Indonesisches Krankenhaus im Gazastreifen (Aufnahme vom 12. November 2023)

Gazastreifen Kämpfe um weiteres Krankenhaus ausgebrochen

Stand: 20.11.2023 11:37 Uhr

Ungeachtet vorsichtiger Hoffnungen auf eine Feuerpause weitet Israel seine Angriffe im Gazastreifen offenbar aus. Bei einem Angriff auf eine Klinik wurden nach Angaben der Hamas mindestens zwölf Menschen getötet.

In der Nähe eines Krankenhauses mit Tausenden Patienten und Schutzsuchenden im nördlichen Gazastreifen sind heftige Kämpfe ausgebrochen. Aufnahmen des Fernsehsenders Al-Dschasira, die offenbar aus dem Inneren des "Indonesischen Krankenhauses" gemacht wurden, zeigten Panzer, die unmittelbar vor dem Gebäude Schüsse abgaben. Das Krankenhaus wird von Indonesien betrieben und liegt am Rande der Flüchtlingssiedlung Dschabalia im Norden des Gazastreifens.

Ein medizinischer Mitarbeiter der Klinik sagte der Nachrichtenagentur AP, israelische Panzer seien von den Fenstern aus zu sehen. "Man kann sie herumfahren und schießen sehen", sagte Marwan Abdallah weiter. Frauen und Kinder seien verängstigt, ständig seien Explosionen und Schüsse zu hören.

In der Nacht habe das Krankenhaus Dutzende Tote und Verletzte aufgenommen. Das medizinische Personal und die Menschen, die seit Wochen in der Klinik Zuflucht gesucht haben, befürchteten eine Belagerung der Klinik durch israelische Truppen und seine zwangsweise Evakuierung.

Karte Gazastreifen mit den von der israelischen Armee kontrollierten Gebieten

Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee

Laut Hamas mindestens zwölf Tote

Ein Sprecher des von der militant-islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums sagte, die Klinik sei von israelischen Angriffen getroffen worden. Dabei seien mindestens zwölf Menschen getötet worden. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben von Ministeriumssprecher Aschraf al-Kudra nicht.

Nach seinen Worten hielten sich im "Indonesischen Krankenhaus" rund 600 Patienten, 200 Mitarbeiter und 2.000 Zufluchtsuchende auf. "Die israelische Armee belagert das 'Indonesische Krankenhaus' und wir befürchten, dass dort dasselbe passieren wird wie im Al-Schifa-Krankenhaus", sagte al-Kudra. 

Das israelische Militär äußerte sich bislang nicht. Israel hatte am Vortag erklärt, die Kämpfe gegen die militant-islamistische Hamas auf "zusätzliche Gebiete" des Palästinensergebiets ausweiten zu wollen.

Israelische Soldaten befinden sich seit Tagen auf dem Gelände des Al-Schifa-Krankenhauses, des größten Krankenhauses im Gazastreifen, unter dem sie eine Einsatzzentrale der Hamas vermuten. Auch unter dem "Indonesischen Krankenhaus" vermutet die israelische Armee ein unterirdisches Kontrollzentrum der Terrororganisation. Die Hamas bestreitet das.

Erneut Raketenbeschuss aus Gazastreifen auf Israel

Unterdessen feuerten nach Angaben der israelischen Armee extremistische Palästinenser im Gazastreifen erneut Raketen auf den Süden Israels ab. Es sei mehrfach Raketenalarm ausgelöst worden, unter anderem im Kibbuz Ein Haschloscha, teilte die Armee mit. Seit Beginn des Krieges am 7. Oktober sind israelischen Angaben zufolge Tausende Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen worden.

Konfliktparteien als Quelle
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Ägypten wirft Israel systematische Behinderung vor

Während die Kämpfe im Gazastreifen andauern, wirft Ägypten Israel die "systematische" Behinderung von Hilfslieferungen für den Gazastreifen vor. Ägypten unternehme alles, um Lieferungen über den Grenzübergang Rafah zu ermöglichen, sagte Außenminister Samih Schukri während eines Besuchs in China. "Aber Israels Politik, die Einfuhr von Hilfen zu behindern, ist systematisch", sagte Schukri seinem Sprecher zufolge. Israel wolle Palästinenser dazu "drängen", den Gazastreifen während der "laufenden Bombardements und Besatzung zu verlassen", argumentierte er demnach.

Die Hamas hatte im Gazastreifen 2007 gewaltsam die Kontrolle an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die Ägypten mitträgt. Beide Länder begründen die Abriegelung mit Sicherheitsinteressen. Die Öffnung des einzigen nicht-israelischen Grenzübergangs Rafah nach Ägypten wird streng reguliert. Nach Beginn des Krieges kamen über Rafah etwa zwei Wochen lang keine Hilfsgüter in das Gebiet.

Israel besteht auf einer Kontrolle der Hilfslieferungen, um auszuschließen, dass mit den Lastern Waffen oder Nachschub für die Hamas eingeschmuggelt werden. Nach Zählung des UN-Nothilfebüros OCHA kamen im Lauf der vergangenen vier Wochen etwa 1.200 Lastwagen mit Hilfslieferungen über Rafah in den Gazastreifen. Heute fuhren nach Angaben des Ägyptischen Roten Halbmonds zudem zwei weitere Tankwagen mit 60.000 Litern Diesel ein.

Clemens Verenkotte, ARD Tel Aviv, tagesschau, 20.11.2023 13:18 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 20. November 2023 um 11:00 Uhr.