Nach Tötung von Hamas-Funktionär Kommt die Reaktion der Hisbollah?
Bislang war die Lage an der israelisch-libanesischen Grenze einigermaßen übersichtlich. Doch nach der Tötung des Hamas-Funktionärs al-Aruri in Beirut könnte sich das ändern. Am Abend will sich Hisbollah-Chef Nasrallah äußern.
Israels Truppen an der Grenze zum Libanon sind in Alarmbereitschaft. Nach der Tötung von Saleh al-Aruri in Beirut wird dort mit einer Reaktion gerechnet. Israel hat sich bisher nicht zu dem Angriff bekannt, bei dem in einem Viertel von Beirut, in dem die Hamas ein Büro unterhält, insgesamt sieben Menschen getötet wurden.
Auffällig ist, dass Vertreter Israels versuchen, diesen Angriff klein zu halten. So sagte beispielsweise Mark Regev, Sprecher der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, im US-Fernsehsender MSNBC, es gebe offensichtlich viele Hisbollah-Ziele im Libanon. "Aber wer immer diesen Angriff durchgeführt hat: Er war sehr chirurgisch, es ging um ein Hamas-Ziel, denn Israel ist im Krieg. Wer immer das getan hat, hat ein Problem mit der Hamas."
Es sei kein Angriff auf den Libanon gewesen, betonte Regev, kein Angriff auf die Terrororganisation Hisbollah. "Wer immer das getan hat: Das war ein Angriff auf die Hamas, das ist ganz klar."
Saleh al-Aruri ist bei einem Drohnenangriff im Süden Beiruts getötet worden.
Große Spannungen an der libanesisch-israelischen Grenze
Die Reaktion der Hamas ließ nicht lange auf sich warten. Teile der Führung der Terrororganisation sitzen im Ausland. So war es bei Saleh al-Aruri und so ist es auch im Fall von Ismael Haniyeh. Der Chef der Hamas sitzt in Doha, seine Botschaft wurde von Al Jazeera verbreitet: "Die, die am Dienstag getötet wurden, in der libanesischen Hauptstadt Beirut, durch einen dummen Mord durch den zionistischen Feind, durch eine barbarische Aggression, ein abscheuliches Verbrechen, sie sind ein weiterer Beweis für das Blutvergießen in Gaza, im Westjordanland, im Ausland und überall", so Haniyeh.
Die Frage ist, wie nun die Hisbollah reagiert, die den Süden des Libanons kontrolliert. In den vergangenen Wochen haben sich die Spannungen an der Grenze im Norden immer weiter erhöht. Zwischen 70.000 und 80.000 Israelis sind dort wegen des häufigen Beschusses durch die Hisbollah weiterhin evakuiert, fast täglich greift Israel Ziele im Libanon an. Seit Wochen gibt es dort die Befürchtung einer weiteren Eskalation.
Wie hoch wird der Preis für die Tötung sein?
Und die Experten versuchen sich nun an Einschätzungen, wie die Hisbollah auf den Angriff in Beirut reagieren könnte. Amos Yadlin, ein ehemaliger General der israelischen Streitkräfte, hält die Tötung des Hamas-Führers zunächst einmal für richtig. Er sagte im Channel 12, er glaube, "dass der Nutzen sehr groß ist, sowohl mit Blick auf die Zukunft als auch mit Blick auf die offenen Rechnungen aus der Vergangenheit".
Ernsthaft diskutiert werde nun die Frage, wie hoch der Preis für so eine Tötung sein werde, so Yadlin. Ob Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah, "der wirklich nicht an einem Krieg interessiert ist", sagen werde, "dass hier eine Linie überschritten wurde", die ihn dazu bringen werde, schärfer zu reagieren.
Nasrallah wird am Abend eine Rede halten. Das hat er schon zweimal in diesem Krieg getan, und jeweils wurde deutlich, dass er sich nicht am Krieg zu beteiligen gedenkt. Der Sicherheitsexperte Ohad Chemo erwartet, dass das auch dieses Mal so sein wird: "Auch heute ist die Hisbollah nicht an einem Krieg interessiert. Deswegen stellt sich die große Frage, wie die Reaktion aussehen wird."
"Viele haben eine offene Rechnung mit Israel"
Nasrallah habe jetzt die Bestätigung dafür erhalten, dass Israel es ernst meine, selbst in einer Hochburg der Hisbollah, sagt Chemo. Erst vor wenigen Tagen sei Sejed-Rasi Mussawi, der General der Iranischen Revolutionsgarden, getötet worden, erinnerte Chemo. Diese werde Israel zugeschrieben. "Viele Gruppen in der Region haben eine offene Rechnung mit Israel."
Für den Krieg im Gazastreifen bedeutet der Vorfall, dass eine Waffenruhe vorerst vom Tisch ist. Nach der Tötung eines Hamas-Führers wird sich die Terrororganisation wahrscheinlich nicht darauf einlassen und auch die politische Führung Israels scheint sie derzeit nicht zu wollen.
Keine guten Nachrichten für Geisel-Angehörige
Für die Angehörigen der etwa 100 immer noch verschleppten Geiseln sind das keine guten Nachrichten. Sie hatten auf weitere Verhandlungen und weitere Freilassungen gehofft. Ravital Nassi, deren Bruder verschleppt wurde, und andere Angehörige machen sich immer weniger Hoffnung. "Wir haben nicht erwartet, dass er nach zwei Tagen, einer Woche oder einem Monat zu Hause sein wird", sagte sie im Israel Radio. "Aber jetzt nähern wir uns dem hundertsten Tag. Die Geiseln sind weiter dort, und die Zeit rennt uns davon, denn ihre Bedingungen werden auch nicht besser. Wir können nicht mehr geduldig dasitzen. Wie wird es weitergehen? Was wird aus den Geiseln? Das Thema der Geiseln rutscht langsam von der Tagesordnung. Aber wir sind nicht bereit, das hinzunehmen."
So läuft der Krieg im Gazastreifen wohl vorerst weiter - während an der Nordgrenze Israels gehofft wird, dass die größere Eskalation dort ausbleibt.