Hilfslieferungen für Gaza Zu wenig, zu langsam
Die Lage der Zivilisten im Gazastreifen ist katastrophal - viele haben nach wie vor nicht genug zu essen. Daran ändern auch ein neuer Grenzübergang und die Luftbrücke nichts. Menschen essen teilweise Gras, um zu überleben.
Monatelang das gleiche Bild: lange Lkw-Schlangen am Grenzübergang Rafah auf der ägyptischen Seite. Sie alle sind beladen mit Hilfsgütern für den Gazastreifen - doch bis diese Lastwagen tatsächlich ihr Ziel erreichen, vergehen Tage, manchmal Wochen. Denn die Hilfslieferungen werden zuvor ausgiebig von Israel kontrolliert, um zu verhindern, dass beispielsweise Waffen an die Hamas geschmuggelt werden.
"Am Grenzübergang Rafah herrscht rund um die Uhr Verkehr", berichtet Ramadan al-Matany, Reporter von Cairo News. "Den Grenzübergang Kerem Shalom haben 130 Lastwagen mit Lebensmitteln und medizinischen Hilfsgütern passiert."
Nur halb so viele Lkw wie nötig
Sinai, Rafah, Kerem Shalom - das Verfahren auf dem ägyptischen Landweg ist seit Monaten kompliziert: Die Hilfe kommt in Ägypten am Hafen Port Said oder am Flughafen Al-Arisch auf der Sinai-Halbinsel an. Dort werden die Hilfsgüter auf Lastwagen verladen und fahren zum Grenzübergang Rafah. Wenn sie dort an der Reihe sind, werden sie zum israelischen Grenzübergang Kerem Shalom gebracht, dort von den Israelis gecheckt - und dürfen danach erst in den Gazastreifen.
Zu wenig Hilfe komme durch dieses Verfahren zu langsam dort an, sagt der zuständige UN-Koordinator. "Wir haben 2,2 Millionen Menschen, die von etwa 250 Lastwagen am Tag abhängig sind", so Jamie McGoldrick vor kurzem bei Deutsche Welle TV. "Es müssten 500 Lkw am Tag sein. Also eine massive Versorgungslücke - und das seit mehr als einem halben Jahr."
Wenn verdächtige Güter entdeckt werden, kann es Berichten zufolge passieren, dass der Transport ganz zurückgewiesen wird. Internationale Hilfsorganisationen berichten von Zeltstangen, die angeblich abgelehnt wurden, weil sie aus Metall waren. Narkosemittel, Sauerstoffflaschen, Wasserfiltersysteme, selbst Schlafsäcke mit Reißverschlüssen oder Hygienesets mit Nagelclipsern sollen abgelehnt worden sein.
Menschen essen Gras, um nicht zu verhungern
Die Folge des Versorgungsnotstands in Gaza sind verheerend: Beobachter sprechen von einer beginnenden Hungersnot, die Menschen essen teilweise Gras, um zu überleben. Auch die von Israel angekündigte Öffnung weiterer Grenzübergänge hat das Verfahren offenbar nicht deutlich beschleunigt.
Auch Jordanien versucht, über den Landweg Hilfe nach Gaza zu schicken - doch auch das dauert. "An diesem Tag haben sich 115 Lkw mit verschiedenen Lebensmitteln auf den Weg gemacht", erklärte Hussein Shibli von der jordanischen Kommission für Wohltätigkeit. "Die Luftbrücke wird ebenfalls fortgesetzt, von uns und von befreundeten Ländern - allein heute gab es rund 300 Abwürfe."
Luftbrücke - ineffektiv und teuer
Was nach viel klingt, sei angesichts der Not von mehr als zwei Millionen Menschen in Gaza ein Tropfen auf den heißen Stein, sagen Kritiker. Die Luftbrücke wurde von Jordanien ins Leben gerufen, als klar war, dass der Landweg zu lange dauert. Medienwirksam segeln Hilfspakete an Fallschirmen zu Boden.
Das Problem: Hohe Kosten und Gefahren. Menschen wurden bereits von Paletten erschlagen oder ertranken bei dem Versuch, ins Meer gefallene Hilfsgüter zu bergen.
Humanitäre Helfer wie McGoldrick kritisieren die sogenannten Airdrops als ineffektiv. "Alles, was reinkommt, hilft - aber diese Airdrops sind sehr teuer, sie kosten pro Tonne rund 300 mal mehr als Transporte auf dem Landweg. Und man kann nicht steuern, wo die Hilfe landet. Das heißt, sie erreicht nicht die, die sie am dringendsten brauchen, sondern die, die am schnellsten und am stärksten sind, um die Pakete zu ergattern und zu tragen."
Paletten mit Nahrung - abgeworfen aus einem Transportflugzeug der Luftwaffe - fliegen an Fallschirmen über dem Gazastreifen. (Aufnahme vom 17.3.2024)
Auch Bundeswehr wirft Hilfsmittel ab
Immer noch besser als nichts tun, sagen Befürworter - andere Länder sind eingestiegen, auch die deutsche Bundeswehr beteiligt sich seit Mitte März an den Abwürfen. Auf Anfrage des ARD-Studios Kairo erklärte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, aktuell plane die Bundeswehr drei Flüge pro Woche, pro Flug könnten mehrere Paletten mit insgesamt etwa elf Tonnen Hilfsgütern abgesetzt werden. Mittlerweile habe die Bundeswehr knapp 30 Flüge durchgeführt.
Doch auch das reicht nicht, um die hungernden, eingeschlossenen Menschen dauerhaft zu versorgen. Die USA haben daher mit dem Bau eines temporären Hafens begonnen. Die EU-Kommission hat zuletzt beschlossen, die Hilfe für Gaza um weitere 68 Millionen Euro aufzustocken.
Die Frage ist, wie, auf welchem Weg und vor allem wie schnell die Hilfsgüter, die von diesem Geld gekauft werden könnten, die notleidenden Zivilisten in Gaza tatsächlich erreichen werden.