut. Die Botschaft: China helfe dem Kontinent beim Sprung in ein neues Zeitalter. Allerdings nicht umsonst: Die Projekte sind schuldenfinanziert, und manche von ihnen rechnen sich nicht.

Chinesische Kreditvergabe geht zurück

Deshalb hat sich die chinesische Investitionsstrategie inzwischen geändert. 2016 hat China noch Kredite im Wert von umgerechnet 27 Milliarden Euro pro Jahr vergeben. Geld meist für Megaprojekte, die oft als überdimensioniert galten.

Die Kreditvergabe wurden danach Jahr um Jahr zurückgefahren und ist nach jüngsten Zahlen der Boston University erst im vergangenen Jahr wieder etwas gestiegen. Mit umgerechnet 4,2 Milliarden Euro liegen die Kredite aber weit unter dem früheren Niveau.

Große Infrastrukturprojekte mit enormem Risiko

Auch das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel analysiert Chinas Kredite an Afrika und erkennt einen ähnlichen Trend. Die Datenlage sei zwar schwierig, so Wirtschaftsforscherin Paulina Kitzinger, weil Chinas Kreditvergabe immer noch intransparent sei. Sie sieht aber dennoch einen Strategiewechsel in den vergangenen Jahren.

"Die großen Infrastrukturprojekte haben enorme Risiken mit sich gebracht. Sie waren mehr an den Wünschen der Politiker in den Ländern ausgerichtet und weniger an dem, was finanzierbar ist." Mittlerweile habe sich das geändert, auch weil Chinas Wirtschaft nicht in Gang kommt und chinesische Kommunen selbst ein Schuldenproblem haben.

Mehr Investition ins grüne Energien

"Es werden von China eher kleinere Projekte finanziert, bei denen das Ausfallrisiko nicht so groß ist", so Kitzinger. Außerdem suche sich Peking nun bei der Kreditvergabe meist weitere, oft kommerzielle, internationale Partner. "Das hat auch den Vorteil, bei Forderungen nach einem Schuldenschnitt nicht einziger Adressat zu sein." Die Kreditkonditionen ähneln nach Analyse des IfW oft kommerziellen Krediten - mit höheren Zinsen als die Kreditpakete der Weltbank. Es geht also mehr um Geschäft als reine Entwicklungsprojekte.

So will China nun auch Investitionen in afrikanische Kohleenergie- und Ölförderprojekte verringern und dafür mehr grüne Energien fördern. Praktischerweise kann Peking gleich die Solarpaneele dazu liefern - ein neuer lukrativer Markt. In vielen Bereichen sind chinesische Firmen längst ein fester Bestandteil der Wirtschaft zahlreicher afrikanischer Länder geworden. Auch wenn der Geldbeutel in Peking bei der Kreditvergabe längst nicht mehr so locker sitzt.

Eva Lamby-Schmitt, ARD Shanghai, tagesschau, 04.09.2024 06:57 Uhr