Indonesien und der G20-Gipfel Nicht nur über Ukraine reden
Indonesiens Präsident Widodo würde als Gastgeber des G20-Gipfels am liebsten nur über Wirtschaftsthemen sprechen. Stattdessen wird der Ukraine-Krieg im Mittelpunkt stehen. Nun versucht Widodo den Balanceakt.
Im Juni besuchte Indonesiens Präsident Joko Widodo erst die Ukraine, dann Russland. Es wurden Hände geschüttelt, Fotos gemacht. Indonesien versuchte sich als Vermittler - und lud beide, die Ukraine und Russland, zum G20-Gipfel ein, der kommende Woche auf Bali stattfindet.
Er setze auf Dialog, sagt Widodo: "Ich lade alle führenden Politiker der Welt ein, den Geist des Multilateralismus, des Friedens und der Zusammenarbeit wiederzubeleben. Nur mit diesem Geist kann der Frieden erreicht werden."
Eine andere Außenpolitik
Indonesien verfolge eine andere Außenpolitik als die USA oder Europa, erklärt Reynaldo de Archellie. Er unterrichtet Russland-Studien an der größten staatlichen Universität des Landes. "Indonesien betreibt eine freie und aktive Außenpolitik", sagt de Archellie.
Und das bedeute, Indonesien habe die Freiheit, mit allen Ländern der Welt zu sprechen und Beziehungen aufzubauen. "Im Falle des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine hat sich Indonesien für den Dialog entschieden, während die Europäische Union oder die USA Sanktionen bevorzugen", so de Archellie weiter.
Denn Sanktionen schadeten aus indonesischer Sicht eher als dass sie helfen würden, sagt Budiman Sujadmiko, Mitglied der Regierungspartei und ehemaliger Abgeordneter. Und er führt aus: "Die Energie- und Nahrungsmittelsicherheit gerät durch die Sanktionen ins Wanken. Wir wollen kein Benzin in ein Feuer gießen, das bereits brennt."
Fokus auf Wirtschaft
Präsident Widodo sagt, er wolle auf dem G20-Gipfel über die Lösung von Problemen sprechen - und für den ehemaligen Geschäftsmann bedeutet das vor allem: über Wirtschaftsthemen. Er hat sich drei Schwerpunkte gesetzt: eine gute Gesundheitsversorgung für alle, eine stärkere Digitalisierung und den Umstieg auf erneuerbare Energien.
"Das Problem hier ist, dass wir gerade ein enormes Risiko haben, dass der G20-Gipfel politisiert wird", kommentiert Frederick Kliem, Politikwissenschaftler am Forschungsinstitut RSIS in Singapur. Eigentlich sollten auf dem Gipfel Themen wie Post-Covid, wirtschaftliche Erholung, erneuerbare Energien, Nahrungssicherheit oder Lieferkettensicherheit besprochen werden, so Kliem - Themen, die jedoch unterzugehen drohten.
Große Unterschiede auf der Agenda
Viele Schwellen- und Entwicklungsländer setzten beim G20-Gipfel andere Prioritäten als der Westen, sagt Kliem. Der Fokus liege für sie weniger auf dem Ukrainekrieg, sondern vielmehr auf der wirtschaftlichen Erholung nach der Covid-Pandemie.
Das sei der große Unterschied, so Kliem: "Was ist oben auf der politischen Agenda im politischen Westen und was ist oben auf der Agenda in den Schwellenländern - und das sind schon andere Dinge." Aus indonesischer Sicht sollten sich die Gipfelteilnehmer also mehr mit den wirtschaftlichen Fragen und ihren Auswirkungen auf die Bevölkerung befassen.
Investoren statt Geopolitik
Der indonesische Unternehmer Agus Sari hat den indonesischen Präsidenten mehrmals getroffen. Er schätze Widodo als klugen Politiker, der wisse, wie er seine Ziele erreiche, sagt er. Und ein wichtiges Ziel von Widodo als Gastgeber sei, Indonesien in der Welt bekannter zu machen und Investoren ins Land zu locken. "Indonesien ist das größte unsichtbare Land der Welt", meint Sari. "Es ist groß, aber niemand weiß, wo es ist. Der G20-Gipfel ist eine gute Möglichkeit, es bekannt zu machen."
Dabei ist Indonesien mit mehr als 270 Millionen Einwohnern das viertgrößte Land der Welt. Und das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung. Diese verteilt sich über tausende Inseln. Auf einer davon, auf Bali, kommen nun also die Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zusammen.
Und auch wenn Gastgeber Joko Widodo sich auf dem G20-Gipfel am liebsten nur mit Wirtschaftsthemen beschäftigen würde, wird er wohl eher geopolitische Konflikte managen müssen.