Zuckerfest in Gaza Zwischen Trauer und Trümmern
Von der üblicherweise freudigen Stimmung zum Zuckerfest fehlt im Gazastreifen in diesem Jahr jede Spur. Eine Familie erzählt, wie sie das Fest in Kriegszeiten begehen - geprägt von Trauer, Furcht und Ungewissheit
Die beiden Frauen sind Schwestern, die 56-jährige Ibtesam Abu Saif und die 60-jährige Samara Abu Hashim. Das letzte Zuckerfest haben sie noch zusammen mit ihren vielköpfigen Familien in Beit Lahya verbracht, ganz im Norden des Gazastreifens. Sie feierten in großen Häusern, mit schönen Gärten und schattenspendenden Bäumen.
Jetzt haben die beiden in einem völlig mit anderen Binnenvertriebenen überfüllten Haus in Rafah Zuflucht gefunden. Die männlichen Familienmitglieder schlafen draußen in den Zelten. Ibtesam Abu Saif beschreibt am Vorabend des Zuckerfestes ihre Gefühle gegenüber dem ARD-Studio Tel Aviv mit diesen Worten: "Dieses Zuckerfest ist ein trauriges Zuckerfest, weil wir vertrieben wurden und nicht in unseren Häusern sind."
Normalerweise würden sie vor dem Zuckerfest Süßigkeiten, Schokolade und Kuchen vorbereiten, würden ihre Häuser putzen und Gäste empfangen. "Jetzt sind wir im Krieg, und es gibt nichts mehr von dem, was wir früher gemacht haben."
"Unsere Gefühle sind unbeschreiblich"
Bereits eine Woche nach Kriegsbeginn war sie mit ihrer Familie von Beit Lahya geflohen, erst nach Chan Junis und dann ganz in den Süden nach Rafah. Genauso wie ihre Schwester hat auch Samara Abu Hashim alles verloren: "Unsere Gefühle sind traurige und schmerzhafte Gefühle." Es seien Gefühle des Mangels an Freude und Glück. Stattdessen habe sie Gefühle der Angst und des Schreckens und des Mangels an Sicherheit. "Unsere Gefühle sind unbeschreiblich."
Freunde einer ihrer Söhne, die im Norden des Gazastreifens ausgeharrt haben, schickten Ibtesam Abu Saif Wochen später ein kurzes Video auf Whatsapp: Zu sehen war ihr ehemaliges Wohnviertel in Beit Lahya. Nahezu alle Häuser waren zerbombt. Von ihrem eigenen Haus blieb nichts mehr übrig außer eine einzige Schutthalde.
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"Wir essen nur Konserven"
Jetzt, in Rafah, wo knapp 1,5 Millionen Obdachlose seit Wochen und Monaten unter unerträglichen Zuständen zu überleben versuchen, sei es nahezu unmöglich, die Köstlichkeiten und Spezialitäten zu bekommen, die sonst während der dreitägigen Festtage üblich sind.
Ibtesam Abu Saif erzählt "Die meisten Menschen in Gaza essen zum Zuckerfest eine Mahlzeit, die 'Fasikh' heißt." Das sei ein Fisch, der sehr salzig sei und jetzt auf den Märkten nicht mehr erhältlich sei. "Und wenn man ihn findet, ist er sehr teuer." Ihre Schwester Samara Abu Hashim ergänzt: "Ehrlich gesagt gibt es keine Lebensmittel, nur Konserven, und die Preise sind sehr hoch." Das sei unmöglich zu bezahlen.
Fest ohne Freude
Es fällt den beiden Schwestern sehr schwer, angesichts der Schrecken, der stockfinsteren Bombennächte, der inzwischen über 100.000 Toten und Verletzten und der überall herrschenden tiefen Trauer an ein Morgen zu denken. Ob sie sich jemals vorstellen können, in der Zukunft wieder ein Eid al Fitr zu begehen, das sie zuvor so freudig und glücklich verbracht hat?
Ibtesam Abu Saif erwidert: "Wir machen gerade einen schweren Krieg durch, und es ist schwierig, das Fest zu feiern und die Atmosphäre des Zuckerfestes zu spüren. Ich mag mich nach Jahren beim Zuckerfest wieder glücklich fühlen. Aber Gaza ist sehr zerstört, sodass es schwierig ist, die Atmosphäre des Zuckerfestes zu spüren."